Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



den Personen, welche sie besuchten, zu erkundigen.
Denn, was die Lobeserhebungen beträffe, die Fr.
Smithinn von der Fräulein machte, ließ er sich
merken, so schien sie eine Frau von gutem Herzen
zu seyn, und möchte, ob er es gleich um der Fräu-
lein willen nicht hoffete, vielleicht zu parteyisch
und kurzsichtig seyn, daß man sich in einer Auge-
legenheit, worauf so vieles ankäme, als auf die
von ihm übernommene Verrichtung seiner Anzei-
ge nach ankommen sollte, gänzlich auf sie verlassen
könnte. Dabey schüttelte er den Kopf, redete
zweifelhaft und geheimnißvoll, und gab sich, wie
ich merken konnte, überhaupt bey der ganzen Un-
terredung ein solches Ansehen, als wenn es mit
ihm und seinem Gewerbe ungemein viel auf sich
hätte. Wie Fr. Smithinn ihm Nachricht gab,
daß es mit der Gesundheit der Fräulein sehr
schlecht stünde: so zuckte er mit vieler Kaltsinnig-
keit die Achsel - - Sie mag sich wohl sehr übel
befinden, sprach er: Jhr Verdruß über die fehl-
geschlagene Hoffnung muß sie empfindlich ange-
griffen haben. Allein, ich darf sagen, sie befindet
sich noch nicht übel genug, ihren sehr großen Fall
zu büßen, und von denen, welche sie so schwer be-
leidiget hat, Vergebung zu erwarten.

Ein strotziger eingebildeter Lehrling! Was
wollte ich darum geben, daß er mir in den Lauf
gekommen wäre!

Er gieng, sonder Zweifel höchst zufrieden mit
sich selbst, und der guten Meynung der Fr. Smi-
thinn von seiner großen Einsicht und Gelehrsam-

keit



den Perſonen, welche ſie beſuchten, zu erkundigen.
Denn, was die Lobeserhebungen betraͤffe, die Fr.
Smithinn von der Fraͤulein machte, ließ er ſich
merken, ſo ſchien ſie eine Frau von gutem Herzen
zu ſeyn, und moͤchte, ob er es gleich um der Fraͤu-
lein willen nicht hoffete, vielleicht zu parteyiſch
und kurzſichtig ſeyn, daß man ſich in einer Auge-
legenheit, worauf ſo vieles ankaͤme, als auf die
von ihm uͤbernommene Verrichtung ſeiner Anzei-
ge nach ankommen ſollte, gaͤnzlich auf ſie verlaſſen
koͤnnte. Dabey ſchuͤttelte er den Kopf, redete
zweifelhaft und geheimnißvoll, und gab ſich, wie
ich merken konnte, uͤberhaupt bey der ganzen Un-
terredung ein ſolches Anſehen, als wenn es mit
ihm und ſeinem Gewerbe ungemein viel auf ſich
haͤtte. Wie Fr. Smithinn ihm Nachricht gab,
daß es mit der Geſundheit der Fraͤulein ſehr
ſchlecht ſtuͤnde: ſo zuckte er mit vieler Kaltſinnig-
keit die Achſel ‒ ‒ Sie mag ſich wohl ſehr uͤbel
befinden, ſprach er: Jhr Verdruß uͤber die fehl-
geſchlagene Hoffnung muß ſie empfindlich ange-
griffen haben. Allein, ich darf ſagen, ſie befindet
ſich noch nicht uͤbel genug, ihren ſehr großen Fall
zu buͤßen, und von denen, welche ſie ſo ſchwer be-
leidiget hat, Vergebung zu erwarten.

Ein ſtrotziger eingebildeter Lehrling! Was
wollte ich darum geben, daß er mir in den Lauf
gekommen waͤre!

Er gieng, ſonder Zweifel hoͤchſt zufrieden mit
ſich ſelbſt, und der guten Meynung der Fr. Smi-
thinn von ſeiner großen Einſicht und Gelehrſam-

