Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



ihrer Lebensart zu erkundigen, und zu sehen, daß
sie nicht ganz verlassen sey. Denn nichts, was sie
selbst schreibet, wird geachtet werden.

Jhr Vater hat in der That, auf ihr instän-
diges Bitten, den Fluch aufgehoben, den er, bey
ihrer gottlosen Flucht von uns, anfangs im Zorn
auf sie legte. Aber Fräulein Howe; es ist etwas
betrübtes, Frau Norton, auf so viele Art zugleich
zu leiden! hatte durch ihre ungebührliche Frey-
heiten gegen uns alle, sowohl im Reden in allen
Gesellschaften, als durch Briefe an meine Ara-
belle, die Sachen so schwer gemacht, daß wir ihn
kaum bewegen konnten, ihren Brief lesen zu hören.

Diese Freyheiten der Fräulein Howe gegen
uns; das allgemeine Geschrey wider uns außer-
halb Hauses, wo nur von uns geredet wird; und
die sichtbare, ja nicht selten in die Ohren fal-
lende
Unehrerbietigkeit, womit Hohe und Niedere
uns begegnen, wenn wir zu und von der Kirche
gehen, auch selbst wenn wir in der Kirche sind;
denn sonst irgend wohin zu gehen haben wir nicht
das Herz; als wenn keiner von uns anders, als
um ihretwillen, geachtet, und sie unschuldig, wir
alle schuldig wären; alle diese Umstände, müssen
Sie nothwendig denken, vorschlimmern die Sache
beständig bey der ganzen Familie.

Sie hat mir gewiß meinen Zustand, der schon
vorher gar nicht leicht war, vollkommen schwer
gemacht! - - Jhnen die Wahrheit zu sagen;
mir ist ausdrücklich befohlen, ohne Erlaubniß
nicht das geringste von ihr, es sey durch welche

Hand



ihrer Lebensart zu erkundigen, und zu ſehen, daß
ſie nicht ganz verlaſſen ſey. Denn nichts, was ſie
ſelbſt ſchreibet, wird geachtet werden.

Jhr Vater hat in der That, auf ihr inſtaͤn-
diges Bitten, den Fluch aufgehoben, den er, bey
ihrer gottloſen Flucht von uns, anfangs im Zorn
auf ſie legte. Aber Fraͤulein Howe; es iſt etwas
betruͤbtes, Frau Norton, auf ſo viele Art zugleich
zu leiden! hatte durch ihre ungebuͤhrliche Frey-
heiten gegen uns alle, ſowohl im Reden in allen
Geſellſchaften, als durch Briefe an meine Ara-
belle, die Sachen ſo ſchwer gemacht, daß wir ihn
kaum bewegen konnten, ihren Brief leſen zu hoͤren.

Dieſe Freyheiten der Fraͤulein Howe gegen
uns; das allgemeine Geſchrey wider uns außer-
halb Hauſes, wo nur von uns geredet wird; und
die ſichtbare, ja nicht ſelten in die Ohren fal-
lende
Unehrerbietigkeit, womit Hohe und Niedere
uns begegnen, wenn wir zu und von der Kirche
gehen, auch ſelbſt wenn wir in der Kirche ſind;
denn ſonſt irgend wohin zu gehen haben wir nicht
das Herz; als wenn keiner von uns anders, als
um ihretwillen, geachtet, und ſie unſchuldig, wir
alle ſchuldig waͤren; alle dieſe Umſtaͤnde, muͤſſen
Sie nothwendig denken, vorſchlimmern die Sache
beſtaͤndig bey der ganzen Familie.

Sie hat mir gewiß meinen Zuſtand, der ſchon
vorher gar nicht leicht war, vollkommen ſchwer
gemacht! ‒ ‒ Jhnen die Wahrheit zu ſagen;
mir iſt ausdruͤcklich befohlen, ohne Erlaubniß
nicht das geringſte von ihr, es ſey durch welche

