Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



dem Päckchen in der Hand, alle Gründe vor,
die ich zu eurem Besten erdenken konnte.

Sie hörte mich völlig an, mit mehrerer Auf-
merksamkeit, als ich mir selbst, in Betrachtung
ihres festen Entschlusses, hätte versprechen kön-
nen.

Jch wollte sie nicht unterbrechen, Herr Bel-
ford, versetzte sie: ob mir gleich der Jnhalt ihres
Vortrages im geringsten nicht gefällt. Die Be-
wegungsgründe zu denen Vorstellungen, welche
sie zu seinem Vortheil thun, sind edelmüthig.
Jch sehe gern Beyspiele edelmüthiger Freund-
schaft sowohl in dem einen, als dem andern Ge-
schlechte. Allein ich habe meine Gesinnung bey
der Sache vollkommen an Fräulein Howe ge-
schrieben: und diese wird sie den Fräuleins von
seiner Familie eröffnen. Sagen sie also nicht
mehr, ich bitte sie, von einem Gegenstande, der
zu unangenehmen Vorwürfen leiten kann.

Jhr Apotheker kam herein. Er rieth ihr,
sich der Luft zu bedienen, und tadelte ihren so
großen Eifer zu schreiben, als man ihm gesagt
hätte. Er gab, nicht nur als seine eigne, sondern
auch als des Arztes Meynung, an, daß sie bald
wieder genefen würde, wenn sie nur zu genesen
verlangte, und die Mittel gebrauchen wollte.

Vielleicht mag die Fräulein, in der That,
wohl nach ihrer Gesundheit zu viel schreiben.
Jedoch habe ich bey verschiedenen Gelegenheiten
bemerkt, daß die Aerzte, wenn sie schon verlegen
sind, und nicht wissen, was sie vorschreiben sollen,

ihren



dem Paͤckchen in der Hand, alle Gruͤnde vor,
die ich zu eurem Beſten erdenken konnte.

Sie hoͤrte mich voͤllig an, mit mehrerer Auf-
merkſamkeit, als ich mir ſelbſt, in Betrachtung
ihres feſten Entſchluſſes, haͤtte verſprechen koͤn-
nen.

Jch wollte ſie nicht unterbrechen, Herr Bel-
ford, verſetzte ſie: ob mir gleich der Jnhalt ihres
Vortrages im geringſten nicht gefaͤllt. Die Be-
wegungsgruͤnde zu denen Vorſtellungen, welche
ſie zu ſeinem Vortheil thun, ſind edelmuͤthig.
Jch ſehe gern Beyſpiele edelmuͤthiger Freund-
ſchaft ſowohl in dem einen, als dem andern Ge-
ſchlechte. Allein ich habe meine Geſinnung bey
der Sache vollkommen an Fraͤulein Howe ge-
ſchrieben: und dieſe wird ſie den Fraͤuleins von
ſeiner Familie eroͤffnen. Sagen ſie alſo nicht
mehr, ich bitte ſie, von einem Gegenſtande, der
zu unangenehmen Vorwuͤrfen leiten kann.

Jhr Apotheker kam herein. Er rieth ihr,
ſich der Luft zu bedienen, und tadelte ihren ſo
großen Eifer zu ſchreiben, als man ihm geſagt
haͤtte. Er gab, nicht nur als ſeine eigne, ſondern
auch als des Arztes Meynung, an, daß ſie bald
wieder genefen wuͤrde, wenn ſie nur zu geneſen
verlangte, und die Mittel gebrauchen wollte.

Vielleicht mag die Fraͤulein, in der That,
wohl nach ihrer Geſundheit zu viel ſchreiben.
Jedoch habe ich bey verſchiedenen Gelegenheiten
bemerkt, daß die Aerzte, wenn ſie ſchon verlegen
ſind, und nicht wiſſen, was ſie vorſchreiben ſollen,

