Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



Brief, den ich geschrieben habe, bringen wird
- - Bis dahin - -

Mein Leben und mein Vermögen, fiel ich ihr
in die Rede, sind ganz zu ihren Diensten. Er-
lauben sie mir, zu berühren, daß sie hier ohne ei-
nen Freund sind, den die Natur dazu gemacht
hätte; und gewissermaßen; so viel weiß ich von
ihrem unglücklichen Schicksal; der Mittel be-
raubt seyn müssen, sich Freunde zu machen - -

Sie wollte mich unterbrechen, mit einem ge-
wissen ernstlichen Bezeigen, das ein Verbot zu
erkennen gab - -

Jch bitte sie um Erlaubniß, gnädige Fräu-
lein, weiter zu reden. Jch habe schon vorher
wohl zwanzig Wege gesucht, Erwähnung davon
zu thun: aber mich es niemals bis itzo unterstan-
den. Erlauben sie mir nun, da ich das Eis ge-
brochen habe, mich selbst ihnen anzubieten - -
nur als ihren Wechsler - - Jch weiß, sie wol-
len sich keine Verbindlichkeit zuziehen: sie brau-
chen
es auch nicht. Sie haben selbst Vermö-
gen genug, wenn es nur in ihren Händen wäre:
und von demselben, sie mögen leben oder ster-
ben, will ich mir gefallen lassen, meinen Vor-
schuß wieder zu nehmen. Jch versichere sie,
daß der unglückliche Mensch niemals mein Er-
bieten,
oder ihre geneigte Aufnahme erfahren
soll - - Erlauben sie mir nur diesen gerin-
gen - -

Und hiemit ließ ich hinter ihrem Stuhl einen
Bankzettel auf hundert Pfund Sterl. fallen, den

ich



Brief, den ich geſchrieben habe, bringen wird
‒ ‒ Bis dahin ‒ ‒

Mein Leben und mein Vermoͤgen, fiel ich ihr
in die Rede, ſind ganz zu ihren Dienſten. Er-
lauben ſie mir, zu beruͤhren, daß ſie hier ohne ei-
nen Freund ſind, den die Natur dazu gemacht
haͤtte; und gewiſſermaßen; ſo viel weiß ich von
ihrem ungluͤcklichen Schickſal; der Mittel be-
raubt ſeyn muͤſſen, ſich Freunde zu machen ‒ ‒

Sie wollte mich unterbrechen, mit einem ge-
wiſſen ernſtlichen Bezeigen, das ein Verbot zu
erkennen gab ‒ ‒

Jch bitte ſie um Erlaubniß, gnaͤdige Fraͤu-
lein, weiter zu reden. Jch habe ſchon vorher
wohl zwanzig Wege geſucht, Erwaͤhnung davon
zu thun: aber mich es niemals bis itzo unterſtan-
den. Erlauben ſie mir nun, da ich das Eis ge-
brochen habe, mich ſelbſt ihnen anzubieten ‒ ‒
nur als ihren Wechsler ‒ ‒ Jch weiß, ſie wol-
len ſich keine Verbindlichkeit zuziehen: ſie brau-
chen
es auch nicht. Sie haben ſelbſt Vermoͤ-
gen genug, wenn es nur in ihren Haͤnden waͤre:
und von demſelben, ſie moͤgen leben oder ſter-
ben, will ich mir gefallen laſſen, meinen Vor-
ſchuß wieder zu nehmen. Jch verſichere ſie,
daß der ungluͤckliche Menſch niemals mein Er-
bieten,
oder ihre geneigte Aufnahme erfahren
ſoll ‒ ‒ Erlauben ſie mir nur dieſen gerin-
gen ‒ ‒

Und hiemit ließ ich hinter ihrem Stuhl einen
Bankzettel auf hundert Pfund Sterl. fallen, den

