worden, daß ich an ihren geringen Glücksum- ständen Theil hätte, und von dem Vergnügen, worinn sie so glücklich sind, eine Erbinn wäre! Alsdenn hätte ich mit einem recht sanften Ge- müthe zu thun gehabt: und dieß würde mein folgsames Herze, zu dem sich Zwang und unedel- müthige Begegnung so übel schicket, wohl gelei- tet haben. Denn würde nichts von dem gesche- hen seyn, was geschehen ist.
Jedoch ich muß mich billig in Acht nehmen, daß ich die Lücke, welche ich schon ohne das durch meine Unbesonnenheit in meiner Pflicht gemacht habe, durch Ungedult nicht vergrößern. Hätte ich nicht gefehlet: so hätte meine Mutter we- nigstens nicht für unerweichlich und unversöhn- lich gehalten werden können. - - Habe ich denn nicht selbst, nicht nur meine eigne Fehler, sondern auch die Folgen derselben zu verantworten, wel- che einer mütterlichen Gemüthsart, woran vor- her niemals etwas auszusetzen gewesen ist, zur Verkleinerung und Unehre gereichen?
Jnzwischen ist es eine Gütigkeit von Jhnen, daß Sie das Vergehen einer Person, der dassel- be so höchstempfindlich ist, geringer zu machen suchen - - Könnte es gänzlich ausgelöschet wer- den: so würde mich das der vielen Mühe, die Sie sich bey meiner Erziehung gegeben haben, wür- diger machen. Denn es muß ihren Kummer so, wie meine Schaam und Verwirrung, noth- wendig vermehren, daß ich mich, nach einem so hoffnungsvollen Anfange, so aufgeführet habe,
daß
D 4
worden, daß ich an ihren geringen Gluͤcksum- ſtaͤnden Theil haͤtte, und von dem Vergnuͤgen, worinn ſie ſo gluͤcklich ſind, eine Erbinn waͤre! Alsdenn haͤtte ich mit einem recht ſanften Ge- muͤthe zu thun gehabt: und dieß wuͤrde mein folgſames Herze, zu dem ſich Zwang und unedel- muͤthige Begegnung ſo uͤbel ſchicket, wohl gelei- tet haben. Denn wuͤrde nichts von dem geſche- hen ſeyn, was geſchehen iſt.
Jedoch ich muß mich billig in Acht nehmen, daß ich die Luͤcke, welche ich ſchon ohne das durch meine Unbeſonnenheit in meiner Pflicht gemacht habe, durch Ungedult nicht vergroͤßern. Haͤtte ich nicht gefehlet: ſo haͤtte meine Mutter we- nigſtens nicht fuͤr unerweichlich und unverſoͤhn- lich gehalten werden koͤnnen. ‒ ‒ Habe ich denn nicht ſelbſt, nicht nur meine eigne Fehler, ſondern auch die Folgen derſelben zu verantworten, wel- che einer muͤtterlichen Gemuͤthsart, woran vor- her niemals etwas auszuſetzen geweſen iſt, zur Verkleinerung und Unehre gereichen?
