Er hat sich niemals um seine eigne Sachen be- kümmern wollen. Das Gut, welches ihm sein Onkel gelassen hat, ist sein Verderben gewesen. Es mochte seyn, wer es wollte, Weib oder Mai- tresse, eine mußte sein Vermögen zum Spiel ge- habt haben.
Jch habe ihm oft einen Wink von seinen Schwachheiten in diesem Stücke gegeben: und von der Gefahr, die er liefe, arglistigen Leuten zum Raube zu werden. Aber es war ihm zu- wider, sich zu bemühen. Er wollte allemal von seinen Rechnungen laufen: wie er nun, armer Schelm! gern von sich selbst entlaufen möchte. Hätte er keine Weibsperson gehabt, ihn zu ru- pfen: so würde sein Kutscher oder Diener sein oberster Rath über seine Sachen gewesen seyn, und es eben so gut gethan haben.
Gleichwohl habe ich viele Jahre herdurch gedacht, daß sie seinem Bette getreu wäre. We- nigstens dachte ich, die Jungen wären von ihm. Denn ob sie gleich stark von Muskeln und Kno- chen sind: so vermuthete ich doch, die gesunde Mutter möchte sie mit den Gliedern und Schul- tern versehen haben. Sie ist nicht von einem zarten Bau. Außerdem sahe und redete Thoms vor einigen Jahren noch mehr wie ein Mann, als er auf die letzte gethan hat, da er seit einiger Zeit hohl und in sich redet, armer Schelm! weil ihm die Luftröhre zusammen gefallen ist; und von der halb weggespienen Lunge keichet.
Er beklagt sich, schreibst du, daß wir alle von ihm laufen. Jn Wahrheit, Belford, es ist kein
Ver-
Er hat ſich niemals um ſeine eigne Sachen be- kuͤmmern wollen. Das Gut, welches ihm ſein Onkel gelaſſen hat, iſt ſein Verderben geweſen. Es mochte ſeyn, wer es wollte, Weib oder Mai- treſſe, eine mußte ſein Vermoͤgen zum Spiel ge- habt haben.
Jch habe ihm oft einen Wink von ſeinen Schwachheiten in dieſem Stuͤcke gegeben: und von der Gefahr, die er liefe, argliſtigen Leuten zum Raube zu werden. Aber es war ihm zu- wider, ſich zu bemuͤhen. Er wollte allemal von ſeinen Rechnungen laufen: wie er nun, armer Schelm! gern von ſich ſelbſt entlaufen moͤchte. Haͤtte er keine Weibsperſon gehabt, ihn zu ru- pfen: ſo wuͤrde ſein Kutſcher oder Diener ſein oberſter Rath uͤber ſeine Sachen geweſen ſeyn, und es eben ſo gut gethan haben.
Gleichwohl habe ich viele Jahre herdurch gedacht, daß ſie ſeinem Bette getreu waͤre. We- nigſtens dachte ich, die Jungen waͤren von ihm. Denn ob ſie gleich ſtark von Muskeln und Kno- chen ſind: ſo vermuthete ich doch, die geſunde Mutter moͤchte ſie mit den Gliedern und Schul- tern verſehen haben. Sie iſt nicht von einem zarten Bau. Außerdem ſahe und redete Thoms vor einigen Jahren noch mehr wie ein Mann, als er auf die letzte gethan hat, da er ſeit einiger Zeit hohl und in ſich redet, armer Schelm! weil ihm die Luftroͤhre zuſammen gefallen iſt; und von der halb weggeſpienen Lunge keichet.
