Der hundert und drey und zwanzigste Brief von Herrn Lovelace an Hrn. Joh. Belford.
London, Montags, den 21ten August.
Jch glaube, Bruder, daß ich verbunden bin, dich zu verfluchen. Jedoch will ich mir nicht vorgreifen, sondern zu meinem Zweck kom- men, und dir einen längern Brief schreiben, als du seit einiger Zeit von mir empfangen hast. So folgt er hier.
Damit du so wenig, als möglich, von der Zeit wissen möchtest, da ich in London zu seyn ent- schlossen war: ging ich gestern in meines Lords Kutsche mit sechsen ab, so bald ich meinen Brief an dich abgefertigt hatte, und kam gestern Abends in London an. Denn ich wußte, daß ich mich auf deine Freundschaft nicht verlassen könnte, wo es auf der Fräulein Harlowe Eigensinn an- käme.
Es war kein anderer Ort so bereit zu mei- nem Aufenthalt: daher ward ich genöthigt, zu meiner alten Wohnung zu gehen, wo auch meine Kleiderkammer ist. Hier stieß ich eine Million Flüche über die ganze Rotte aus, und wollte we- der Sarah noch Marichen sehen: und dieß nicht allein, weil sie die Fräulein hatten entfliehen las-
sen,
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Der hundert und drey und zwanzigſte Brief von Herrn Lovelace an Hrn. Joh. Belford.
London, Montags, den 21ten Auguſt.
Jch glaube, Bruder, daß ich verbunden bin, dich zu verfluchen. Jedoch will ich mir nicht vorgreifen, ſondern zu meinem Zweck kom- men, und dir einen laͤngern Brief ſchreiben, als du ſeit einiger Zeit von mir empfangen haſt. So folgt er hier.
Damit du ſo wenig, als moͤglich, von der Zeit wiſſen moͤchteſt, da ich in London zu ſeyn ent- ſchloſſen war: ging ich geſtern in meines Lords Kutſche mit ſechſen ab, ſo bald ich meinen Brief an dich abgefertigt hatte, und kam geſtern Abends in London an. Denn ich wußte, daß ich mich auf deine Freundſchaft nicht verlaſſen koͤnnte, wo es auf der Fraͤulein Harlowe Eigenſinn an- kaͤme.
Es war kein anderer Ort ſo bereit zu mei- nem Aufenthalt: daher ward ich genoͤthigt, zu meiner alten Wohnung zu gehen, wo auch meine Kleiderkammer iſt. Hier ſtieß ich eine Million Fluͤche uͤber die ganze Rotte aus, und wollte we- der Sarah noch Marichen ſehen: und dieß nicht allein, weil ſie die Fraͤulein hatten entfliehen laſ-
ſen,
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Der hundert und drey und zwanzigſte Brief
von
Herrn Lovelace an Hrn. Joh. Belford.
London, Montags, den 21ten
Auguſt.
Jch glaube, Bruder, daß ich verbunden bin,
dich zu verfluchen. Jedoch will ich mir
nicht vorgreifen, ſondern zu meinem Zweck kom-
men, und dir einen laͤngern Brief ſchreiben, als
du ſeit einiger Zeit von mir empfangen haſt. So
folgt er hier.
Damit du ſo wenig, als moͤglich, von der
Zeit wiſſen moͤchteſt, da ich in London zu ſeyn ent-
ſchloſſen war: ging ich geſtern in meines Lords
Kutſche mit ſechſen ab, ſo bald ich meinen Brief
an dich abgefertigt hatte, und kam geſtern Abends
in London an. Denn ich wußte, daß ich mich
auf deine Freundſchaft nicht verlaſſen koͤnnte, wo
es auf der Fraͤulein Harlowe Eigenſinn an-
kaͤme.
Es war kein anderer Ort ſo bereit zu mei-
nem Aufenthalt: daher ward ich genoͤthigt, zu
meiner alten Wohnung zu gehen, wo auch meine
Kleiderkammer iſt. Hier ſtieß ich eine Million
Fluͤche uͤber die ganze Rotte aus, und wollte we-
der Sarah noch Marichen ſehen: und dieß nicht
allein, weil ſie die Fraͤulein hatten entfliehen laſ-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 793. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/799>, abgerufen am 22.11.2024.
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