Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



nach, als Sie meinen zweyten Brief bekommen
hatten, wohl genug befunden haben, mit ihm
fröhlich wieder zu dem schändlichen Hause zurück-
zukehren? Allein nach und nach mehr hievon.
Jch muß eilen, ihres Briefes vom vergangenen
Mittwochen Erwähnung zu thun, mit dem Sie
es so wohl zu spielen gewußt haben, daß er
meiner Mutter in die Hände fallen sollte.

Jch muß Jhnen sagen, daß der Brief mir
beynahe das Herz gebrochen hat. Lieber Gott!
wozu haben Sie sich selbst gebracht, Fräulein
Clarissa Harlowe! - - Hätte ich wohl glauben
können, daß Sie, nach Jhrer Flucht von dem
Bösewicht, Jhrer so mühsamen und ernstlich ge-
wünschten Flucht, und nach einen solchen Ver-
such, als er gethan hatte, sich gewinnen lassen
würden, nicht nur ihm zu vergeben, sondern gar
mit ihm, noch dazu ohne vermählt zu seyn, in
das scheusliche Haus zurückzugehen! - - Ein
Haus, von dem ich Jhnen eine solche Nachricht
gegeben hatte! - Etwas erstaunliches! - - Was
für ein berauschendes Ding ist die Liebe! - -
Jch habe allezeit besorget, daß Sie, auch so gar
Sie, dawider nicht die Probe halten würden.

Sie, Jhr bestes Selbst, sind nicht entkom-
men! - - Jn der That, ich sehe nicht, wie Sie
haben erwarten können zu entkommen.

Was haben Sie zu erzählen! - - Sie
dürfen es nicht erzählen, meine Wertheste: ich
wollte mich anheischig gemacht haben, Jhnen al-
les, was geschehen ist, vorher zu prophezeyen; hät-

ten



nach, als Sie meinen zweyten Brief bekommen
hatten, wohl genug befunden haben, mit ihm
froͤhlich wieder zu dem ſchaͤndlichen Hauſe zuruͤck-
zukehren? Allein nach und nach mehr hievon.
Jch muß eilen, ihres Briefes vom vergangenen
Mittwochen Erwaͤhnung zu thun, mit dem Sie
es ſo wohl zu ſpielen gewußt haben, daß er
meiner Mutter in die Haͤnde fallen ſollte.

Jch muß Jhnen ſagen, daß der Brief mir
beynahe das Herz gebrochen hat. Lieber Gott!
wozu haben Sie ſich ſelbſt gebracht, Fraͤulein
Clariſſa Harlowe! ‒ ‒ Haͤtte ich wohl glauben
koͤnnen, daß Sie, nach Jhrer Flucht von dem
Boͤſewicht, Jhrer ſo muͤhſamen und ernſtlich ge-
wuͤnſchten Flucht, und nach einen ſolchen Ver-
ſuch, als er gethan hatte, ſich gewinnen laſſen
wuͤrden, nicht nur ihm zu vergeben, ſondern gar
mit ihm, noch dazu ohne vermaͤhlt zu ſeyn, in
das ſcheusliche Haus zuruͤckzugehen! ‒ ‒ Ein
Haus, von dem ich Jhnen eine ſolche Nachricht
gegeben hatte! ‒ Etwas erſtaunliches! ‒ ‒ Was
fuͤr ein berauſchendes Ding iſt die Liebe! ‒ ‒
Jch habe allezeit beſorget, daß Sie, auch ſo gar
Sie, dawider nicht die Probe halten wuͤrden.

Sie, Jhr beſtes Selbſt, ſind nicht entkom-
men! ‒ ‒ Jn der That, ich ſehe nicht, wie Sie
haben erwarten koͤnnen zu entkommen.

Was haben Sie zu erzaͤhlen! ‒ ‒ Sie
duͤrfen es nicht erzaͤhlen, meine Wertheſte: ich
wollte mich anheiſchig gemacht haben, Jhnen al-
les, was geſchehen iſt, vorher zu prophezeyen; haͤt-