keit
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0737" n="731"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
den Per&#x017F;onen, welche &#x017F;ie be&#x017F;uchten, zu erkundigen.<lb/>
Denn, was die Lobeserhebungen betra&#x0364;ffe, die Fr.<lb/>
Smithinn von der Fra&#x0364;ulein machte, ließ er &#x017F;ich<lb/>
merken, &#x017F;o &#x017F;chien &#x017F;ie eine Frau von gutem Herzen<lb/>
zu &#x017F;eyn, und mo&#x0364;chte, ob er es gleich um der Fra&#x0364;u-<lb/>
lein willen nicht hoffete, vielleicht zu parteyi&#x017F;ch<lb/>
und kurz&#x017F;ichtig &#x017F;eyn, daß man &#x017F;ich in einer Auge-<lb/>
legenheit, worauf &#x017F;o vieles anka&#x0364;me, als auf die<lb/>
von ihm u&#x0364;bernommene Verrichtung &#x017F;einer Anzei-<lb/>
ge nach ankommen &#x017F;ollte, ga&#x0364;nzlich auf &#x017F;ie verla&#x017F;&#x017F;en<lb/>
ko&#x0364;nnte. Dabey &#x017F;chu&#x0364;ttelte er den Kopf, redete<lb/>
zweifelhaft und geheimnißvoll, und gab &#x017F;ich, wie<lb/>
ich merken konnte, u&#x0364;berhaupt bey der ganzen Un-<lb/>
terredung ein &#x017F;olches An&#x017F;ehen, als wenn es mit<lb/>
ihm und &#x017F;einem Gewerbe ungemein viel auf &#x017F;ich<lb/>
ha&#x0364;tte. Wie Fr. Smithinn ihm Nachricht gab,<lb/>
daß es mit der Ge&#x017F;undheit der Fra&#x0364;ulein &#x017F;ehr<lb/>
&#x017F;chlecht &#x017F;tu&#x0364;nde: &#x017F;o zuckte er mit vieler Kalt&#x017F;innig-<lb/>
keit die Ach&#x017F;el &#x2012; &#x2012; Sie mag &#x017F;ich wohl &#x017F;ehr u&#x0364;bel<lb/>
befinden, &#x017F;prach er: Jhr Verdruß u&#x0364;ber die fehl-<lb/>
ge&#x017F;chlagene Hoffnung muß &#x017F;ie empfindlich ange-<lb/>
griffen haben. Allein, ich darf &#x017F;agen, &#x017F;ie befindet<lb/>
&#x017F;ich noch nicht u&#x0364;bel genug, ihren &#x017F;ehr großen Fall<lb/>
zu bu&#x0364;ßen, und von denen, welche &#x017F;ie &#x017F;o &#x017F;chwer be-<lb/>
leidiget hat, Vergebung zu erwarten.</p><lb/>
          <p>Ein &#x017F;trotziger eingebildeter Lehrling! Was<lb/>
wollte ich darum geben, daß er mir in den Lauf<lb/>
gekommen wa&#x0364;re!</p><lb/>
          <p>Er gieng, &#x017F;onder Zweifel ho&#x0364;ch&#x017F;t zufrieden mit<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t, und der guten Meynung der Fr. Smi-<lb/>
thinn von &#x017F;einer großen Ein&#x017F;icht und Gelehr&#x017F;am-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">keit</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[731/0737] den Perſonen, welche ſie beſuchten, zu erkundigen. Denn, was die Lobeserhebungen betraͤffe, die Fr. Smithinn von der Fraͤulein machte, ließ er ſich merken, ſo ſchien ſie eine Frau von gutem Herzen zu ſeyn, und moͤchte, ob er es gleich um der Fraͤu- lein willen nicht hoffete, vielleicht zu parteyiſch und kurzſichtig ſeyn, daß man ſich in einer Auge- legenheit, worauf ſo vieles ankaͤme, als auf die von ihm uͤbernommene Verrichtung ſeiner Anzei- ge nach ankommen ſollte, gaͤnzlich auf ſie verlaſſen koͤnnte. Dabey ſchuͤttelte er den Kopf, redete zweifelhaft und geheimnißvoll, und gab ſich, wie ich merken konnte, uͤberhaupt bey der ganzen Un- terredung ein ſolches Anſehen, als wenn es mit ihm und ſeinem Gewerbe ungemein viel auf ſich haͤtte. Wie Fr. Smithinn ihm Nachricht gab, daß es mit der Geſundheit der Fraͤulein ſehr ſchlecht ſtuͤnde: ſo zuckte er mit vieler Kaltſinnig- keit die Achſel ‒ ‒ Sie mag ſich wohl ſehr uͤbel befinden, ſprach er: Jhr Verdruß uͤber die fehl- geſchlagene Hoffnung muß ſie empfindlich ange- griffen haben. Allein, ich darf ſagen, ſie befindet ſich noch nicht uͤbel genug, ihren ſehr großen Fall zu buͤßen, und von denen, welche ſie ſo ſchwer be- leidiget hat, Vergebung zu erwarten. Ein ſtrotziger eingebildeter Lehrling! Was wollte ich darum geben, daß er mir in den Lauf gekommen waͤre! Er gieng, ſonder Zweifel hoͤchſt zufrieden mit ſich ſelbſt, und der guten Meynung der Fr. Smi- thinn von ſeiner großen Einſicht und Gelehrſam- keit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/737
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 731. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/737>, abgerufen am 22.11.2024.