bis an die letzte Stunde unsers Lebens von uns beklaget werden solle?
Allein bezeuget sie in dem Briefe, welchen Sie haben, ohne Zurückhaltung, ihre Reue? Giebt sie nicht etwas uns nachtheiliges, auch nur von weiten, darinn zu verstehen? Zielt sie nicht auf eine Verringerung ihres Fehlers? - - Wenn ich ihn sehen sollte: würde er mich nicht so sehr bewegen, daß mein sichtbarer Kummer mich harten Begegnungen bloßstellen möchte? - - Kann es angestellt werden - -
Aber zu welchem Ende? - - Nein! senden Sie ihn nicht - - Jch sage Jhnen, senden Sie ihn nicht - - Jch darf ihn nicht sehen - -
Jedoch - -
Aber ach! - -
O vergeben Sie der verwirrungsvollen Mut- ter! Sie können - - Sie wissen, dieß alles zu gute zu halten - - Also will ich es gehen lassen - - Jch will diesen Theil von meinem Briefe nicht noch einmal schreiben.
Allein ich finde nicht für gut, mehr von ihr zu wissen, als uns allen gemeldet wird - - Nicht mehr, als ich gestehen darf, gesehen zu haben; und was einige von ihnen mir vielmehr eröffnen, als von mir erfahren mögen. Dieß erfordert meine äußerliche Ruhe: ob gleich meine innerliche Zufriedenheit durch den Zwang immer mehr und mehr leidet.
Jch
bis an die letzte Stunde unſers Lebens von uns beklaget werden ſolle?
Allein bezeuget ſie in dem Briefe, welchen Sie haben, ohne Zuruͤckhaltung, ihre Reue? Giebt ſie nicht etwas uns nachtheiliges, auch nur von weiten, darinn zu verſtehen? Zielt ſie nicht auf eine Verringerung ihres Fehlers? ‒ ‒ Wenn ich ihn ſehen ſollte: wuͤrde er mich nicht ſo ſehr bewegen, daß mein ſichtbarer Kummer mich harten Begegnungen bloßſtellen moͤchte? ‒ ‒ Kann es angeſtellt werden ‒ ‒
Aber zu welchem Ende? ‒ ‒ Nein! ſenden Sie ihn nicht ‒ ‒ Jch ſage Jhnen, ſenden Sie ihn nicht ‒ ‒ Jch darf ihn nicht ſehen ‒ ‒
Jedoch ‒ ‒
Aber ach! ‒ ‒
O vergeben Sie der verwirrungsvollen Mut- ter! Sie koͤnnen ‒ ‒ Sie wiſſen, dieß alles zu gute zu halten ‒ ‒ Alſo will ich es gehen laſſen ‒ ‒ Jch will dieſen Theil von meinem Briefe nicht noch einmal ſchreiben.
Allein ich finde nicht fuͤr gut, mehr von ihr zu wiſſen, als uns allen gemeldet wird ‒ ‒ Nicht mehr, als ich geſtehen darf, geſehen zu haben; und was einige von ihnen mir vielmehr eroͤffnen, als von mir erfahren moͤgen. Dieß erfordert meine aͤußerliche Ruhe: ob gleich meine innerliche Zufriedenheit durch den Zwang immer mehr und mehr leidet.
Jch
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bis an die letzte Stunde unſers Lebens von uns
beklaget werden ſolle?
Allein bezeuget ſie in dem Briefe, welchen
Sie haben, ohne Zuruͤckhaltung, ihre Reue?
Giebt ſie nicht etwas uns nachtheiliges, auch nur
von weiten, darinn zu verſtehen? Zielt ſie nicht
auf eine Verringerung ihres Fehlers? ‒ ‒ Wenn
ich ihn ſehen ſollte: wuͤrde er mich nicht ſo ſehr
bewegen, daß mein ſichtbarer Kummer mich
harten Begegnungen bloßſtellen moͤchte? ‒ ‒
Kann es angeſtellt werden ‒ ‒
Aber zu welchem Ende? ‒ ‒ Nein! ſenden
Sie ihn nicht ‒ ‒ Jch ſage Jhnen, ſenden Sie
ihn nicht ‒ ‒ Jch darf ihn nicht ſehen ‒ ‒
Jedoch ‒ ‒
Aber ach! ‒ ‒
O vergeben Sie der verwirrungsvollen Mut-
ter! Sie koͤnnen ‒ ‒ Sie wiſſen, dieß alles zu
gute zu halten ‒ ‒ Alſo will ich es gehen laſſen ‒ ‒
Jch will dieſen Theil von meinem Briefe nicht
noch einmal ſchreiben.
Allein ich finde nicht fuͤr gut, mehr von ihr
zu wiſſen, als uns allen gemeldet wird ‒ ‒ Nicht
mehr, als ich geſtehen darf, geſehen zu haben;
und was einige von ihnen mir vielmehr eroͤffnen,
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meine aͤußerliche Ruhe: ob gleich meine innerliche
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mehr leidet.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 624. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/630>, abgerufen am 22.11.2024.
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