Denn auch Leute von den geringsten Gaben und Verstandeskräften mögen in den schändlichsten Unternehmungen einen glücklichen Fortgang ha- ben; wenn sie nur alle Achtung gegen die sittli- chen Gesetze, welche die Menschen mit einander verbinden, unterdrücken können: und das eher gegen ein unschuldiges Herz, als gegen ein ande- res; weil dieses seine eigne Lauterkeit kennet, und desto weniger im Stande ist, anderer Tugend für verdächtig zu halten.
Jch finde, daß ich große Ursache gehabt ha- be, mich in dem ganzen Fortgange bey meinem Leiden für Jhre gute Absicht verbunden zu achten. Jnzwischen ist es doch unmöglich, mein Herr, bey dieser Gelegenheit die natürliche Folge zu überse- hen, welche daraus gegen seine vorsetzliche Nie- derträchtigkeit fließet. Allein ich sage davon desto weniger, weil Sie nicht denken sollen, daß ich von Jhren mitgetheilten Nachrichten Gründe ent- lehne, sein Verbrechen schwerer zu machen; welche gar nicht nöthig sind.
Damit ich Jhnen nun die Mühe ersparen möge, mein Herr, in Zukunft weiter zu seinem Vortheil Vorstellungen zu thun: so erlauben Sie mir, Jhnen zu sagen, daß ich alles genau über- dacht und erwogen habe; alles, was die eitle Ehrbegierde der Menschen eingeben möchte; alles, wozu mir eine erwünschte Aussöhnung mit mei- nen Freunden, und die gütige Achtung seiner An- verwandten gegen mich Hoffnung machen könnte; ja auch der Genuß der Freundschaft mit meiner
Fräu-
Denn auch Leute von den geringſten Gaben und Verſtandeskraͤften moͤgen in den ſchaͤndlichſten Unternehmungen einen gluͤcklichen Fortgang ha- ben; wenn ſie nur alle Achtung gegen die ſittli- chen Geſetze, welche die Menſchen mit einander verbinden, unterdruͤcken koͤnnen: und das eher gegen ein unſchuldiges Herz, als gegen ein ande- res; weil dieſes ſeine eigne Lauterkeit kennet, und deſto weniger im Stande iſt, anderer Tugend fuͤr verdaͤchtig zu halten.
Jch finde, daß ich große Urſache gehabt ha- be, mich in dem ganzen Fortgange bey meinem Leiden fuͤr Jhre gute Abſicht verbunden zu achten. Jnzwiſchen iſt es doch unmoͤglich, mein Herr, bey dieſer Gelegenheit die natuͤrliche Folge zu uͤberſe- hen, welche daraus gegen ſeine vorſetzliche Nie- dertraͤchtigkeit fließet. Allein ich ſage davon deſto weniger, weil Sie nicht denken ſollen, daß ich von Jhren mitgetheilten Nachrichten Gruͤnde ent- lehne, ſein Verbrechen ſchwerer zu machen; welche gar nicht noͤthig ſind.
Damit ich Jhnen nun die Muͤhe erſparen moͤge, mein Herr, in Zukunft weiter zu ſeinem Vortheil Vorſtellungen zu thun: ſo erlauben Sie mir, Jhnen zu ſagen, daß ich alles genau uͤber- dacht und erwogen habe; alles, was die eitle Ehrbegierde der Menſchen eingeben moͤchte; alles, wozu mir eine erwuͤnſchte Ausſoͤhnung mit mei- nen Freunden, und die guͤtige Achtung ſeiner An- verwandten gegen mich Hoffnung machen koͤnnte; ja auch der Genuß der Freundſchaft mit meiner
Fraͤu-
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Denn auch Leute von den geringſten Gaben und
Verſtandeskraͤften moͤgen in den ſchaͤndlichſten
Unternehmungen einen gluͤcklichen Fortgang ha-
ben; wenn ſie nur alle Achtung gegen die ſittli-
chen Geſetze, welche die Menſchen mit einander
verbinden, unterdruͤcken koͤnnen: und das eher
gegen ein unſchuldiges Herz, als gegen ein ande-
res; weil dieſes ſeine eigne Lauterkeit kennet, und
deſto weniger im Stande iſt, anderer Tugend fuͤr
verdaͤchtig zu halten.
Jch finde, daß ich große Urſache gehabt ha-
be, mich in dem ganzen Fortgange bey meinem
Leiden fuͤr Jhre gute Abſicht verbunden zu achten.
Jnzwiſchen iſt es doch unmoͤglich, mein Herr, bey
dieſer Gelegenheit die natuͤrliche Folge zu uͤberſe-
hen, welche daraus gegen ſeine vorſetzliche Nie-
dertraͤchtigkeit fließet. Allein ich ſage davon deſto
weniger, weil Sie nicht denken ſollen, daß ich
von Jhren mitgetheilten Nachrichten Gruͤnde ent-
lehne, ſein Verbrechen ſchwerer zu machen; welche
gar nicht noͤthig ſind.
Damit ich Jhnen nun die Muͤhe erſparen
moͤge, mein Herr, in Zukunft weiter zu ſeinem
Vortheil Vorſtellungen zu thun: ſo erlauben Sie
mir, Jhnen zu ſagen, daß ich alles genau uͤber-
dacht und erwogen habe; alles, was die eitle
Ehrbegierde der Menſchen eingeben moͤchte; alles,
wozu mir eine erwuͤnſchte Ausſoͤhnung mit mei-
nen Freunden, und die guͤtige Achtung ſeiner An-
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ja auch der Genuß der Freundſchaft mit meiner
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 682. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/688>, abgerufen am 22.11.2024.
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