Jnzwiſchen iſt es eine Guͤtigkeit von Jhnen, daß Sie das Vergehen einer Perſon, der daſſel- be ſo hoͤchſtempfindlich iſt, geringer zu machen ſuchen ‒ ‒ Koͤnnte es gaͤnzlich ausgeloͤſchet wer- den: ſo wuͤrde mich das der vielen Muͤhe, die Sie ſich bey meiner Erziehung gegeben haben, wuͤr- diger machen. Denn es muß ihren Kummer ſo, wie meine Schaam und Verwirrung, noth- wendig vermehren, daß ich mich, nach einem ſo hoffnungsvollen Anfange, ſo aufgefuͤhret habe,
daß
D 4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0061"n="55"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
worden, daß ich an ihren geringen Gluͤcksum-<lb/>ſtaͤnden Theil haͤtte, und von dem Vergnuͤgen,<lb/>
worinn ſie ſo gluͤcklich ſind, eine Erbinn waͤre!<lb/>
Alsdenn haͤtte ich mit einem <hirendition="#fr">recht</hi>ſanften Ge-<lb/>
muͤthe zu thun gehabt: und dieß wuͤrde mein<lb/>
folgſames Herze, zu dem ſich Zwang und unedel-<lb/>
muͤthige Begegnung ſo uͤbel ſchicket, wohl gelei-<lb/>
tet haben. Denn wuͤrde nichts von dem geſche-<lb/>
hen ſeyn, was geſchehen iſt.</p><lb/><p>Jedoch ich muß mich billig in Acht nehmen,<lb/>
daß ich die Luͤcke, welche ich ſchon ohne das durch<lb/>
meine Unbeſonnenheit in meiner Pflicht gemacht<lb/>
habe, durch Ungedult nicht vergroͤßern. Haͤtte<lb/>
ich nicht gefehlet: ſo haͤtte meine <hirendition="#fr">Mutter</hi> we-<lb/>
nigſtens nicht fuͤr unerweichlich und unverſoͤhn-<lb/>
lich gehalten werden koͤnnen. ‒‒ Habe ich denn<lb/>
nicht ſelbſt, nicht nur meine eigne Fehler, ſondern<lb/>
auch die Folgen derſelben zu verantworten, wel-<lb/>
che einer muͤtterlichen Gemuͤthsart, woran vor-<lb/>
her niemals etwas auszuſetzen geweſen iſt, zur<lb/>
Verkleinerung und Unehre gereichen?</p><lb/><p>Jnzwiſchen iſt es eine Guͤtigkeit von Jhnen,<lb/>
daß Sie das Vergehen einer Perſon, der daſſel-<lb/>
be ſo hoͤchſtempfindlich iſt, geringer zu machen<lb/>ſuchen ‒‒ Koͤnnte es gaͤnzlich ausgeloͤſchet wer-<lb/>
den: ſo wuͤrde mich das der vielen Muͤhe, die<lb/>
Sie ſich bey meiner Erziehung gegeben haben, wuͤr-<lb/>
diger machen. Denn es muß ihren Kummer<lb/>ſo, wie meine Schaam und Verwirrung, noth-<lb/>
wendig vermehren, daß ich mich, nach einem ſo<lb/>
hoffnungsvollen Anfange, ſo aufgefuͤhret habe,<lb/><fwplace="bottom"type="sig">D 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">daß</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[55/0061]
worden, daß ich an ihren geringen Gluͤcksum-
ſtaͤnden Theil haͤtte, und von dem Vergnuͤgen,
worinn ſie ſo gluͤcklich ſind, eine Erbinn waͤre!
Alsdenn haͤtte ich mit einem recht ſanften Ge-
muͤthe zu thun gehabt: und dieß wuͤrde mein
folgſames Herze, zu dem ſich Zwang und unedel-
muͤthige Begegnung ſo uͤbel ſchicket, wohl gelei-
tet haben. Denn wuͤrde nichts von dem geſche-
hen ſeyn, was geſchehen iſt.
Jedoch ich muß mich billig in Acht nehmen,
daß ich die Luͤcke, welche ich ſchon ohne das durch
meine Unbeſonnenheit in meiner Pflicht gemacht
habe, durch Ungedult nicht vergroͤßern. Haͤtte
ich nicht gefehlet: ſo haͤtte meine Mutter we-
nigſtens nicht fuͤr unerweichlich und unverſoͤhn-
lich gehalten werden koͤnnen. ‒ ‒ Habe ich denn
nicht ſelbſt, nicht nur meine eigne Fehler, ſondern
auch die Folgen derſelben zu verantworten, wel-
che einer muͤtterlichen Gemuͤthsart, woran vor-
her niemals etwas auszuſetzen geweſen iſt, zur
Verkleinerung und Unehre gereichen?
Jnzwiſchen iſt es eine Guͤtigkeit von Jhnen,
daß Sie das Vergehen einer Perſon, der daſſel-
be ſo hoͤchſtempfindlich iſt, geringer zu machen
ſuchen ‒ ‒ Koͤnnte es gaͤnzlich ausgeloͤſchet wer-
den: ſo wuͤrde mich das der vielen Muͤhe, die
Sie ſich bey meiner Erziehung gegeben haben, wuͤr-
diger machen. Denn es muß ihren Kummer
ſo, wie meine Schaam und Verwirrung, noth-
wendig vermehren, daß ich mich, nach einem ſo
hoffnungsvollen Anfange, ſo aufgefuͤhret habe,
daß
D 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/61>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.