daß eine solche unglückliche Tochter, Schwester, oder Base, als Clarissa Harlowe, gelebet habe!
Mein Vetter Morden war einer von denen, die so ernstlich in meinem neunten und eilften Jahre für mich beteten, wie Sie erwähnen. Meine Schwester denkt, er werde einer von de- nen seyn, welche wünschen werden, daß ich nie- mals gewesen wäre. Aber ich bitte Sie, wenn er kommt, lassen Sie es mich so bald, als mö- glich, wissen.
Sie glauben, daß, wenn die unglückliche Vorstellung von meiner Gabe, Mitleiden zu er- wecken, nicht im Wege stünde, meine Mutter sich erweichen lassen würde. Was wollte ich darum geben, sie noch einmal zu sehen, und, wenn gleich ohne ihr Wissen, nur den Saum ih- res Kleides zu küssen.
Hätte ich denken können, daß das letzte mal, da ich sie sahe, das letzte gewesen wäre: wie viele Mühe sollte es gekostet haben, mich von ih- ren umfaßten Füßen zu reissen! - - Und wie wenig ließ ich mir in den Sinn kommen, als ich am vorigen 5ten April (*) hinter der Hecke, mei- nen Vater, meinen Onkel Anton, meinen Bru- der, und meine Schwester sahe, daß dieß das letzte mal seyn würde, da ich sie jemals sehen soll- te, und daß mich in so kurzer Zeit so viel erschreck- liches Unglück treffen würde!
Allein ich kann nichts schreiben, als was Jh- nen Unruhe verursachen muß. Jch will daher
nur
(*) Siehe den II. Theil, S. 384.
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daß eine ſolche ungluͤckliche Tochter, Schweſter, oder Baſe, als Clariſſa Harlowe, gelebet habe!
Mein Vetter Morden war einer von denen, die ſo ernſtlich in meinem neunten und eilften Jahre fuͤr mich beteten, wie Sie erwaͤhnen. Meine Schweſter denkt, er werde einer von de- nen ſeyn, welche wuͤnſchen werden, daß ich nie- mals geweſen waͤre. Aber ich bitte Sie, wenn er kommt, laſſen Sie es mich ſo bald, als moͤ- glich, wiſſen.
Sie glauben, daß, wenn die ungluͤckliche Vorſtellung von meiner Gabe, Mitleiden zu er- wecken, nicht im Wege ſtuͤnde, meine Mutter ſich erweichen laſſen wuͤrde. Was wollte ich darum geben, ſie noch einmal zu ſehen, und, wenn gleich ohne ihr Wiſſen, nur den Saum ih- res Kleides zu kuͤſſen.
Haͤtte ich denken koͤnnen, daß das letzte mal, da ich ſie ſahe, das letzte geweſen waͤre: wie viele Muͤhe ſollte es gekoſtet haben, mich von ih- ren umfaßten Fuͤßen zu reiſſen! ‒ ‒ Und wie wenig ließ ich mir in den Sinn kommen, als ich am vorigen 5ten April (*) hinter der Hecke, mei- nen Vater, meinen Onkel Anton, meinen Bru- der, und meine Schweſter ſahe, daß dieß das letzte mal ſeyn wuͤrde, da ich ſie jemals ſehen ſoll- te, und daß mich in ſo kurzer Zeit ſo viel erſchreck- liches Ungluͤck treffen wuͤrde!
Allein ich kann nichts ſchreiben, als was Jh- nen Unruhe verurſachen muß. Jch will daher
nur
(*) Siehe den II. Theil, S. 384.
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daß eine ſolche ungluͤckliche Tochter, Schweſter,
oder Baſe, als Clariſſa Harlowe, gelebet habe!
Mein Vetter Morden war einer von denen,
die ſo ernſtlich in meinem neunten und eilften
Jahre fuͤr mich beteten, wie Sie erwaͤhnen.
Meine Schweſter denkt, er werde einer von de-
nen ſeyn, welche wuͤnſchen werden, daß ich nie-
mals geweſen waͤre. Aber ich bitte Sie, wenn
er kommt, laſſen Sie es mich ſo bald, als moͤ-
glich, wiſſen.
Sie glauben, daß, wenn die ungluͤckliche
Vorſtellung von meiner Gabe, Mitleiden zu er-
wecken, nicht im Wege ſtuͤnde, meine Mutter
ſich erweichen laſſen wuͤrde. Was wollte ich
darum geben, ſie noch einmal zu ſehen, und,
wenn gleich ohne ihr Wiſſen, nur den Saum ih-
res Kleides zu kuͤſſen.
Haͤtte ich denken koͤnnen, daß das letzte mal,
da ich ſie ſahe, das letzte geweſen waͤre: wie
viele Muͤhe ſollte es gekoſtet haben, mich von ih-
ren umfaßten Fuͤßen zu reiſſen! ‒ ‒ Und wie
wenig ließ ich mir in den Sinn kommen, als ich
am vorigen 5ten April (*) hinter der Hecke, mei-
nen Vater, meinen Onkel Anton, meinen Bru-
der, und meine Schweſter ſahe, daß dieß das
letzte mal ſeyn wuͤrde, da ich ſie jemals ſehen ſoll-
te, und daß mich in ſo kurzer Zeit ſo viel erſchreck-
liches Ungluͤck treffen wuͤrde!
Allein ich kann nichts ſchreiben, als was Jh-
nen Unruhe verurſachen muß. Jch will daher
nur
(*) Siehe den II. Theil, S. 384.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 629. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/635>, abgerufen am 22.11.2024.
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