ich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0446" n="440"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Brief, den ich ge&#x017F;chrieben habe, bringen wird<lb/>
&#x2012; &#x2012; Bis dahin &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <p>Mein Leben und mein Vermo&#x0364;gen, fiel ich ihr<lb/>
in die Rede, &#x017F;ind ganz zu ihren Dien&#x017F;ten. Er-<lb/>
lauben &#x017F;ie mir, zu beru&#x0364;hren, daß &#x017F;ie hier ohne ei-<lb/>
nen Freund &#x017F;ind, den die Natur dazu gemacht<lb/>
ha&#x0364;tte; und gewi&#x017F;&#x017F;ermaßen; &#x017F;o viel weiß ich von<lb/>
ihrem unglu&#x0364;cklichen Schick&#x017F;al; der Mittel be-<lb/>
raubt &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ich <hi rendition="#fr">Freunde</hi> zu machen &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <p>Sie wollte mich unterbrechen, mit einem ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en ern&#x017F;tlichen Bezeigen, das ein Verbot zu<lb/>
erkennen gab &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <p>Jch bitte &#x017F;ie um Erlaubniß, gna&#x0364;dige Fra&#x0364;u-<lb/>
lein, weiter zu reden. Jch habe &#x017F;chon vorher<lb/>
wohl zwanzig Wege ge&#x017F;ucht, Erwa&#x0364;hnung davon<lb/>
zu thun: aber mich es niemals bis itzo unter&#x017F;tan-<lb/>
den. Erlauben &#x017F;ie mir nun, da ich das Eis ge-<lb/>
brochen habe, mich &#x017F;elb&#x017F;t ihnen anzubieten &#x2012; &#x2012;<lb/>
nur als ihren <hi rendition="#fr">Wechsler</hi> &#x2012; &#x2012; Jch weiß, &#x017F;ie wol-<lb/>
len &#x017F;ich keine Verbindlichkeit zuziehen: &#x017F;ie <hi rendition="#fr">brau-<lb/>
chen</hi> es auch nicht. Sie haben &#x017F;elb&#x017F;t Vermo&#x0364;-<lb/>
gen genug, wenn es nur in ihren Ha&#x0364;nden wa&#x0364;re:<lb/>
und von <hi rendition="#fr">dem&#x017F;elben,</hi> &#x017F;ie mo&#x0364;gen leben oder &#x017F;ter-<lb/>
ben, will ich mir gefallen la&#x017F;&#x017F;en, meinen Vor-<lb/>
&#x017F;chuß wieder zu nehmen. Jch ver&#x017F;ichere &#x017F;ie,<lb/>
daß der unglu&#x0364;ckliche Men&#x017F;ch niemals mein <hi rendition="#fr">Er-<lb/>
bieten,</hi> oder <hi rendition="#fr">ihre</hi> geneigte Aufnahme erfahren<lb/>
&#x017F;oll &#x2012; &#x2012; Erlauben &#x017F;ie mir nur die&#x017F;en gerin-<lb/>
gen &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <p>Und hiemit ließ ich hinter ihrem Stuhl einen<lb/>
Bankzettel auf hundert Pfund Sterl. fallen, den<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ich</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[440/0446] Brief, den ich geſchrieben habe, bringen wird ‒ ‒ Bis dahin ‒ ‒ Mein Leben und mein Vermoͤgen, fiel ich ihr in die Rede, ſind ganz zu ihren Dienſten. Er- lauben ſie mir, zu beruͤhren, daß ſie hier ohne ei- nen Freund ſind, den die Natur dazu gemacht haͤtte; und gewiſſermaßen; ſo viel weiß ich von ihrem ungluͤcklichen Schickſal; der Mittel be- raubt ſeyn muͤſſen, ſich Freunde zu machen ‒ ‒ Sie wollte mich unterbrechen, mit einem ge- wiſſen ernſtlichen Bezeigen, das ein Verbot zu erkennen gab ‒ ‒ Jch bitte ſie um Erlaubniß, gnaͤdige Fraͤu- lein, weiter zu reden. Jch habe ſchon vorher wohl zwanzig Wege geſucht, Erwaͤhnung davon zu thun: aber mich es niemals bis itzo unterſtan- den. Erlauben ſie mir nun, da ich das Eis ge- brochen habe, mich ſelbſt ihnen anzubieten ‒ ‒ nur als ihren Wechsler ‒ ‒ Jch weiß, ſie wol- len ſich keine Verbindlichkeit zuziehen: ſie brau- chen es auch nicht. Sie haben ſelbſt Vermoͤ- gen genug, wenn es nur in ihren Haͤnden waͤre: und von demſelben, ſie moͤgen leben oder ſter- ben, will ich mir gefallen laſſen, meinen Vor- ſchuß wieder zu nehmen. Jch verſichere ſie, daß der ungluͤckliche Menſch niemals mein Er- bieten, oder ihre geneigte Aufnahme erfahren ſoll ‒ ‒ Erlauben ſie mir nur dieſen gerin- gen ‒ ‒ Und hiemit ließ ich hinter ihrem Stuhl einen Bankzettel auf hundert Pfund Sterl. fallen, den ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/446
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/446>, abgerufen am 24.11.2024.