Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite


Verzweifelt übel! Jch wollte es gern durch
Schreiben verjagen. Allein ich muß meine Feder
wieder niederlegen. Es will nicht gehen. Armer
Lovelace! - - Was, Teufel, fehlt dir?



Aber nun wollen wir es versuchen - - -
Hay - - Hay! - - Hay Der Henker, wie
gähne ich! - - Wo soll ich anfangen? Bey der
Vollziehung des Testaments, das dir aufgetragen
ist? - - - Du sollst das Amt gedoppelt haben.
Denn ich denke wirklich, du magst mir einen
Sarg und einen Todtenkittel schicken. Jch werde
unterdessen, da sie herunter kommen können, be-
reit für sie seyn.

Was für eine kleine Thörinn ist die Fräulein
Harlowe! Jch bin Bürge, sie wird nun bereuen,
daß sie meine Hand ausgeschlagen hat. Eine so
liebenswürdige junge Witwe - - Was für eine
reizungsvolle Witwe würde sie abgegeben haben?
Was für eine Zierde würde sie den Trauerklei-
dern gewesen seyn? Jn den ersten zwölf Mona-
then eine Witwe zu seyn, ist eine von den größten
Glückseligkeiten, die einem schönen Frauenzimmer
begegnen können. Solche artige Beschäfftigung
mit dem neuen Trauerputz, wenn sie kaum ih-
ren hellen Freudenschmuck nach der Relhe
herum getragen hätte! Solch Licht und Schatten!
Wie würden die einander abstechen, und durch
die Person selbst, welche sie trüge, einen Glanz
bekommen.

Geh


Verzweifelt uͤbel! Jch wollte es gern durch
Schreiben verjagen. Allein ich muß meine Feder
wieder niederlegen. Es will nicht gehen. Armer
Lovelace! ‒ ‒ Was, Teufel, fehlt dir?



Aber nun wollen wir es verſuchen ‒ ‒ ‒
Hay ‒ ‒ Hay! ‒ ‒ Hay Der Henker, wie
gaͤhne ich! ‒ ‒ Wo ſoll ich anfangen? Bey der
Vollziehung des Teſtaments, das dir aufgetragen
iſt? ‒ ‒ ‒ Du ſollſt das Amt gedoppelt haben.
Denn ich denke wirklich, du magſt mir einen
Sarg und einen Todtenkittel ſchicken. Jch werde
unterdeſſen, da ſie herunter kommen koͤnnen, be-
reit fuͤr ſie ſeyn.

Was fuͤr eine kleine Thoͤrinn iſt die Fraͤulein
Harlowe! Jch bin Buͤrge, ſie wird nun bereuen,
daß ſie meine Hand ausgeſchlagen hat. Eine ſo
liebenswuͤrdige junge Witwe ‒ ‒ Was fuͤr eine
reizungsvolle Witwe wuͤrde ſie abgegeben haben?
Was fuͤr eine Zierde wuͤrde ſie den Trauerklei-
dern geweſen ſeyn? Jn den erſten zwoͤlf Mona-
then eine Witwe zu ſeyn, iſt eine von den groͤßten
Gluͤckſeligkeiten, die einem ſchoͤnen Frauenzimmer
begegnen koͤnnen. Solche artige Beſchaͤfftigung
mit dem neuen Trauerputz, wenn ſie kaum ih-
ren hellen Freudenſchmuck nach der Relhe
herum getragen haͤtte! Solch Licht und Schatten!
Wie wuͤrden die einander abſtechen, und durch
die Perſon ſelbſt, welche ſie truͤge, einen Glanz
bekommen.