ten
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0086" n="80"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
nach, als Sie meinen <hi rendition="#fr">zweyten</hi> Brief bekommen<lb/>
hatten, wohl genug befunden haben, mit ihm<lb/>
fro&#x0364;hlich wieder zu dem &#x017F;cha&#x0364;ndlichen Hau&#x017F;e zuru&#x0364;ck-<lb/>
zukehren? Allein nach und nach mehr hievon.<lb/>
Jch muß eilen, ihres Briefes vom vergangenen<lb/>
Mittwochen Erwa&#x0364;hnung zu thun, mit dem Sie<lb/>
es <hi rendition="#fr">&#x017F;o wohl zu &#x017F;pielen</hi> gewußt haben, daß er<lb/>
meiner Mutter in die Ha&#x0364;nde fallen &#x017F;ollte.</p><lb/>
          <p>Jch muß Jhnen &#x017F;agen, daß der Brief mir<lb/>
beynahe das Herz gebrochen hat. Lieber Gott!<lb/>
wozu haben Sie &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t gebracht, Fra&#x0364;ulein<lb/>
Clari&#x017F;&#x017F;a Harlowe! &#x2012; &#x2012; Ha&#x0364;tte ich wohl glauben<lb/>
ko&#x0364;nnen, daß Sie, nach Jhrer Flucht von dem<lb/>
Bo&#x0364;&#x017F;ewicht, Jhrer &#x017F;o mu&#x0364;h&#x017F;amen und ern&#x017F;tlich ge-<lb/>
wu&#x0364;n&#x017F;chten Flucht, und nach einen &#x017F;olchen Ver-<lb/>
&#x017F;uch, als er gethan hatte, &#x017F;ich gewinnen la&#x017F;&#x017F;en<lb/>
wu&#x0364;rden, nicht nur ihm zu vergeben, &#x017F;ondern gar<lb/>
mit ihm, noch dazu ohne verma&#x0364;hlt zu &#x017F;eyn, in<lb/>
das &#x017F;cheusliche Haus zuru&#x0364;ckzugehen! &#x2012; &#x2012; Ein<lb/>
Haus, von dem ich Jhnen eine &#x017F;olche Nachricht<lb/>
gegeben hatte! &#x2012; Etwas er&#x017F;taunliches! &#x2012; &#x2012; Was<lb/>
fu&#x0364;r ein berau&#x017F;chendes Ding i&#x017F;t <hi rendition="#fr">die Liebe!</hi> &#x2012; &#x2012;<lb/>
Jch habe <hi rendition="#fr">allezeit</hi> be&#x017F;orget, daß Sie, auch &#x017F;o gar<lb/>
Sie, dawider nicht die Probe halten wu&#x0364;rden.</p><lb/>
          <p>Sie, Jhr <hi rendition="#fr">be&#x017F;tes Selb&#x017F;t,</hi> &#x017F;ind nicht entkom-<lb/>
men! &#x2012; &#x2012; Jn der That, ich &#x017F;ehe nicht, wie Sie<lb/>
haben erwarten ko&#x0364;nnen zu entkommen.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Was haben Sie zu erza&#x0364;hlen!</hi> &#x2012; &#x2012; Sie<lb/>
du&#x0364;rfen es nicht erza&#x0364;hlen, meine Werthe&#x017F;te: ich<lb/>
wollte mich anhei&#x017F;chig gemacht haben, Jhnen al-<lb/>
les, was ge&#x017F;chehen i&#x017F;t, vorher zu prophezeyen; ha&#x0364;t-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ten</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[80/0086] nach, als Sie meinen zweyten Brief bekommen hatten, wohl genug befunden haben, mit ihm froͤhlich wieder zu dem ſchaͤndlichen Hauſe zuruͤck- zukehren? Allein nach und nach mehr hievon. Jch muß eilen, ihres Briefes vom vergangenen Mittwochen Erwaͤhnung zu thun, mit dem Sie es ſo wohl zu ſpielen gewußt haben, daß er meiner Mutter in die Haͤnde fallen ſollte. Jch muß Jhnen ſagen, daß der Brief mir beynahe das Herz gebrochen hat. Lieber Gott! wozu haben Sie ſich ſelbſt gebracht, Fraͤulein Clariſſa Harlowe! ‒ ‒ Haͤtte ich wohl glauben koͤnnen, daß Sie, nach Jhrer Flucht von dem Boͤſewicht, Jhrer ſo muͤhſamen und ernſtlich ge- wuͤnſchten Flucht, und nach einen ſolchen Ver- ſuch, als er gethan hatte, ſich gewinnen laſſen wuͤrden, nicht nur ihm zu vergeben, ſondern gar mit ihm, noch dazu ohne vermaͤhlt zu ſeyn, in das ſcheusliche Haus zuruͤckzugehen! ‒ ‒ Ein Haus, von dem ich Jhnen eine ſolche Nachricht gegeben hatte! ‒ Etwas erſtaunliches! ‒ ‒ Was fuͤr ein berauſchendes Ding iſt die Liebe! ‒ ‒ Jch habe allezeit beſorget, daß Sie, auch ſo gar Sie, dawider nicht die Probe halten wuͤrden. Sie, Jhr beſtes Selbſt, ſind nicht entkom- men! ‒ ‒ Jn der That, ich ſehe nicht, wie Sie haben erwarten koͤnnen zu entkommen. Was haben Sie zu erzaͤhlen! ‒ ‒ Sie duͤrfen es nicht erzaͤhlen, meine Wertheſte: ich wollte mich anheiſchig gemacht haben, Jhnen al- les, was geſchehen iſt, vorher zu prophezeyen; haͤt- ten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/86
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/86>, abgerufen am 24.11.2024.