heit, es zu sagen; für den Schutz, welchen er ihr leisten sollte, so reichlich belohnen konnte?
Lovel. Die Fräulein Clarissa Harlowe hatte ein Recht, mein Herr, die beste Begegnung zu for- dern, die ihr von einem Manne widerfahren konn- te: ich trage kein Bedenken, es zu gestehen. Jch will ihr allezeit die Gerechtigkeit widerfahren las- sen, die sie verdienet. Jch weiß, was sie für eine Folge daraus ziehen werden, und habe nur dieß einzige zu sagen, daß sich keine vergangne Zeit wieder zurückrufen läßt. Vielleicht wünschte ich, daß es geschehen könnte.
Hierauf beschrieb der Obrist, auf eine recht männliche Art, die Gottlosigkeit, etwas gegen die Tugend und den guten Namen eines Frauenzim- mers zu unternehmen. Die Mannspersonen, sagte er, hätten allzu viele Vortheile über die Schwach- heit, Leichtgläubigkeit, und Unerfahrenheit des schönen Geschlechts, welches sich durch die erhitzen- den Erzählungen und eitlen Romanen, die sie lesen, gar zu leicht zu übereilten Handlungen hinreissen ließe. Jedoch wäre seine Base, wie er gewiß wüßte, so weit erhaben, daß die gewöhnliche Ver- führung sie nicht treffen, oder daß sie durch keine schwächere Bewegungsgründe, als durch die Ge- waltthätigkeit ihrer Eltern und die feyerlichsten Versprechungen an meiner Seite zu der Ueber- eilung verleitet werden könnte, deren jene sie be- schuldigten. Da sie inzwischen diese Bewegungs- gründe gehabt; und da ihre Klugheit, so vor- trefflich sich dieselbe auch zeigte, vielmehr eine
Frucht
heit, es zu ſagen; fuͤr den Schutz, welchen er ihr leiſten ſollte, ſo reichlich belohnen konnte?
Lovel. Die Fraͤulein Clariſſa Harlowe hatte ein Recht, mein Herr, die beſte Begegnung zu for- dern, die ihr von einem Manne widerfahren konn- te: ich trage kein Bedenken, es zu geſtehen. Jch will ihr allezeit die Gerechtigkeit widerfahren laſ- ſen, die ſie verdienet. Jch weiß, was ſie fuͤr eine Folge daraus ziehen werden, und habe nur dieß einzige zu ſagen, daß ſich keine vergangne Zeit wieder zuruͤckrufen laͤßt. Vielleicht wuͤnſchte ich, daß es geſchehen koͤnnte.
Hierauf beſchrieb der Obriſt, auf eine recht maͤnnliche Art, die Gottloſigkeit, etwas gegen die Tugend und den guten Namen eines Frauenzim- mers zu unternehmen. Die Mannsperſonen, ſagte er, haͤtten allzu viele Vortheile uͤber die Schwach- heit, Leichtglaͤubigkeit, und Unerfahrenheit des ſchoͤnen Geſchlechts, welches ſich durch die erhitzen- den Erzaͤhlungen und eitlen Romanen, die ſie leſen, gar zu leicht zu uͤbereilten Handlungen hinreiſſen ließe. Jedoch waͤre ſeine Baſe, wie er gewiß wuͤßte, ſo weit erhaben, daß die gewoͤhnliche Ver- fuͤhrung ſie nicht treffen, oder daß ſie durch keine ſchwaͤchere Bewegungsgruͤnde, als durch die Ge- waltthaͤtigkeit ihrer Eltern und die feyerlichſten Verſprechungen an meiner Seite zu der Ueber- eilung verleitet werden koͤnnte, deren jene ſie be- ſchuldigten. Da ſie inzwiſchen dieſe Bewegungs- gruͤnde gehabt; und da ihre Klugheit, ſo vor- trefflich ſich dieſelbe auch zeigte, vielmehr eine
Frucht
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heit, es zu ſagen; fuͤr den Schutz, welchen er ihr
leiſten ſollte, ſo reichlich belohnen konnte?
Lovel. Die Fraͤulein Clariſſa Harlowe hatte
ein Recht, mein Herr, die beſte Begegnung zu for-
dern, die ihr von einem Manne widerfahren konn-
te: ich trage kein Bedenken, es zu geſtehen. Jch
will ihr allezeit die Gerechtigkeit widerfahren laſ-
ſen, die ſie verdienet. Jch weiß, was ſie fuͤr eine
Folge daraus ziehen werden, und habe nur dieß
einzige zu ſagen, daß ſich keine vergangne Zeit
wieder zuruͤckrufen laͤßt. Vielleicht wuͤnſchte ich,
daß es geſchehen koͤnnte.
Hierauf beſchrieb der Obriſt, auf eine recht
maͤnnliche Art, die Gottloſigkeit, etwas gegen die
Tugend und den guten Namen eines Frauenzim-
mers zu unternehmen. Die Mannsperſonen, ſagte
er, haͤtten allzu viele Vortheile uͤber die Schwach-
heit, Leichtglaͤubigkeit, und Unerfahrenheit des
ſchoͤnen Geſchlechts, welches ſich durch die erhitzen-
den Erzaͤhlungen und eitlen Romanen, die ſie leſen,
gar zu leicht zu uͤbereilten Handlungen hinreiſſen
ließe. Jedoch waͤre ſeine Baſe, wie er gewiß
wuͤßte, ſo weit erhaben, daß die gewoͤhnliche Ver-
fuͤhrung ſie nicht treffen, oder daß ſie durch keine
ſchwaͤchere Bewegungsgruͤnde, als durch die Ge-
waltthaͤtigkeit ihrer Eltern und die feyerlichſten
Verſprechungen an meiner Seite zu der Ueber-
eilung verleitet werden koͤnnte, deren jene ſie be-
ſchuldigten. Da ſie inzwiſchen dieſe Bewegungs-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/194>, abgerufen am 28.11.2024.
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