Hierauf las ich ihm die Abschriften von dem Briefe, welchen die Fräulein Charlotte Monta- gue, den 1ten August (*), an sie geschrieben, und worinn sie in unserer aller Namen sie um ihre Ver- bindung mit uns ersucht hatte: ob er mir gleich so sehr nachtheilig war.
Dieß verursachte, daß er geneigt ward, zu ge- denken, daß seine schöne Base ihren Widerwillen gegen mich zu weit triebe. Er hätte sich nicht vorgestellet, sagte er, daß es mir selbst oder unse- rer Familie so sehr ein Ernst gewesen wäre.
So siehst du, Belford, daß man nur über einen Theil einer Geschichte Anmerkungen ma- chen, und den andern weglassen darf: so wird allezeit aus einer schlimmen Sache eine gute wer- den. Was für einen bewundernswürdigen Sach- walter würde ich abgegeben haben! Und wie schlecht würde diese reizende Fräulein, mit aller ihrer Unschuld, gegen einen Menschen, der so viel für sich zu sagen und zu zeigen hätte, vor Ge- richt fortgekommen seyn.
Jch gab ihm nach diesem auch einen Wink von dem großmüthigen Erbieten zu einem jährli- chen Geschenk, welches der Lord M. und seine Schwestern seiner schönen Base gethan, aus Bey- sorge, sie möchte durch die Unversöhnlichkeit ihrer Freunde in Mangel gerathen.
Hierüber gab der Obrist ebenfalls ein großes Wohlgefallen zu erkennen, und hatte die Güte, das unglückliche Misverständniß zwischen den bey-
den
(*) Man sehe den VI Theil, S. 666.
Hierauf las ich ihm die Abſchriften von dem Briefe, welchen die Fraͤulein Charlotte Monta- gue, den 1ten Auguſt (*), an ſie geſchrieben, und worinn ſie in unſerer aller Namen ſie um ihre Ver- bindung mit uns erſucht hatte: ob er mir gleich ſo ſehr nachtheilig war.
Dieß verurſachte, daß er geneigt ward, zu ge- denken, daß ſeine ſchoͤne Baſe ihren Widerwillen gegen mich zu weit triebe. Er haͤtte ſich nicht vorgeſtellet, ſagte er, daß es mir ſelbſt oder unſe- rer Familie ſo ſehr ein Ernſt geweſen waͤre.
So ſiehſt du, Belford, daß man nur uͤber einen Theil einer Geſchichte Anmerkungen ma- chen, und den andern weglaſſen darf: ſo wird allezeit aus einer ſchlimmen Sache eine gute wer- den. Was fuͤr einen bewundernswuͤrdigen Sach- walter wuͤrde ich abgegeben haben! Und wie ſchlecht wuͤrde dieſe reizende Fraͤulein, mit aller ihrer Unſchuld, gegen einen Menſchen, der ſo viel fuͤr ſich zu ſagen und zu zeigen haͤtte, vor Ge- richt fortgekommen ſeyn.
Jch gab ihm nach dieſem auch einen Wink von dem großmuͤthigen Erbieten zu einem jaͤhrli- chen Geſchenk, welches der Lord M. und ſeine Schweſtern ſeiner ſchoͤnen Baſe gethan, aus Bey- ſorge, ſie moͤchte durch die Unverſoͤhnlichkeit ihrer Freunde in Mangel gerathen.