ihren
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0530" n="524"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
dem Pa&#x0364;ckchen in der Hand, alle Gru&#x0364;nde vor,<lb/>
die ich zu eurem Be&#x017F;ten erdenken konnte.</p><lb/>
          <p>Sie ho&#x0364;rte mich vo&#x0364;llig an, mit mehrerer Auf-<lb/>
merk&#x017F;amkeit, als ich mir &#x017F;elb&#x017F;t, in Betrachtung<lb/>
ihres fe&#x017F;ten Ent&#x017F;chlu&#x017F;&#x017F;es, ha&#x0364;tte ver&#x017F;prechen ko&#x0364;n-<lb/>
nen.</p><lb/>
          <p>Jch wollte &#x017F;ie nicht unterbrechen, Herr Bel-<lb/>
ford, ver&#x017F;etzte &#x017F;ie: ob mir gleich der Jnhalt ihres<lb/>
Vortrages im gering&#x017F;ten nicht gefa&#x0364;llt. Die Be-<lb/>
wegungsgru&#x0364;nde zu denen Vor&#x017F;tellungen, welche<lb/>
&#x017F;ie zu &#x017F;einem Vortheil thun, &#x017F;ind edelmu&#x0364;thig.<lb/>
Jch &#x017F;ehe gern Bey&#x017F;piele edelmu&#x0364;thiger Freund-<lb/>
&#x017F;chaft &#x017F;owohl in dem einen, als dem andern Ge-<lb/>
&#x017F;chlechte. Allein ich habe meine Ge&#x017F;innung bey<lb/>
der Sache vollkommen an Fra&#x0364;ulein Howe ge-<lb/>
&#x017F;chrieben: und die&#x017F;e wird &#x017F;ie den Fra&#x0364;uleins von<lb/>
&#x017F;einer Familie ero&#x0364;ffnen. Sagen &#x017F;ie al&#x017F;o nicht<lb/>
mehr, ich bitte &#x017F;ie, von einem Gegen&#x017F;tande, der<lb/>
zu unangenehmen Vorwu&#x0364;rfen leiten kann.</p><lb/>
          <p>Jhr Apotheker kam herein. Er rieth ihr,<lb/>
&#x017F;ich der Luft zu bedienen, und tadelte ihren &#x017F;o<lb/>
großen Eifer zu &#x017F;chreiben, als man ihm ge&#x017F;agt<lb/>
ha&#x0364;tte. Er gab, nicht nur als &#x017F;eine eigne, &#x017F;ondern<lb/>
auch als des Arztes Meynung, an, daß &#x017F;ie bald<lb/>
wieder genefen wu&#x0364;rde, wenn &#x017F;ie nur zu gene&#x017F;en<lb/>
verlangte, und die Mittel gebrauchen wollte.</p><lb/>
          <p>Vielleicht mag die Fra&#x0364;ulein, in der That,<lb/>
wohl nach ihrer Ge&#x017F;undheit zu viel &#x017F;chreiben.<lb/>
Jedoch habe ich bey ver&#x017F;chiedenen Gelegenheiten<lb/>
bemerkt, daß die Aerzte, wenn &#x017F;ie &#x017F;chon verlegen<lb/>
&#x017F;ind, und nicht wi&#x017F;&#x017F;en, was &#x017F;ie vor&#x017F;chreiben &#x017F;ollen,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ihren</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[524/0530] dem Paͤckchen in der Hand, alle Gruͤnde vor, die ich zu eurem Beſten erdenken konnte. Sie hoͤrte mich voͤllig an, mit mehrerer Auf- merkſamkeit, als ich mir ſelbſt, in Betrachtung ihres feſten Entſchluſſes, haͤtte verſprechen koͤn- nen. Jch wollte ſie nicht unterbrechen, Herr Bel- ford, verſetzte ſie: ob mir gleich der Jnhalt ihres Vortrages im geringſten nicht gefaͤllt. Die Be- wegungsgruͤnde zu denen Vorſtellungen, welche ſie zu ſeinem Vortheil thun, ſind edelmuͤthig. Jch ſehe gern Beyſpiele edelmuͤthiger Freund- ſchaft ſowohl in dem einen, als dem andern Ge- ſchlechte. Allein ich habe meine Geſinnung bey der Sache vollkommen an Fraͤulein Howe ge- ſchrieben: und dieſe wird ſie den Fraͤuleins von ſeiner Familie eroͤffnen. Sagen ſie alſo nicht mehr, ich bitte ſie, von einem Gegenſtande, der zu unangenehmen Vorwuͤrfen leiten kann. Jhr Apotheker kam herein. Er rieth ihr, ſich der Luft zu bedienen, und tadelte ihren ſo großen Eifer zu ſchreiben, als man ihm geſagt haͤtte. Er gab, nicht nur als ſeine eigne, ſondern auch als des Arztes Meynung, an, daß ſie bald wieder genefen wuͤrde, wenn ſie nur zu geneſen verlangte, und die Mittel gebrauchen wollte. Vielleicht mag die Fraͤulein, in der That, wohl nach ihrer Geſundheit zu viel ſchreiben. Jedoch habe ich bey verſchiedenen Gelegenheiten bemerkt, daß die Aerzte, wenn ſie ſchon verlegen ſind, und nicht wiſſen, was ſie vorſchreiben ſollen, ihren

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/530
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 524. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/530>, abgerufen am 17.09.2024.