Geh
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0773" n="767"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Verzweifelt u&#x0364;bel! Jch wollte es gern durch<lb/>
Schreiben verjagen. Allein ich muß meine Feder<lb/>
wieder niederlegen. Es will nicht gehen. Armer<lb/>
Lovelace! &#x2012; &#x2012; Was, Teufel, fehlt dir?</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Aber nun wollen wir es ver&#x017F;uchen &#x2012; &#x2012; &#x2012;<lb/>
Hay &#x2012; &#x2012; Hay! &#x2012; &#x2012; Hay Der Henker, wie<lb/>
ga&#x0364;hne ich! &#x2012; &#x2012; Wo &#x017F;oll ich anfangen? Bey der<lb/>
Vollziehung des Te&#x017F;taments, das dir aufgetragen<lb/>
i&#x017F;t? &#x2012; &#x2012; &#x2012; Du &#x017F;oll&#x017F;t das Amt gedoppelt haben.<lb/>
Denn ich denke wirklich, du mag&#x017F;t mir einen<lb/>
Sarg und einen Todtenkittel &#x017F;chicken. Jch werde<lb/>
unterde&#x017F;&#x017F;en, da &#x017F;ie herunter kommen ko&#x0364;nnen, be-<lb/>
reit fu&#x0364;r &#x017F;ie &#x017F;eyn.</p><lb/>
          <p>Was fu&#x0364;r eine kleine Tho&#x0364;rinn i&#x017F;t die Fra&#x0364;ulein<lb/>
Harlowe! Jch bin Bu&#x0364;rge, &#x017F;ie wird nun bereuen,<lb/>
daß &#x017F;ie meine Hand ausge&#x017F;chlagen hat. Eine &#x017F;o<lb/>
liebenswu&#x0364;rdige junge Witwe &#x2012; &#x2012; Was fu&#x0364;r eine<lb/>
reizungsvolle Witwe wu&#x0364;rde &#x017F;ie abgegeben haben?<lb/>
Was fu&#x0364;r eine Zierde wu&#x0364;rde &#x017F;ie den Trauerklei-<lb/>
dern gewe&#x017F;en &#x017F;eyn? Jn den er&#x017F;ten zwo&#x0364;lf Mona-<lb/>
then eine Witwe zu &#x017F;eyn, i&#x017F;t eine von den gro&#x0364;ßten<lb/>
Glu&#x0364;ck&#x017F;eligkeiten, die einem &#x017F;cho&#x0364;nen Frauenzimmer<lb/>
begegnen ko&#x0364;nnen. Solche artige Be&#x017F;cha&#x0364;fftigung<lb/>
mit dem <hi rendition="#fr">neuen Trauerputz,</hi> wenn &#x017F;ie kaum ih-<lb/>
ren <hi rendition="#fr">hellen Freuden&#x017F;chmuck</hi> nach der Relhe<lb/>
herum getragen ha&#x0364;tte! Solch Licht und Schatten!<lb/>
Wie wu&#x0364;rden die einander ab&#x017F;techen, und durch<lb/>
die Per&#x017F;on &#x017F;elb&#x017F;t, welche &#x017F;ie tru&#x0364;ge, einen Glanz<lb/>
bekommen.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Geh</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[767/0773] Verzweifelt uͤbel! Jch wollte es gern durch Schreiben verjagen. Allein ich muß meine Feder wieder niederlegen. Es will nicht gehen. Armer Lovelace! ‒ ‒ Was, Teufel, fehlt dir? Aber nun wollen wir es verſuchen ‒ ‒ ‒ Hay ‒ ‒ Hay! ‒ ‒ Hay Der Henker, wie gaͤhne ich! ‒ ‒ Wo ſoll ich anfangen? Bey der Vollziehung des Teſtaments, das dir aufgetragen iſt? ‒ ‒ ‒ Du ſollſt das Amt gedoppelt haben. Denn ich denke wirklich, du magſt mir einen Sarg und einen Todtenkittel ſchicken. Jch werde unterdeſſen, da ſie herunter kommen koͤnnen, be- reit fuͤr ſie ſeyn. Was fuͤr eine kleine Thoͤrinn iſt die Fraͤulein Harlowe! Jch bin Buͤrge, ſie wird nun bereuen, daß ſie meine Hand ausgeſchlagen hat. Eine ſo liebenswuͤrdige junge Witwe ‒ ‒ Was fuͤr eine reizungsvolle Witwe wuͤrde ſie abgegeben haben? Was fuͤr eine Zierde wuͤrde ſie den Trauerklei- dern geweſen ſeyn? Jn den erſten zwoͤlf Mona- then eine Witwe zu ſeyn, iſt eine von den groͤßten Gluͤckſeligkeiten, die einem ſchoͤnen Frauenzimmer begegnen koͤnnen. Solche artige Beſchaͤfftigung mit dem neuen Trauerputz, wenn ſie kaum ih- ren hellen Freudenſchmuck nach der Relhe herum getragen haͤtte! Solch Licht und Schatten! Wie wuͤrden die einander abſtechen, und durch die Perſon ſelbſt, welche ſie truͤge, einen Glanz bekommen. Geh

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/773
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 767. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/773>, abgerufen am 22.11.2024.