Hieruͤber gab der Obriſt ebenfalls ein großes Wohlgefallen zu erkennen, und hatte die Guͤte, das ungluͤckliche Misverſtaͤndniß zwiſchen den bey-
den
(*) Man ſehe den VI Theil, S. 666.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0220"n="214"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Hierauf las ich ihm die Abſchriften von dem<lb/>
Briefe, welchen die Fraͤulein Charlotte Monta-<lb/>
gue, den 1ten Auguſt <noteplace="foot"n="(*)">Man ſehe den <hirendition="#aq">VI</hi> Theil, S. 666.</note>, an ſie geſchrieben, und<lb/>
worinn ſie in unſerer aller Namen ſie um ihre Ver-<lb/>
bindung mit uns erſucht hatte: ob er mir gleich<lb/>ſo ſehr nachtheilig war.</p><lb/><p>Dieß verurſachte, daß er geneigt ward, zu ge-<lb/>
denken, daß ſeine ſchoͤne Baſe ihren Widerwillen<lb/>
gegen mich zu weit triebe. Er haͤtte ſich nicht<lb/>
vorgeſtellet, ſagte er, daß es mir ſelbſt oder unſe-<lb/>
rer Familie ſo ſehr ein Ernſt geweſen waͤre.</p><lb/><p>So ſiehſt du, Belford, daß man nur uͤber<lb/><hirendition="#fr">einen</hi> Theil einer Geſchichte Anmerkungen ma-<lb/>
chen, und <hirendition="#fr">den andern</hi> weglaſſen darf: ſo wird<lb/>
allezeit aus einer ſchlimmen Sache eine gute wer-<lb/>
den. Was fuͤr einen bewundernswuͤrdigen Sach-<lb/>
walter wuͤrde ich abgegeben haben! Und wie<lb/>ſchlecht wuͤrde dieſe reizende Fraͤulein, mit aller<lb/>
ihrer Unſchuld, gegen einen Menſchen, der ſo viel<lb/>
fuͤr ſich zu <hirendition="#fr">ſagen</hi> und zu <hirendition="#fr">zeigen</hi> haͤtte, vor Ge-<lb/>
richt fortgekommen ſeyn.</p><lb/><p>Jch gab ihm nach dieſem auch einen Wink<lb/>
von dem großmuͤthigen Erbieten zu einem jaͤhrli-<lb/>
chen Geſchenk, welches der Lord M. und ſeine<lb/>
Schweſtern ſeiner ſchoͤnen Baſe gethan, aus Bey-<lb/>ſorge, ſie moͤchte durch die Unverſoͤhnlichkeit ihrer<lb/>
Freunde in Mangel gerathen.</p><lb/><p>Hieruͤber gab der Obriſt ebenfalls ein großes<lb/>
Wohlgefallen zu erkennen, und hatte die Guͤte,<lb/>
das ungluͤckliche Misverſtaͤndniß zwiſchen den bey-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">den</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[214/0220]
Hierauf las ich ihm die Abſchriften von dem
Briefe, welchen die Fraͤulein Charlotte Monta-
gue, den 1ten Auguſt (*), an ſie geſchrieben, und
worinn ſie in unſerer aller Namen ſie um ihre Ver-
bindung mit uns erſucht hatte: ob er mir gleich
ſo ſehr nachtheilig war.
Dieß verurſachte, daß er geneigt ward, zu ge-
denken, daß ſeine ſchoͤne Baſe ihren Widerwillen
gegen mich zu weit triebe. Er haͤtte ſich nicht
vorgeſtellet, ſagte er, daß es mir ſelbſt oder unſe-
rer Familie ſo ſehr ein Ernſt geweſen waͤre.
So ſiehſt du, Belford, daß man nur uͤber
einen Theil einer Geſchichte Anmerkungen ma-
chen, und den andern weglaſſen darf: ſo wird
allezeit aus einer ſchlimmen Sache eine gute wer-
den. Was fuͤr einen bewundernswuͤrdigen Sach-
walter wuͤrde ich abgegeben haben! Und wie
ſchlecht wuͤrde dieſe reizende Fraͤulein, mit aller
ihrer Unſchuld, gegen einen Menſchen, der ſo viel
fuͤr ſich zu ſagen und zu zeigen haͤtte, vor Ge-
richt fortgekommen ſeyn.
Jch gab ihm nach dieſem auch einen Wink
von dem großmuͤthigen Erbieten zu einem jaͤhrli-
chen Geſchenk, welches der Lord M. und ſeine
Schweſtern ſeiner ſchoͤnen Baſe gethan, aus Bey-
ſorge, ſie moͤchte durch die Unverſoͤhnlichkeit ihrer
Freunde in Mangel gerathen.
Hieruͤber gab der Obriſt ebenfalls ein großes
Wohlgefallen zu erkennen, und hatte die Guͤte,
das ungluͤckliche Misverſtaͤndniß zwiſchen den bey-
den
(*) Man ſehe den VI Theil, S. 666.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/220>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.