Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite



"reisen und ihrer werthesten Fräulein in Jhrem
"Unglück Handreichung zu thun. Sie hätte die-
"selbe aber an Jhre Fr. Mutter gewiesen, jedoch
"nichts weiter davon gehöret.

"Jhre Tochter, Fräulein Dörtchen, sagte sie,
"hätte oft sehr ernstlich eben deswegen bey ihr an-
"gehalten, und ihre Bitte mit dem größten Eifer
"erneuret, da der erste Brief von Jhnen zu Hän-
"den gekommen wäre.

"Jhre Tante spricht, daß sie damals sehr
"krank gewesen wäre und deswegen Jhrer Fr.
"Mutter geschrieben, sie hoffete, es würde nicht
"übel genommen werden, wenn sie der Fräulein
"Dörtchen erlaubte, zu Jhnen zu gehen: aber
"Jhre Schwester hätte ihr, im Namen Jhrer
"Fr. Mutter geantwortet, daß Sie itzo, da Sie
"zu einer gebührenden Empfindung Jhrer Fehler
"gekommen zu seyn, und in derselben zu stehen
"schienen, gänzlich ihrem eignen Gutbefinden über-
"lassen werden müßten.

"Fräulein Dörtchen, sagte sie, hätte seit der
"Zeit, da sie von des Herrn Lovelacens Schand-
"that gehöret, sich beständig abgezehret; weil sie
"auf eine gedoppelte Art dadurch gekränkt wäre:
"einmal wegen desjenigen, was Sie gelitten hät-
"ten; hiernächst, weil sie eine von denen gewesen,
"die sich darüber gefreuet, daß Sie davon gegan-
"gen wären, und Sie deswegen gerechtfertigt,
"worüber sie sich ungleiche Urtheile und Wider-
"willen, sonderlich von Jhrem Bruder und Jh-

"rer



„reiſen und ihrer wertheſten Fraͤulein in Jhrem
„Ungluͤck Handreichung zu thun. Sie haͤtte die-
„ſelbe aber an Jhre Fr. Mutter gewieſen, jedoch
„nichts weiter davon gehoͤret.

„Jhre Tochter, Fraͤulein Doͤrtchen, ſagte ſie,
„haͤtte oft ſehr ernſtlich eben deswegen bey ihr an-
„gehalten, und ihre Bitte mit dem groͤßten Eifer
„erneuret, da der erſte Brief von Jhnen zu Haͤn-
„den gekommen waͤre.

„Jhre Tante ſpricht, daß ſie damals ſehr
„krank geweſen waͤre und deswegen Jhrer Fr.
„Mutter geſchrieben, ſie hoffete, es wuͤrde nicht
„uͤbel genommen werden, wenn ſie der Fraͤulein
„Doͤrtchen erlaubte, zu Jhnen zu gehen: aber
„Jhre Schweſter haͤtte ihr, im Namen Jhrer
„Fr. Mutter geantwortet, daß Sie itzo, da Sie
„zu einer gebuͤhrenden Empfindung Jhrer Fehler
„gekommen zu ſeyn, und in derſelben zu ſtehen
„ſchienen, gaͤnzlich ihrem eignen Gutbefinden uͤber-
„laſſen werden muͤßten.

„Fraͤulein Doͤrtchen, ſagte ſie, haͤtte ſeit der
„Zeit, da ſie von des Herrn Lovelacens Schand-
„that gehoͤret, ſich beſtaͤndig abgezehret; weil ſie
„auf eine gedoppelte Art dadurch gekraͤnkt waͤre:
„einmal wegen desjenigen, was Sie gelitten haͤt-
„ten; hiernaͤchſt, weil ſie eine von denen geweſen,
„die ſich daruͤber gefreuet, daß Sie davon gegan-
„gen waͤren, und Sie deswegen gerechtfertigt,
„woruͤber ſie ſich ungleiche Urtheile und Wider-
„willen, ſonderlich von Jhrem Bruder und Jh-

