lassen, damit ich mir den letzten Segen von ih- nen ausbitten möge.
Dieser Segen ist die einzige Gewogenheit, um die ich nun zu bitten habe: er ist die einzige, um die ich bitten darf. Dennoch scheue ich mich, auf einmal, wenn gleich nur schriftlich, mich vor einen von ihnen zu wagen. Suchte ich ihn aber nicht: so möchte es einer Halsstarrigkeit und Verabsäumung meiner Pflicht beyzumessen zu seyn scheinen: da mein Herz nichts als De- muth und Reue ist. Habt nur die Güte, mich so dreist zu machen, daß ich diese nöthige Sache versuche. Schreibt nur diese einzige Zeile: "Clärchen Harlowe, ihr habt die Freyheit zu "schreiben, wie ihr verlanget." Dieß wird ge- nug seyn - - und soll, bis an die letzte Stunde meines Lebens, als die größte Gefälligkeit erkannt werden von
Der acht und achtzigste Brief von Frau Norton an Fräulein Clarissa Harlowe.
Montags, den 31ten Jul.
Meine wertheste Fräulein.
Jch muß gestehen, daß ich mir die Freyheit genommen habe, an Jhre Frau Mutter zu
schrei-
laſſen, damit ich mir den letzten Segen von ih- nen ausbitten moͤge.
Dieſer Segen iſt die einzige Gewogenheit, um die ich nun zu bitten habe: er iſt die einzige, um die ich bitten darf. Dennoch ſcheue ich mich, auf einmal, wenn gleich nur ſchriftlich, mich vor einen von ihnen zu wagen. Suchte ich ihn aber nicht: ſo moͤchte es einer Halsſtarrigkeit und Verabſaͤumung meiner Pflicht beyzumeſſen zu ſeyn ſcheinen: da mein Herz nichts als De- muth und Reue iſt. Habt nur die Guͤte, mich ſo dreiſt zu machen, daß ich dieſe noͤthige Sache verſuche. Schreibt nur dieſe einzige Zeile: „Claͤrchen Harlowe, ihr habt die Freyheit zu „ſchreiben, wie ihr verlanget.“ Dieß wird ge- nug ſeyn ‒ ‒ und ſoll, bis an die letzte Stunde meines Lebens, als die groͤßte Gefaͤlligkeit erkannt werden von
Der acht und achtzigſte Brief von Frau Norton an Fraͤulein Clariſſa Harlowe.
Montags, den 31ten Jul.
Meine wertheſte Fraͤulein.
Jch muß geſtehen, daß ich mir die Freyheit genommen habe, an Jhre Frau Mutter zu
ſchrei-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0657"n="651"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
laſſen, damit ich mir den <hirendition="#fr">letzten Segen</hi> von ih-<lb/>
nen ausbitten moͤge.</p><lb/><p>Dieſer Segen iſt die einzige Gewogenheit,<lb/>
um die ich nun zu bitten habe: er iſt die einzige,<lb/>
um die ich bitten <hirendition="#fr">darf.</hi> Dennoch ſcheue ich mich,<lb/>
auf einmal, wenn gleich nur <hirendition="#fr">ſchriftlich,</hi> mich<lb/>
vor einen von ihnen zu wagen. Suchte ich ihn<lb/>
aber nicht: ſo moͤchte es einer Halsſtarrigkeit<lb/>
und Verabſaͤumung meiner Pflicht beyzumeſſen<lb/>
zu ſeyn ſcheinen: da mein Herz nichts als De-<lb/>
muth und Reue iſt. Habt nur die Guͤte, mich<lb/>ſo dreiſt zu machen, daß ich dieſe noͤthige Sache<lb/>
verſuche. Schreibt nur dieſe einzige Zeile:<lb/>„Claͤrchen Harlowe, ihr habt die Freyheit zu<lb/>„ſchreiben, wie ihr verlanget.“ Dieß wird ge-<lb/>
nug ſeyn ‒‒ und ſoll, bis an die letzte Stunde<lb/>
meines Lebens, als die groͤßte Gefaͤlligkeit erkannt<lb/>
werden von</p><lb/><closer><salute><hirendition="#et">Eurer aufrichtig reuevollen Schweſter<lb/><hirendition="#fr">Clariſſa Harlowe.</hi></hi></salute></closer></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="2"><head><hirendition="#fr">Der acht und achtzigſte Brief</hi><lb/>
von<lb/><hirendition="#fr">Frau Norton an Fraͤulein Clariſſa Harlowe.</hi></head><lb/><floatingText><body><dateline><hirendition="#et">Montags, den 31ten Jul.</hi></dateline><lb/><salute><hirendition="#b">Meine wertheſte Fraͤulein.</hi></salute><lb/><p><hirendition="#in">J</hi>ch muß geſtehen, daß ich mir die Freyheit<lb/>
genommen habe, an Jhre Frau Mutter zu<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſchrei-</fw><lb/></p></body></floatingText></div></div></body></text></TEI>
[651/0657]
laſſen, damit ich mir den letzten Segen von ih-
nen ausbitten moͤge.
Dieſer Segen iſt die einzige Gewogenheit,
um die ich nun zu bitten habe: er iſt die einzige,
um die ich bitten darf. Dennoch ſcheue ich mich,
auf einmal, wenn gleich nur ſchriftlich, mich
vor einen von ihnen zu wagen. Suchte ich ihn
aber nicht: ſo moͤchte es einer Halsſtarrigkeit
und Verabſaͤumung meiner Pflicht beyzumeſſen
zu ſeyn ſcheinen: da mein Herz nichts als De-
muth und Reue iſt. Habt nur die Guͤte, mich
ſo dreiſt zu machen, daß ich dieſe noͤthige Sache
verſuche. Schreibt nur dieſe einzige Zeile:
„Claͤrchen Harlowe, ihr habt die Freyheit zu
„ſchreiben, wie ihr verlanget.“ Dieß wird ge-
nug ſeyn ‒ ‒ und ſoll, bis an die letzte Stunde
meines Lebens, als die groͤßte Gefaͤlligkeit erkannt
werden von
Eurer aufrichtig reuevollen Schweſter
Clariſſa Harlowe.
Der acht und achtzigſte Brief
von
Frau Norton an Fraͤulein Clariſſa Harlowe.
Montags, den 31ten Jul.
Meine wertheſte Fraͤulein.
Jch muß geſtehen, daß ich mir die Freyheit
genommen habe, an Jhre Frau Mutter zu
ſchrei-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 651. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/657>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.