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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

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daß diese es für gut befunden hätten, andere
Maaßregeln mit mir zu nehmen: allein wer soll
ihr Richter seyn? - - Der Ausgang hat sie ge-
rechtfertiget, und mich verdammet. Sie erwar-
teten nichts gutes von diesem schändlichen Kerl.
Er hat sie also nicht betrogen. Aber von mir
erwarteten sie etwas anderes: und sind betrogen
worden. Sie haben um so viel mehr Ursache,
gegen mich eingenommen zu seyn; wo sie nicht
willens gewesen sind, wie meine Tante Hervey
ehemals an mich schrieb (*), meine Neigung ge-
gen Herrn Solmes zu erzwingen; und wo sie
glauben, daß ich nach einem freywilligen Ent-
schlusse und mit Vorbedacht, von ihnen gelaufen
sey.

Jch verlange gar nicht, wiederum zu der vo-
rigen Gunst bey ihnen aufgenommen zu werden.
Denn warum sollte ich sitzen, und etwas wün-
schen, das ich keine Ursache habe zu erwarten?
- - Ueber dieß würde ich ihnen nicht ins Gesicht
sehen können: wenn sie mich auch aufnehmen
wollten. Jn der That, ich würde es nicht kön-
nen. Alles, was ich zu hoffen habe, ist, daß
mein Vater erst mich von seinem schweren Fluch
lossprechen, und hiernächst mir den letzten Segen
ertheilen wolle. Diese Gunstbezeigungen sind
zur Beruhigung meines Gemüths unumgänglich
nöthig.

Jch habe an meine Schwester geschrieben:
aber nur der Lossprechung von dem Fluche gedacht.

Mir
(*) Man sehe den L. Brief des III Theils S. 383 u. f.



daß dieſe es fuͤr gut befunden haͤtten, andere
Maaßregeln mit mir zu nehmen: allein wer ſoll
ihr Richter ſeyn? ‒ ‒ Der Ausgang hat ſie ge-
rechtfertiget, und mich verdammet. Sie erwar-
teten nichts gutes von dieſem ſchaͤndlichen Kerl.
Er hat ſie alſo nicht betrogen. Aber von mir
erwarteten ſie etwas anderes: und ſind betrogen
worden. Sie haben um ſo viel mehr Urſache,
gegen mich eingenommen zu ſeyn; wo ſie nicht
willens geweſen ſind, wie meine Tante Hervey
ehemals an mich ſchrieb (*), meine Neigung ge-
gen Herrn Solmes zu erzwingen; und wo ſie
glauben, daß ich nach einem freywilligen Ent-
ſchluſſe und mit Vorbedacht, von ihnen gelaufen
ſey.

Jch verlange gar nicht, wiederum zu der vo-
rigen Gunſt bey ihnen aufgenommen zu werden.
Denn warum ſollte ich ſitzen, und etwas wuͤn-
ſchen, das ich keine Urſache habe zu erwarten?
‒ ‒ Ueber dieß wuͤrde ich ihnen nicht ins Geſicht
ſehen koͤnnen: wenn ſie mich auch aufnehmen
wollten. Jn der That, ich wuͤrde es nicht koͤn-
nen. Alles, was ich zu hoffen habe, iſt, daß
mein Vater erſt mich von ſeinem ſchweren Fluch
losſprechen, und hiernaͤchſt mir den letzten Segen
ertheilen wolle. Dieſe Gunſtbezeigungen ſind
zur Beruhigung meines Gemuͤths unumgaͤnglich
noͤthig.

Jch habe an meine Schweſter geſchrieben:
aber nur der Losſprechung von dem Fluche gedacht.

Mir
(*) Man ſehe den L. Brief des III Theils S. 383 u. f.
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[496/0502] daß dieſe es fuͤr gut befunden haͤtten, andere Maaßregeln mit mir zu nehmen: allein wer ſoll ihr Richter ſeyn? ‒ ‒ Der Ausgang hat ſie ge- rechtfertiget, und mich verdammet. Sie erwar- teten nichts gutes von dieſem ſchaͤndlichen Kerl. Er hat ſie alſo nicht betrogen. Aber von mir erwarteten ſie etwas anderes: und ſind betrogen worden. Sie haben um ſo viel mehr Urſache, gegen mich eingenommen zu ſeyn; wo ſie nicht willens geweſen ſind, wie meine Tante Hervey ehemals an mich ſchrieb (*), meine Neigung ge- gen Herrn Solmes zu erzwingen; und wo ſie glauben, daß ich nach einem freywilligen Ent- ſchluſſe und mit Vorbedacht, von ihnen gelaufen ſey. Jch verlange gar nicht, wiederum zu der vo- rigen Gunſt bey ihnen aufgenommen zu werden. Denn warum ſollte ich ſitzen, und etwas wuͤn- ſchen, das ich keine Urſache habe zu erwarten? ‒ ‒ Ueber dieß wuͤrde ich ihnen nicht ins Geſicht ſehen koͤnnen: wenn ſie mich auch aufnehmen wollten. Jn der That, ich wuͤrde es nicht koͤn- nen. Alles, was ich zu hoffen habe, iſt, daß mein Vater erſt mich von ſeinem ſchweren Fluch losſprechen, und hiernaͤchſt mir den letzten Segen ertheilen wolle. Dieſe Gunſtbezeigungen ſind zur Beruhigung meines Gemuͤths unumgaͤnglich noͤthig. Jch habe an meine Schweſter geſchrieben: aber nur der Losſprechung von dem Fluche gedacht. Mir (*) Man ſehe den L. Brief des III Theils S. 383 u. f.

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 496. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/502>, abgerufen am 22.11.2024.