Er beklagt ſich, ſchreibſt du, daß wir alle von ihm laufen. Jn Wahrheit, Belford, es iſt kein
Ver-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0436"n="430"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
Er hat ſich niemals um ſeine eigne Sachen be-<lb/>
kuͤmmern wollen. Das Gut, welches ihm ſein<lb/>
Onkel gelaſſen hat, iſt ſein Verderben geweſen.<lb/>
Es mochte ſeyn, wer es wollte, Weib oder Mai-<lb/>
treſſe, eine mußte ſein Vermoͤgen zum Spiel ge-<lb/>
habt haben.</p><lb/><p>Jch habe ihm oft einen Wink von ſeinen<lb/>
Schwachheiten in dieſem Stuͤcke gegeben: und<lb/>
von der Gefahr, die er liefe, argliſtigen Leuten<lb/>
zum Raube zu werden. Aber es war ihm zu-<lb/>
wider, ſich zu bemuͤhen. Er wollte allemal von<lb/>ſeinen Rechnungen laufen: wie er nun, armer<lb/>
Schelm! gern von ſich ſelbſt entlaufen moͤchte.<lb/>
Haͤtte er keine <hirendition="#fr">Weibsperſon</hi> gehabt, ihn zu ru-<lb/>
pfen: ſo wuͤrde ſein <hirendition="#fr">Kutſcher</hi> oder <hirendition="#fr">Diener</hi>ſein<lb/><hirendition="#fr">oberſter Rath</hi> uͤber ſeine Sachen geweſen ſeyn,<lb/>
und es eben ſo gut gethan haben.</p><lb/><p>Gleichwohl habe ich viele Jahre herdurch<lb/>
gedacht, daß ſie ſeinem Bette getreu waͤre. We-<lb/>
nigſtens dachte ich, die Jungen waͤren von ihm.<lb/>
Denn ob ſie gleich ſtark von Muskeln und Kno-<lb/>
chen ſind: ſo vermuthete ich doch, die geſunde<lb/>
Mutter moͤchte ſie mit den Gliedern und Schul-<lb/>
tern verſehen haben. Sie iſt nicht von einem<lb/>
zarten Bau. Außerdem ſahe und redete Thoms<lb/>
vor einigen Jahren noch mehr wie ein Mann,<lb/>
als er auf die letzte gethan hat, da er ſeit einiger<lb/>
Zeit hohl und in ſich redet, armer Schelm! weil<lb/>
ihm die Luftroͤhre zuſammen gefallen iſt; und<lb/>
von der halb weggeſpienen Lunge keichet.</p><lb/><p>Er beklagt ſich, ſchreibſt du, daß wir alle von<lb/>
ihm laufen. Jn Wahrheit, Belford, es iſt kein<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Ver-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[430/0436]
Er hat ſich niemals um ſeine eigne Sachen be-
kuͤmmern wollen. Das Gut, welches ihm ſein
Onkel gelaſſen hat, iſt ſein Verderben geweſen.
Es mochte ſeyn, wer es wollte, Weib oder Mai-
treſſe, eine mußte ſein Vermoͤgen zum Spiel ge-
habt haben.
Jch habe ihm oft einen Wink von ſeinen
Schwachheiten in dieſem Stuͤcke gegeben: und
von der Gefahr, die er liefe, argliſtigen Leuten
zum Raube zu werden. Aber es war ihm zu-
wider, ſich zu bemuͤhen. Er wollte allemal von
ſeinen Rechnungen laufen: wie er nun, armer
Schelm! gern von ſich ſelbſt entlaufen moͤchte.
Haͤtte er keine Weibsperſon gehabt, ihn zu ru-
pfen: ſo wuͤrde ſein Kutſcher oder Diener ſein
oberſter Rath uͤber ſeine Sachen geweſen ſeyn,
und es eben ſo gut gethan haben.
Gleichwohl habe ich viele Jahre herdurch
gedacht, daß ſie ſeinem Bette getreu waͤre. We-
nigſtens dachte ich, die Jungen waͤren von ihm.
Denn ob ſie gleich ſtark von Muskeln und Kno-
chen ſind: ſo vermuthete ich doch, die geſunde
Mutter moͤchte ſie mit den Gliedern und Schul-
tern verſehen haben. Sie iſt nicht von einem
zarten Bau. Außerdem ſahe und redete Thoms
vor einigen Jahren noch mehr wie ein Mann,
als er auf die letzte gethan hat, da er ſeit einiger
Zeit hohl und in ſich redet, armer Schelm! weil
ihm die Luftroͤhre zuſammen gefallen iſt; und
von der halb weggeſpienen Lunge keichet.
Er beklagt ſich, ſchreibſt du, daß wir alle von
ihm laufen. Jn Wahrheit, Belford, es iſt kein
Ver-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/436>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.