die Sittsamkeit würde von einigen nur für einen leeren Namen gehalten werden, wenn Sie sich weigern sollten, den Vorschriften dererselben zu gehorchen.
Man hat mich in diesem Stücke zu Rathe ge- zogen: das gestehe ich. Jch habe meine Mey- nung dahin ertheilet, daß Sie den verruchten Menschen gerichtlich belangen sollten: aber ohne meine Gründe anzugeben. Diese behielte ich zu- rück, mit der Entschließung, sie ohne jemandes Wissen Jhnen vorzulegen: damit der Ausschlag, wenn er das wäre, was ich wünsche, Jhnen selbst zuzuschreiben seyn möchte.
Jch will nur noch beyfügen, daß das Unglück, welches Sie befallen hat, mich nicht mehr hätte betrüben können, wenn es das Schicksal meines eignen Kindes gewesen wäre, als es mich nun, da es Jhr Unglück ist, betrübet hat. Mein eignes Kind liebe ich: aber Sie liebe und ehre ich zu- gleich. Denn wenn man Sie liebet: so liebet man Tugend, Verstand, Klugheit und alles, was an einem Frauenzimmer gut und edel ist.
Da ich denke, daß dieß alles durch die Be- leidigungen, welche Jhnen widerfahren sind, ver- letzet sey: so werden Sie glauben, daß die Wis- senschaft von Jhrem Unglück mehr, als ich auszu- drücken vermögend bin, betrübet haben müsse
Jhren aufrichtigen Bewunderer und gehor- samsten Diener, Arthur Lewin.
Jch
Siebenter Theil. G
die Sittſamkeit wuͤrde von einigen nur fuͤr einen leeren Namen gehalten werden, wenn Sie ſich weigern ſollten, den Vorſchriften dererſelben zu gehorchen.
Man hat mich in dieſem Stuͤcke zu Rathe ge- zogen: das geſtehe ich. Jch habe meine Mey- nung dahin ertheilet, daß Sie den verruchten Menſchen gerichtlich belangen ſollten: aber ohne meine Gruͤnde anzugeben. Dieſe behielte ich zu- ruͤck, mit der Entſchließung, ſie ohne jemandes Wiſſen Jhnen vorzulegen: damit der Ausſchlag, wenn er das waͤre, was ich wuͤnſche, Jhnen ſelbſt zuzuſchreiben ſeyn moͤchte.
Jch will nur noch beyfuͤgen, daß das Ungluͤck, welches Sie befallen hat, mich nicht mehr haͤtte betruͤben koͤnnen, wenn es das Schickſal meines eignen Kindes geweſen waͤre, als es mich nun, da es Jhr Ungluͤck iſt, betruͤbet hat. Mein eignes Kind liebe ich: aber Sie liebe und ehre ich zu- gleich. Denn wenn man Sie liebet: ſo liebet man Tugend, Verſtand, Klugheit und alles, was an einem Frauenzimmer gut und edel iſt.
Da ich denke, daß dieß alles durch die Be- leidigungen, welche Jhnen widerfahren ſind, ver- letzet ſey: ſo werden Sie glauben, daß die Wiſ- ſenſchaft von Jhrem Ungluͤck mehr, als ich auszu- druͤcken vermoͤgend bin, betruͤbet haben muͤſſe
Jhren aufrichtigen Bewunderer und gehor- ſamſten Diener, Arthur Lewin.
Jch
Siebenter Theil. G
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die Sittſamkeit wuͤrde von einigen nur fuͤr einen
leeren Namen gehalten werden, wenn Sie ſich
weigern ſollten, den Vorſchriften dererſelben zu
gehorchen.
Man hat mich in dieſem Stuͤcke zu Rathe ge-
zogen: das geſtehe ich. Jch habe meine Mey-
nung dahin ertheilet, daß Sie den verruchten
Menſchen gerichtlich belangen ſollten: aber ohne
meine Gruͤnde anzugeben. Dieſe behielte ich zu-
ruͤck, mit der Entſchließung, ſie ohne jemandes
Wiſſen Jhnen vorzulegen: damit der Ausſchlag,
wenn er das waͤre, was ich wuͤnſche, Jhnen ſelbſt
zuzuſchreiben ſeyn moͤchte.
Jch will nur noch beyfuͤgen, daß das Ungluͤck,
welches Sie befallen hat, mich nicht mehr haͤtte
betruͤben koͤnnen, wenn es das Schickſal meines
eignen Kindes geweſen waͤre, als es mich nun, da
es Jhr Ungluͤck iſt, betruͤbet hat. Mein eignes
Kind liebe ich: aber Sie liebe und ehre ich zu-
gleich. Denn wenn man Sie liebet: ſo liebet
man Tugend, Verſtand, Klugheit und alles, was
an einem Frauenzimmer gut und edel iſt.
Da ich denke, daß dieß alles durch die Be-
leidigungen, welche Jhnen widerfahren ſind, ver-
letzet ſey: ſo werden Sie glauben, daß die Wiſ-
ſenſchaft von Jhrem Ungluͤck mehr, als ich auszu-
druͤcken vermoͤgend bin, betruͤbet haben muͤſſe
Jhren aufrichtigen Bewunderer und gehor-
ſamſten Diener,
Arthur Lewin.
Jch
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/103>, abgerufen am 24.11.2024.
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