Hand
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0628" n="622"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
ihrer Lebensart zu erkundigen, und zu &#x017F;ehen, daß<lb/>
&#x017F;ie nicht ganz verla&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ey. Denn nichts, was &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;chreibet, wird geachtet werden.</p><lb/>
          <p>Jhr Vater hat in der That, auf ihr in&#x017F;ta&#x0364;n-<lb/>
diges Bitten, den Fluch aufgehoben, den er, bey<lb/>
ihrer gottlo&#x017F;en Flucht von uns, anfangs im Zorn<lb/>
auf &#x017F;ie legte. Aber Fra&#x0364;ulein Howe; es i&#x017F;t etwas<lb/>
betru&#x0364;btes, Frau Norton, auf &#x017F;o viele Art zugleich<lb/>
zu leiden! hatte durch ihre ungebu&#x0364;hrliche Frey-<lb/>
heiten gegen uns alle, &#x017F;owohl im Reden in allen<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaften, als durch Briefe an meine Ara-<lb/>
belle, die Sachen &#x017F;o &#x017F;chwer gemacht, daß wir ihn<lb/>
kaum bewegen konnten, ihren Brief le&#x017F;en zu ho&#x0364;ren.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;e Freyheiten der Fra&#x0364;ulein Howe gegen<lb/>
uns; das allgemeine Ge&#x017F;chrey wider uns außer-<lb/>
halb Hau&#x017F;es, wo nur von uns geredet wird; und<lb/>
die <hi rendition="#fr">&#x017F;ichtbare,</hi> ja nicht &#x017F;elten <hi rendition="#fr">in die Ohren fal-<lb/>
lende</hi> Unehrerbietigkeit, womit Hohe und Niedere<lb/>
uns begegnen, wenn wir zu und von der Kirche<lb/>
gehen, auch &#x017F;elb&#x017F;t wenn wir <hi rendition="#fr">in</hi> der Kirche &#x017F;ind;<lb/>
denn &#x017F;on&#x017F;t irgend wohin zu gehen haben wir nicht<lb/>
das Herz; als wenn keiner von uns anders, als<lb/>
um ihretwillen, geachtet, und &#x017F;ie un&#x017F;chuldig, wir<lb/>
alle &#x017F;chuldig wa&#x0364;ren; alle die&#x017F;e Um&#x017F;ta&#x0364;nde, mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Sie nothwendig denken, vor&#x017F;chlimmern die Sache<lb/>
be&#x017F;ta&#x0364;ndig bey der ganzen Familie.</p><lb/>
          <p>Sie hat mir gewiß meinen Zu&#x017F;tand, der &#x017F;chon<lb/>
vorher gar nicht leicht war, vollkommen &#x017F;chwer<lb/>
gemacht! &#x2012; &#x2012; Jhnen die Wahrheit zu &#x017F;agen;<lb/>
mir i&#x017F;t ausdru&#x0364;cklich befohlen, ohne Erlaubniß<lb/>
nicht das gering&#x017F;te von ihr, es &#x017F;ey durch welche<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Hand</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[622/0628] ihrer Lebensart zu erkundigen, und zu ſehen, daß ſie nicht ganz verlaſſen ſey. Denn nichts, was ſie ſelbſt ſchreibet, wird geachtet werden. Jhr Vater hat in der That, auf ihr inſtaͤn- diges Bitten, den Fluch aufgehoben, den er, bey ihrer gottloſen Flucht von uns, anfangs im Zorn auf ſie legte. Aber Fraͤulein Howe; es iſt etwas betruͤbtes, Frau Norton, auf ſo viele Art zugleich zu leiden! hatte durch ihre ungebuͤhrliche Frey- heiten gegen uns alle, ſowohl im Reden in allen Geſellſchaften, als durch Briefe an meine Ara- belle, die Sachen ſo ſchwer gemacht, daß wir ihn kaum bewegen konnten, ihren Brief leſen zu hoͤren. Dieſe Freyheiten der Fraͤulein Howe gegen uns; das allgemeine Geſchrey wider uns außer- halb Hauſes, wo nur von uns geredet wird; und die ſichtbare, ja nicht ſelten in die Ohren fal- lende Unehrerbietigkeit, womit Hohe und Niedere uns begegnen, wenn wir zu und von der Kirche gehen, auch ſelbſt wenn wir in der Kirche ſind; denn ſonſt irgend wohin zu gehen haben wir nicht das Herz; als wenn keiner von uns anders, als um ihretwillen, geachtet, und ſie unſchuldig, wir alle ſchuldig waͤren; alle dieſe Umſtaͤnde, muͤſſen Sie nothwendig denken, vorſchlimmern die Sache beſtaͤndig bey der ganzen Familie. Sie hat mir gewiß meinen Zuſtand, der ſchon vorher gar nicht leicht war, vollkommen ſchwer gemacht! ‒ ‒ Jhnen die Wahrheit zu ſagen; mir iſt ausdruͤcklich befohlen, ohne Erlaubniß nicht das geringſte von ihr, es ſey durch welche Hand

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/628
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 622. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/628>, abgerufen am 28.09.2024.