„rer
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0129" n="123"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
&#x201E;rei&#x017F;en und ihrer werthe&#x017F;ten Fra&#x0364;ulein in Jhrem<lb/>
&#x201E;Unglu&#x0364;ck Handreichung zu thun. Sie ha&#x0364;tte die-<lb/>
&#x201E;&#x017F;elbe aber an Jhre Fr. Mutter gewie&#x017F;en, jedoch<lb/>
&#x201E;nichts weiter davon geho&#x0364;ret.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Jhre Tochter, Fra&#x0364;ulein Do&#x0364;rtchen, &#x017F;agte &#x017F;ie,<lb/>
&#x201E;ha&#x0364;tte oft &#x017F;ehr ern&#x017F;tlich eben deswegen bey ihr an-<lb/>
&#x201E;gehalten, und ihre Bitte mit dem gro&#x0364;ßten Eifer<lb/>
&#x201E;erneuret, da der er&#x017F;te Brief von Jhnen zu Ha&#x0364;n-<lb/>
&#x201E;den gekommen wa&#x0364;re.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Jhre Tante &#x017F;pricht, daß &#x017F;ie damals &#x017F;ehr<lb/>
&#x201E;krank gewe&#x017F;en wa&#x0364;re und deswegen Jhrer Fr.<lb/>
&#x201E;Mutter ge&#x017F;chrieben, &#x017F;ie hoffete, es wu&#x0364;rde nicht<lb/>
&#x201E;u&#x0364;bel genommen werden, wenn &#x017F;ie der Fra&#x0364;ulein<lb/>
&#x201E;Do&#x0364;rtchen erlaubte, zu Jhnen zu gehen: aber<lb/>
&#x201E;Jhre Schwe&#x017F;ter ha&#x0364;tte ihr, im Namen Jhrer<lb/>
&#x201E;Fr. Mutter geantwortet, daß Sie itzo, da Sie<lb/>
&#x201E;zu einer gebu&#x0364;hrenden Empfindung Jhrer Fehler<lb/>
&#x201E;gekommen zu &#x017F;eyn, und in der&#x017F;elben zu &#x017F;tehen<lb/>
&#x201E;&#x017F;chienen, ga&#x0364;nzlich ihrem eignen Gutbefinden u&#x0364;ber-<lb/>
&#x201E;la&#x017F;&#x017F;en werden mu&#x0364;ßten.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Fra&#x0364;ulein Do&#x0364;rtchen, &#x017F;agte &#x017F;ie, ha&#x0364;tte &#x017F;eit der<lb/>
&#x201E;Zeit, da &#x017F;ie von des Herrn Lovelacens Schand-<lb/>
&#x201E;that geho&#x0364;ret, &#x017F;ich be&#x017F;ta&#x0364;ndig abgezehret; weil &#x017F;ie<lb/>
&#x201E;auf eine gedoppelte Art dadurch gekra&#x0364;nkt wa&#x0364;re:<lb/>
&#x201E;einmal wegen desjenigen, was Sie gelitten ha&#x0364;t-<lb/>
&#x201E;ten; hierna&#x0364;ch&#x017F;t, weil &#x017F;ie eine von denen gewe&#x017F;en,<lb/>
&#x201E;die &#x017F;ich daru&#x0364;ber gefreuet, daß Sie davon gegan-<lb/>
&#x201E;gen wa&#x0364;ren, und Sie deswegen gerechtfertigt,<lb/>
&#x201E;woru&#x0364;ber &#x017F;ie &#x017F;ich ungleiche Urtheile und Wider-<lb/>
&#x201E;willen, &#x017F;onderlich von Jhrem Bruder und Jh-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x201E;rer</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[123/0129] „reiſen und ihrer wertheſten Fraͤulein in Jhrem „Ungluͤck Handreichung zu thun. Sie haͤtte die- „ſelbe aber an Jhre Fr. Mutter gewieſen, jedoch „nichts weiter davon gehoͤret. „Jhre Tochter, Fraͤulein Doͤrtchen, ſagte ſie, „haͤtte oft ſehr ernſtlich eben deswegen bey ihr an- „gehalten, und ihre Bitte mit dem groͤßten Eifer „erneuret, da der erſte Brief von Jhnen zu Haͤn- „den gekommen waͤre. „Jhre Tante ſpricht, daß ſie damals ſehr „krank geweſen waͤre und deswegen Jhrer Fr. „Mutter geſchrieben, ſie hoffete, es wuͤrde nicht „uͤbel genommen werden, wenn ſie der Fraͤulein „Doͤrtchen erlaubte, zu Jhnen zu gehen: aber „Jhre Schweſter haͤtte ihr, im Namen Jhrer „Fr. Mutter geantwortet, daß Sie itzo, da Sie „zu einer gebuͤhrenden Empfindung Jhrer Fehler „gekommen zu ſeyn, und in derſelben zu ſtehen „ſchienen, gaͤnzlich ihrem eignen Gutbefinden uͤber- „laſſen werden muͤßten. „Fraͤulein Doͤrtchen, ſagte ſie, haͤtte ſeit der „Zeit, da ſie von des Herrn Lovelacens Schand- „that gehoͤret, ſich beſtaͤndig abgezehret; weil ſie „auf eine gedoppelte Art dadurch gekraͤnkt waͤre: „einmal wegen desjenigen, was Sie gelitten haͤt- „ten; hiernaͤchſt, weil ſie eine von denen geweſen, „die ſich daruͤber gefreuet, daß Sie davon gegan- „gen waͤren, und Sie deswegen gerechtfertigt, „woruͤber ſie ſich ungleiche Urtheile und Wider- „willen, ſonderlich von Jhrem Bruder und Jh- „rer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/129
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/129>, abgerufen am 27.11.2024.