Hand es wolle, anzunehmen. Sollte ich also mei- nem mitleidigen Seufzen nach ihr so weit Genüge thun, daß ich in geheim den Brief, wovon Sie melden, annähme: was würde es anders seyn, als mich zu quälen, ohne daß ich im Stande wäre, ihr zu helfen? Und sollte man es erfahren - - Hr. Harlowe ist so zornig - - Sollte es sein Po- dagra in den Magen treiben, wie bey ihrer unbe- sonnenen Flucht geschahe - - Jn Wahrheit, in Wahrheit, ich bin sehr unglücklich daran! - - Denn, o meine liebe Fr. Norton, sie ist doch be- ständig noch mein Kind! - - Aber, wofern es nicht mehr in meiner Gewalt stünde - - Jedoch verlangt mich, ihren Brief zu sehen. - - Sie be- richten, daß er von ihrem gegenwärtigen Zustande und von ihren Umständen Nachricht gebe. - - Das arme Kind, welches Tausende im Besitz haben sollte! - - Und haben wird! - - Denn ihr Vater wird ein getreuer Haushälter für sie seyn - - Allein es muß auf ihm beliebige Art, und zu ihm beliebiger Zeit, erst geschehen.
Befindet sie sich wirklich übel? - - so sehr übel? - - Sie muß billig Kummer haben - - Sie hat gedoppelt so viel verursachet.
Aber glaubt sie wirklich, daß sie uns nicht lange beschwerlich seyn werde? - - O! Fr. Nor- ton, sie muß, sie wird uns lange beschwerlich seyn. - - Denn kann sie gedenken, daß ihr Tod, wenn wir ihrer beraubt seyn sollten, unserm Lei- den ein Ende machen werde? - - Kann man sich vorstellen, daß der Fall eines solchen Kindes nicht
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Hand es wolle, anzunehmen. Sollte ich alſo mei- nem mitleidigen Seufzen nach ihr ſo weit Genuͤge thun, daß ich in geheim den Brief, wovon Sie melden, annaͤhme: was wuͤrde es anders ſeyn, als mich zu quaͤlen, ohne daß ich im Stande waͤre, ihr zu helfen? Und ſollte man es erfahren ‒ ‒ Hr. Harlowe iſt ſo zornig ‒ ‒ Sollte es ſein Po- dagra in den Magen treiben, wie bey ihrer unbe- ſonnenen Flucht geſchahe ‒ ‒ Jn Wahrheit, in Wahrheit, ich bin ſehr ungluͤcklich daran! ‒ ‒ Denn, o meine liebe Fr. Norton, ſie iſt doch be- ſtaͤndig noch mein Kind! ‒ ‒ Aber, wofern es nicht mehr in meiner Gewalt ſtuͤnde ‒ ‒ Jedoch verlangt mich, ihren Brief zu ſehen. ‒ ‒ Sie be- richten, daß er von ihrem gegenwaͤrtigen Zuſtande und von ihren Umſtaͤnden Nachricht gebe. ‒ ‒ Das arme Kind, welches Tauſende im Beſitz haben ſollte! ‒ ‒ Und haben wird! ‒ ‒ Denn ihr Vater wird ein getreuer Haushaͤlter fuͤr ſie ſeyn ‒ ‒ Allein es muß auf ihm beliebige Art, und zu ihm beliebiger Zeit, erſt geſchehen.
Befindet ſie ſich wirklich uͤbel? ‒ ‒ ſo ſehr uͤbel? ‒ ‒ Sie muß billig Kummer haben ‒ ‒ Sie hat gedoppelt ſo viel verurſachet.
Aber glaubt ſie wirklich, daß ſie uns nicht lange beſchwerlich ſeyn werde? ‒ ‒ O! Fr. Nor- ton, ſie muß, ſie wird uns lange beſchwerlich ſeyn. ‒ ‒ Denn kann ſie gedenken, daß ihr Tod, wenn wir ihrer beraubt ſeyn ſollten, unſerm Lei- den ein Ende machen werde? ‒ ‒ Kann man ſich vorſtellen, daß der Fall eines ſolchen Kindes nicht
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Hand es wolle, anzunehmen. Sollte ich alſo mei-
nem mitleidigen Seufzen nach ihr ſo weit Genuͤge
thun, daß ich in geheim den Brief, wovon Sie
melden, annaͤhme: was wuͤrde es anders ſeyn,
als mich zu quaͤlen, ohne daß ich im Stande waͤre,
ihr zu helfen? Und ſollte man es erfahren ‒ ‒
Hr. Harlowe iſt ſo zornig ‒ ‒ Sollte es ſein Po-
dagra in den Magen treiben, wie bey ihrer unbe-
ſonnenen Flucht geſchahe ‒ ‒ Jn Wahrheit, in
Wahrheit, ich bin ſehr ungluͤcklich daran! ‒ ‒
Denn, o meine liebe Fr. Norton, ſie iſt doch be-
ſtaͤndig noch mein Kind! ‒ ‒ Aber, wofern es
nicht mehr in meiner Gewalt ſtuͤnde ‒ ‒ Jedoch
verlangt mich, ihren Brief zu ſehen. ‒ ‒ Sie be-
richten, daß er von ihrem gegenwaͤrtigen Zuſtande
und von ihren Umſtaͤnden Nachricht gebe. ‒ ‒
Das arme Kind, welches Tauſende im Beſitz
haben ſollte! ‒ ‒ Und haben wird! ‒ ‒ Denn
ihr Vater wird ein getreuer Haushaͤlter fuͤr ſie
ſeyn ‒ ‒ Allein es muß auf ihm beliebige Art,
und zu ihm beliebiger Zeit, erſt geſchehen.
Befindet ſie ſich wirklich uͤbel? ‒ ‒ ſo ſehr
uͤbel? ‒ ‒ Sie muß billig Kummer haben ‒ ‒
Sie hat gedoppelt ſo viel verurſachet.
Aber glaubt ſie wirklich, daß ſie uns nicht
lange beſchwerlich ſeyn werde? ‒ ‒ O! Fr. Nor-
ton, ſie muß, ſie wird uns lange beſchwerlich
ſeyn. ‒ ‒ Denn kann ſie gedenken, daß ihr Tod,
wenn wir ihrer beraubt ſeyn ſollten, unſerm Lei-
den ein Ende machen werde? ‒ ‒ Kann man ſich
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 623. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/629>, abgerufen am 22.11.2024.
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