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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

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Jch konnte meinem letzten Auftritt in der
Welt nicht getrost entgegen sehen: wenn ich nicht
wenigstens den Segen suchte, um welchen ich
bat; und zwar mit einer so empfindlichen Zer-
knirschung, daß ich nicht verdiente, wofern man
sie wüßte, von der Zärtlichkeit einer Mutter zu
der mit harten Vorwürfen geführten Feder eines
Onkels verwiesen, und durch eine grausame Frage
verwundet zu werden; eine Frage, die mir auf
eine anstößige Weise von ihm vorgeleget, und
durch eine kurze, eine sehr kurze Zeit besser beant-
wortet seyn wird, als ich sie beantworten kann.
Denn ich bin weder verhärtet, noch ohne Scham-
haftigkeit. Wäre ich es: so würde ich die Ge-
wogenheit, um welche ich flehete, nicht so sorgfäl-
tig zu erlangen gesuchet haben.

Erlauben Sie mir zu sagen, daß ich dieselbe
so wohl um meines Vaters und meiner Mutter
willen, als meinetwegen begehrte. Denn ich bin
versichert, sie werden wenigstens, wenn ich dahin
bin, nicht geeuhig seyn, daß sie mich mit meiner
Bitte abgewiesen haben.

Es würde mir noch immer lieb seyn, von
diesen, von Jhnen, mein Herr, und von allen
meinen Verwandten Segen und Fürbitte zu er-
langen. Aber da es mir auf eine solche Art ab-
geschlagen ist: so will ich mich nicht unterstehen,
noch einmal darum anzuhalten, und mich gänz-
lich auf den Segen des Allmächtigen verlassen,
der niemals versaget wird, wenn man ihn fuß-

fällig
A a a 2


Jch konnte meinem letzten Auftritt in der
Welt nicht getroſt entgegen ſehen: wenn ich nicht
wenigſtens den Segen ſuchte, um welchen ich
bat; und zwar mit einer ſo empfindlichen Zer-
knirſchung, daß ich nicht verdiente, wofern man
ſie wuͤßte, von der Zaͤrtlichkeit einer Mutter zu
der mit harten Vorwuͤrfen gefuͤhrten Feder eines
Onkels verwieſen, und durch eine grauſame Frage
verwundet zu werden; eine Frage, die mir auf
eine anſtoͤßige Weiſe von ihm vorgeleget, und
durch eine kurze, eine ſehr kurze Zeit beſſer beant-
wortet ſeyn wird, als ich ſie beantworten kann.
Denn ich bin weder verhaͤrtet, noch ohne Scham-
haftigkeit. Waͤre ich es: ſo wuͤrde ich die Ge-
wogenheit, um welche ich flehete, nicht ſo ſorgfaͤl-
tig zu erlangen geſuchet haben.

Erlauben Sie mir zu ſagen, daß ich dieſelbe
ſo wohl um meines Vaters und meiner Mutter
willen, als meinetwegen begehrte. Denn ich bin
verſichert, ſie werden wenigſtens, wenn ich dahin
bin, nicht geeuhig ſeyn, daß ſie mich mit meiner
Bitte abgewieſen haben.

Es wuͤrde mir noch immer lieb ſeyn, von
dieſen, von Jhnen, mein Herr, und von allen
meinen Verwandten Segen und Fuͤrbitte zu er-
langen. Aber da es mir auf eine ſolche Art ab-
geſchlagen iſt: ſo will ich mich nicht unterſtehen,
noch einmal darum anzuhalten, und mich gaͤnz-
lich auf den Segen des Allmaͤchtigen verlaſſen,
der niemals verſaget wird, wenn man ihn fuß-

faͤllig
A a a 2
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[739/0745] Jch konnte meinem letzten Auftritt in der Welt nicht getroſt entgegen ſehen: wenn ich nicht wenigſtens den Segen ſuchte, um welchen ich bat; und zwar mit einer ſo empfindlichen Zer- knirſchung, daß ich nicht verdiente, wofern man ſie wuͤßte, von der Zaͤrtlichkeit einer Mutter zu der mit harten Vorwuͤrfen gefuͤhrten Feder eines Onkels verwieſen, und durch eine grauſame Frage verwundet zu werden; eine Frage, die mir auf eine anſtoͤßige Weiſe von ihm vorgeleget, und durch eine kurze, eine ſehr kurze Zeit beſſer beant- wortet ſeyn wird, als ich ſie beantworten kann. Denn ich bin weder verhaͤrtet, noch ohne Scham- haftigkeit. Waͤre ich es: ſo wuͤrde ich die Ge- wogenheit, um welche ich flehete, nicht ſo ſorgfaͤl- tig zu erlangen geſuchet haben. Erlauben Sie mir zu ſagen, daß ich dieſelbe ſo wohl um meines Vaters und meiner Mutter willen, als meinetwegen begehrte. Denn ich bin verſichert, ſie werden wenigſtens, wenn ich dahin bin, nicht geeuhig ſeyn, daß ſie mich mit meiner Bitte abgewieſen haben. Es wuͤrde mir noch immer lieb ſeyn, von dieſen, von Jhnen, mein Herr, und von allen meinen Verwandten Segen und Fuͤrbitte zu er- langen. Aber da es mir auf eine ſolche Art ab- geſchlagen iſt: ſo will ich mich nicht unterſtehen, noch einmal darum anzuhalten, und mich gaͤnz- lich auf den Segen des Allmaͤchtigen verlaſſen, der niemals verſaget wird, wenn man ihn fuß- faͤllig A a a 2

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 739. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/745>, abgerufen am 22.11.2024.