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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

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ein so großes Vergnügen an dem Lächerlichen
findet, daß er sich selbst nicht verschonen will: so
muß er ein gewaltig einfältiger Pinsel seyn, daß
er sich so viele Mühe giebt, seine garstige Gestalt
noch merklicher zu machen, als sie sonst seyn
würde.

Ungekünstelte Kleidung, an einer Mannsper-
son oder einem Frauenzimmer von mäßiger Ge-
stalt, zeiget wenigstens Bescheidenheit an, und
macht die Tadler allezeit zu gelinder Beurthei-
lung geneigt. Wer wird eine persönliche Unvoll-
kommenheit an einem lächerlich machen, der sich
bewußt zu seyn scheinet, daß es eine Unvollkom-
menheit ist? Wer hat jemals gesagt, daß ein
Einsiedler arm wäre?
Aber wer wollte an
denen, die auf ihre Häßlichkeit stolz zu seyn, oder
ihr einen gezwungenen Putz, in Hoffnung sich
davon loszumachen, anzulegen scheinen, der so un-
gereimten Thorheit schonen?

Allein ob ich gleich dieß muntere Wesen an-
nehme: so bin ich doch in dem Jnnersten meiner
Seele durch ein schmerzliches Gefühl gerühret
- - Mein ganzes Herze hängt meiner Geliebten
nach! Mit was für Gleichgültigkeit werde ich
die ganze Gesellschaft bey dem Obristen ansehen,
da meine Augen des Gemüths auf meine Schö-
ne gerichtet sind, und diese mein ganzes
Herz einnimmt?

Der



ein ſo großes Vergnuͤgen an dem Laͤcherlichen
findet, daß er ſich ſelbſt nicht verſchonen will: ſo
muß er ein gewaltig einfaͤltiger Pinſel ſeyn, daß
er ſich ſo viele Muͤhe giebt, ſeine garſtige Geſtalt
noch merklicher zu machen, als ſie ſonſt ſeyn
wuͤrde.

Ungekuͤnſtelte Kleidung, an einer Mannsper-
ſon oder einem Frauenzimmer von maͤßiger Ge-
ſtalt, zeiget wenigſtens Beſcheidenheit an, und
macht die Tadler allezeit zu gelinder Beurthei-
lung geneigt. Wer wird eine perſoͤnliche Unvoll-
kommenheit an einem laͤcherlich machen, der ſich
bewußt zu ſeyn ſcheinet, daß es eine Unvollkom-
menheit iſt? Wer hat jemals geſagt, daß ein
Einſiedler arm waͤre?
Aber wer wollte an
denen, die auf ihre Haͤßlichkeit ſtolz zu ſeyn, oder
ihr einen gezwungenen Putz, in Hoffnung ſich
davon loszumachen, anzulegen ſcheinen, der ſo un-
gereimten Thorheit ſchonen?

Allein ob ich gleich dieß muntere Weſen an-
nehme: ſo bin ich doch in dem Jnnerſten meiner
Seele durch ein ſchmerzliches Gefuͤhl geruͤhret
‒ ‒ Mein ganzes Herze haͤngt meiner Geliebten
nach! Mit was fuͤr Gleichguͤltigkeit werde ich
die ganze Geſellſchaft bey dem Obriſten anſehen,
da meine Augen des Gemuͤths auf meine Schoͤ-
ne gerichtet ſind, und dieſe mein ganzes
Herz einnimmt?

Der
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[462/0468] ein ſo großes Vergnuͤgen an dem Laͤcherlichen findet, daß er ſich ſelbſt nicht verſchonen will: ſo muß er ein gewaltig einfaͤltiger Pinſel ſeyn, daß er ſich ſo viele Muͤhe giebt, ſeine garſtige Geſtalt noch merklicher zu machen, als ſie ſonſt ſeyn wuͤrde. Ungekuͤnſtelte Kleidung, an einer Mannsper- ſon oder einem Frauenzimmer von maͤßiger Ge- ſtalt, zeiget wenigſtens Beſcheidenheit an, und macht die Tadler allezeit zu gelinder Beurthei- lung geneigt. Wer wird eine perſoͤnliche Unvoll- kommenheit an einem laͤcherlich machen, der ſich bewußt zu ſeyn ſcheinet, daß es eine Unvollkom- menheit iſt? Wer hat jemals geſagt, daß ein Einſiedler arm waͤre? Aber wer wollte an denen, die auf ihre Haͤßlichkeit ſtolz zu ſeyn, oder ihr einen gezwungenen Putz, in Hoffnung ſich davon loszumachen, anzulegen ſcheinen, der ſo un- gereimten Thorheit ſchonen? Allein ob ich gleich dieß muntere Weſen an- nehme: ſo bin ich doch in dem Jnnerſten meiner Seele durch ein ſchmerzliches Gefuͤhl geruͤhret ‒ ‒ Mein ganzes Herze haͤngt meiner Geliebten nach! Mit was fuͤr Gleichguͤltigkeit werde ich die ganze Geſellſchaft bey dem Obriſten anſehen, da meine Augen des Gemuͤths auf meine Schoͤ- ne gerichtet ſind, und dieſe mein ganzes Herz einnimmt? Der

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 462. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/468>, abgerufen am 22.11.2024.