finden. Jch bin eben in einem verfluchten Schre- cken erwachet. Wie sehr kann doch ein Mensch durch Träume beunruhiget werden.
"Mich dauchte, ich hatte eine Unterredung "mit meiner Geliebten. Sie war die Güte, Ge- "fälligkeit und Vergebung selbst. Sie ließ sich "durch die vereinigten Fürbitten des Lords M. der "Lady Sarah, der Lady Elisabeth und meiner "beyden Basen Montague zu meinem Vortheil "bewegen. Diese machten ihr alle in tiefer Trauer "die Aufwartung: die Frauenzimmer in langen "Schleppen, welche die Erde hinter ihnen feg- "ten; der Lord M. in einem langen schwarzen "Mantel, der hinter ihm schleifte. Sie sagten "ihr, sie kämen in diesen Kleidern, ihre Betrüb- "niß über meine Sünden gegen sie zu bezeigen, "und bey ihr um Vergebung für mich zu bitten.
"Jch selbst, so kam es mir vor, lag auf mei- "nen Knieen, mit einem Degen in der Hand, "und erbot mich, ihn in die Scheide zu stecken, "oder mir ins Herz zu stossen: wie sie entweder "das eine, oder das andere, befehlen würde.
"Den Augenblick kam ihr Vetter Morden, "wie ich dachte, plötzlich mit bloßem Degen zu "einem Fenster, wie ein Blitz, hereingeschossen "- - Stirb, Lovelace! sprach er, stirb auf der "Stelle und sey verdammt: wo du meiner Base "das ihr widerfahrne Unrecht nicht im Ernst wie- "der gut machen willst.
"Jch stand auf, träumte mir, diesen Schimpf "zu rächen: als der Lord M. mit seinem großen
"schwar-
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finden. Jch bin eben in einem verfluchten Schre- cken erwachet. Wie ſehr kann doch ein Menſch durch Traͤume beunruhiget werden.
„Mich dauchte, ich hatte eine Unterredung „mit meiner Geliebten. Sie war die Guͤte, Ge- „faͤlligkeit und Vergebung ſelbſt. Sie ließ ſich „durch die vereinigten Fuͤrbitten des Lords M. der „Lady Sarah, der Lady Eliſabeth und meiner „beyden Baſen Montague zu meinem Vortheil „bewegen. Dieſe machten ihr alle in tiefer Trauer „die Aufwartung: die Frauenzimmer in langen „Schleppen, welche die Erde hinter ihnen feg- „ten; der Lord M. in einem langen ſchwarzen „Mantel, der hinter ihm ſchleifte. Sie ſagten „ihr, ſie kaͤmen in dieſen Kleidern, ihre Betruͤb- „niß uͤber meine Suͤnden gegen ſie zu bezeigen, „und bey ihr um Vergebung fuͤr mich zu bitten.
„Jch ſelbſt, ſo kam es mir vor, lag auf mei- „nen Knieen, mit einem Degen in der Hand, „und erbot mich, ihn in die Scheide zu ſtecken, „oder mir ins Herz zu ſtoſſen: wie ſie entweder „das eine, oder das andere, befehlen wuͤrde.
„Den Augenblick kam ihr Vetter Morden, „wie ich dachte, ploͤtzlich mit bloßem Degen zu „einem Fenſter, wie ein Blitz, hereingeſchoſſen „‒ ‒ Stirb, Lovelace! ſprach er, ſtirb auf der „Stelle und ſey verdammt: wo du meiner Baſe „das ihr widerfahrne Unrecht nicht im Ernſt wie- „der gut machen willſt.
„Jch ſtand auf, traͤumte mir, dieſen Schimpf „zu raͤchen: als der Lord M. mit ſeinem großen
„ſchwar-
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finden. Jch bin eben in einem verfluchten Schre-
cken erwachet. Wie ſehr kann doch ein Menſch
durch Traͤume beunruhiget werden.
„Mich dauchte, ich hatte eine Unterredung
„mit meiner Geliebten. Sie war die Guͤte, Ge-
„faͤlligkeit und Vergebung ſelbſt. Sie ließ ſich
„durch die vereinigten Fuͤrbitten des Lords M. der
„Lady Sarah, der Lady Eliſabeth und meiner
„beyden Baſen Montague zu meinem Vortheil
„bewegen. Dieſe machten ihr alle in tiefer Trauer
„die Aufwartung: die Frauenzimmer in langen
„Schleppen, welche die Erde hinter ihnen feg-
„ten; der Lord M. in einem langen ſchwarzen
„Mantel, der hinter ihm ſchleifte. Sie ſagten
„ihr, ſie kaͤmen in dieſen Kleidern, ihre Betruͤb-
„niß uͤber meine Suͤnden gegen ſie zu bezeigen,
„und bey ihr um Vergebung fuͤr mich zu bitten.
„Jch ſelbſt, ſo kam es mir vor, lag auf mei-
„nen Knieen, mit einem Degen in der Hand,
„und erbot mich, ihn in die Scheide zu ſtecken,
„oder mir ins Herz zu ſtoſſen: wie ſie entweder
„das eine, oder das andere, befehlen wuͤrde.
„Den Augenblick kam ihr Vetter Morden,
„wie ich dachte, ploͤtzlich mit bloßem Degen zu
„einem Fenſter, wie ein Blitz, hereingeſchoſſen
„‒ ‒ Stirb, Lovelace! ſprach er, ſtirb auf der
„Stelle und ſey verdammt: wo du meiner Baſe
„das ihr widerfahrne Unrecht nicht im Ernſt wie-
„der gut machen willſt.
„Jch ſtand auf, traͤumte mir, dieſen Schimpf
„zu raͤchen: als der Lord M. mit ſeinem großen
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 821. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/827>, abgerufen am 24.11.2024.
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