Nach diesem Geständnisse wird es unfreundlich, und vielleicht, itzo, zur ungelegenen Zeit scheinen, wenn ich Jhnen sage, wie sehr ich bedaure, daß Sie mich nicht eher mit einer Zeile beehret ha- ben. - - Jedoch, wenn Sie ihr Stillschweigen gegen sich selbst rechtfertigen können: so muß ich, das darf ich frey gestehen, billig zufrieden seyn. Denn ich bin versichert, daß Sie mich lieben: gleichwie ich Sie liebe und ehre, auch beständig lieben und ehren werde, und das noch desto mehr um Jhres Unglücks willen.
Einen Trost, deucht mich, habe ich, selbst wenn mich Jhr Elend kränket: und das ist die- ser. Jch kenne keine junge Person, die so voll- kommen alle Eigenschaften hätte, mit desto helle- rem Glanze in Jhrer wahren Größe zu erschei- nen, je mehr sie Versuchungen auszustehen hat. Gleichwohl aber ist dieß ein Trost, der zuletzt auf eine Vergrößerung meiner Traurigkeit über Jhre bedrängte Umstände hinausläuft: weil Sie mit einem Gemüthe begabet sind, das so wohl ge- schickt ist, glückliche Tage zu er tragen und alle und jede um Sie herum nur desto mehr zu bessern. - - Wehe ihm! - - O der nichtswürdige, nichts- würdige Mensch! - - Allein ich will mich ent- halten, bis ich mehr erfahren habe.
Jndem
nicht, wie sorgfältig Sie sich bemühet hatte, sich einen andern, als seinen Schutz, zu verschaffen; als Sie besorgte, Sie würde kein Mittel finden, die Vermählung mit Herrn Solmes zu vermei- den, wofern Sie da bliebe.
Nach dieſem Geſtaͤndniſſe wird es unfreundlich, und vielleicht, itzo, zur ungelegenen Zeit ſcheinen, wenn ich Jhnen ſage, wie ſehr ich bedaure, daß Sie mich nicht eher mit einer Zeile beehret ha- ben. ‒ ‒ Jedoch, wenn Sie ihr Stillſchweigen gegen ſich ſelbſt rechtfertigen koͤnnen: ſo muß ich, das darf ich frey geſtehen, billig zufrieden ſeyn. Denn ich bin verſichert, daß Sie mich lieben: gleichwie ich Sie liebe und ehre, auch beſtaͤndig lieben und ehren werde, und das noch deſto mehr um Jhres Ungluͤcks willen.
Einen Troſt, deucht mich, habe ich, ſelbſt wenn mich Jhr Elend kraͤnket: und das iſt die- ſer. Jch kenne keine junge Perſon, die ſo voll- kommen alle Eigenſchaften haͤtte, mit deſto helle- rem Glanze in Jhrer wahren Groͤße zu erſchei- nen, je mehr ſie Verſuchungen auszuſtehen hat. Gleichwohl aber iſt dieß ein Troſt, der zuletzt auf eine Vergroͤßerung meiner Traurigkeit uͤber Jhre bedraͤngte Umſtaͤnde hinauslaͤuft: weil Sie mit einem Gemuͤthe begabet ſind, das ſo wohl ge- ſchickt iſt, gluͤckliche Tage zu er tragen und alle und jede um Sie herum nur deſto mehr zu beſſern. ‒ ‒ Wehe ihm! ‒ ‒ O der nichtswuͤrdige, nichts- wuͤrdige Menſch! ‒ ‒ Allein ich will mich ent- halten, bis ich mehr erfahren habe.
Jndem
nicht, wie ſorgfaͤltig Sie ſich bemuͤhet hatte, ſich einen andern, als ſeinen Schutz, zu verſchaffen; als Sie beſorgte, Sie wuͤrde kein Mittel finden, die Vermaͤhlung mit Herrn Solmes zu vermei- den, wofern Sie da bliebe.
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Nach dieſem Geſtaͤndniſſe wird es unfreundlich,
und vielleicht, itzo, zur ungelegenen Zeit ſcheinen,
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Sie mich nicht eher mit einer Zeile beehret ha-
ben. ‒ ‒ Jedoch, wenn Sie ihr Stillſchweigen
gegen ſich ſelbſt rechtfertigen koͤnnen: ſo muß ich,
das darf ich frey geſtehen, billig zufrieden ſeyn.
Denn ich bin verſichert, daß Sie mich lieben:
gleichwie ich Sie liebe und ehre, auch beſtaͤndig
lieben und ehren werde, und das noch deſto mehr
um Jhres Ungluͤcks willen.
Einen Troſt, deucht mich, habe ich, ſelbſt
wenn mich Jhr Elend kraͤnket: und das iſt die-
ſer. Jch kenne keine junge Perſon, die ſo voll-
kommen alle Eigenſchaften haͤtte, mit deſto helle-
rem Glanze in Jhrer wahren Groͤße zu erſchei-
nen, je mehr ſie Verſuchungen auszuſtehen hat.
Gleichwohl aber iſt dieß ein Troſt, der zuletzt auf
eine Vergroͤßerung meiner Traurigkeit uͤber Jhre
bedraͤngte Umſtaͤnde hinauslaͤuft: weil Sie mit
einem Gemuͤthe begabet ſind, das ſo wohl ge-
ſchickt iſt, gluͤckliche Tage zu er tragen und alle und
jede um Sie herum nur deſto mehr zu beſſern. ‒ ‒
Wehe ihm! ‒ ‒ O der nichtswuͤrdige, nichts-
wuͤrdige Menſch! ‒ ‒ Allein ich will mich ent-
halten, bis ich mehr erfahren habe.
Jndem
(*)
(*) nicht, wie ſorgfaͤltig Sie ſich bemuͤhet hatte, ſich
einen andern, als ſeinen Schutz, zu verſchaffen;
als Sie beſorgte, Sie wuͤrde kein Mittel finden,
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den, wofern Sie da bliebe.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/44>, abgerufen am 21.11.2024.
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