hätte, daß sie der Mann wären, der sie nach dem, was ein jeder, welcher sie siehet, wünschen muß, seyn sollten. Wären sie aber der Mann ge- wesen: so würde ich für ein so vortreffliches Frauenzimmer ihnen keine Seele vorgezogen haben.
Mein Lord und ich vereinigten unsere Wün- sche mit den seinigen: und, bey meiner Treue, ich wünschte es recht von Herzen.
Der Obrist las den Brief zweymal über, und gab ihn mir darauf wieder zurück. Es ist mir alles ein Geheimniß, sagte er: ich kann nichts daraus machen. Denn, leider! ihre Freunde sind so wenig, als jemals, zu einer Aussöhnung geneigt.
Lord M. Das hätte ich nicht denken kön- nen. Aber meynen sie nicht, daß etwas sehr vor- theilhaftes für meinen Enkel in diesem Briefe sey? - - Etwas, das so aussieht, als wenn die Fräulein sich zuletzt gefällig erklären wollte.
Obr. Jch will sterben, wo ich weiß, was dar- aus zu machen ist. Dieser Brief ist von ihrem vorigen Schreiben gar sehr unterschieden! - - Sie haben doch eine Antwort darauf zurückge- schickt, Herr Lovelace?
Lovel. Eine Antwort, Herr Obrist! Daran ist nicht zu zweifeln. Und zwar eine Antwort, die vollkommen von meiner Entzückung zeugte. Jch meldete ihr "daß ich alsobald zu dem Lord M. "abreisen wollte, damit ich ihrem Willen Gehor- "sam leistete. Jch meldete ihr, daß ich in alles,
"was
haͤtte, daß ſie der Mann waͤren, der ſie nach dem, was ein jeder, welcher ſie ſiehet, wuͤnſchen muß, ſeyn ſollten. Waͤren ſie aber der Mann ge- weſen: ſo wuͤrde ich fuͤr ein ſo vortreffliches Frauenzimmer ihnen keine Seele vorgezogen haben.
Mein Lord und ich vereinigten unſere Wuͤn- ſche mit den ſeinigen: und, bey meiner Treue, ich wuͤnſchte es recht von Herzen.
Der Obriſt las den Brief zweymal uͤber, und gab ihn mir darauf wieder zuruͤck. Es iſt mir alles ein Geheimniß, ſagte er: ich kann nichts daraus machen. Denn, leider! ihre Freunde ſind ſo wenig, als jemals, zu einer Ausſoͤhnung geneigt.
Lord M. Das haͤtte ich nicht denken koͤn- nen. Aber meynen ſie nicht, daß etwas ſehr vor- theilhaftes fuͤr meinen Enkel in dieſem Briefe ſey? ‒ ‒ Etwas, das ſo ausſieht, als wenn die Fraͤulein ſich zuletzt gefaͤllig erklaͤren wollte.
Obr. Jch will ſterben, wo ich weiß, was dar- aus zu machen iſt. Dieſer Brief iſt von ihrem vorigen Schreiben gar ſehr unterſchieden! ‒ ‒ Sie haben doch eine Antwort darauf zuruͤckge- ſchickt, Herr Lovelace?
Lovel. Eine Antwort, Herr Obriſt! Daran iſt nicht zu zweifeln. Und zwar eine Antwort, die vollkommen von meiner Entzuͤckung zeugte. Jch meldete ihr „daß ich alſobald zu dem Lord M. „abreiſen wollte, damit ich ihrem Willen Gehor- „ſam leiſtete. Jch meldete ihr, daß ich in alles,
„was
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0225"n="219"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
haͤtte, daß ſie der Mann waͤren, der ſie nach dem,<lb/>
was ein jeder, welcher ſie ſiehet, wuͤnſchen muß,<lb/>ſeyn ſollten. <hirendition="#fr">Waͤren</hi>ſie aber der Mann <hirendition="#fr">ge-<lb/>
weſen:</hi>ſo wuͤrde ich fuͤr ein ſo vortreffliches<lb/>
Frauenzimmer ihnen keine Seele vorgezogen<lb/>
haben.</p><lb/><p>Mein Lord und ich vereinigten unſere Wuͤn-<lb/>ſche mit den ſeinigen: und, bey meiner Treue, ich<lb/>
wuͤnſchte es recht von Herzen.</p><lb/><p>Der Obriſt las den Brief zweymal uͤber,<lb/>
und gab ihn mir darauf wieder zuruͤck. Es iſt<lb/>
mir alles ein Geheimniß, ſagte er: ich kann nichts<lb/>
daraus machen. Denn, leider! ihre Freunde<lb/>ſind ſo wenig, als jemals, zu einer Ausſoͤhnung<lb/>
geneigt.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Lord M.</hi> Das haͤtte ich nicht denken koͤn-<lb/>
nen. Aber meynen ſie nicht, daß etwas ſehr vor-<lb/>
theilhaftes fuͤr meinen Enkel in dieſem Briefe<lb/>ſey? ‒‒ Etwas, das ſo ausſieht, als wenn die<lb/>
Fraͤulein ſich zuletzt gefaͤllig erklaͤren wollte.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Obr.</hi> Jch will ſterben, wo ich weiß, was dar-<lb/>
aus zu machen iſt. Dieſer Brief iſt von ihrem<lb/>
vorigen Schreiben gar ſehr unterſchieden! ‒‒<lb/>
Sie haben doch eine Antwort darauf zuruͤckge-<lb/>ſchickt, Herr Lovelace?</p><lb/><p><hirendition="#fr">Lovel.</hi> Eine Antwort, Herr Obriſt! Daran<lb/>
iſt nicht zu zweifeln. Und zwar eine Antwort,<lb/>
die vollkommen von meiner Entzuͤckung zeugte.<lb/>
Jch meldete ihr „daß ich alſobald zu dem Lord M.<lb/>„abreiſen wollte, damit ich ihrem Willen Gehor-<lb/>„ſam leiſtete. Jch meldete ihr, daß ich in alles,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">„was</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[219/0225]
haͤtte, daß ſie der Mann waͤren, der ſie nach dem,
was ein jeder, welcher ſie ſiehet, wuͤnſchen muß,
ſeyn ſollten. Waͤren ſie aber der Mann ge-
weſen: ſo wuͤrde ich fuͤr ein ſo vortreffliches
Frauenzimmer ihnen keine Seele vorgezogen
haben.
Mein Lord und ich vereinigten unſere Wuͤn-
ſche mit den ſeinigen: und, bey meiner Treue, ich
wuͤnſchte es recht von Herzen.
Der Obriſt las den Brief zweymal uͤber,
und gab ihn mir darauf wieder zuruͤck. Es iſt
mir alles ein Geheimniß, ſagte er: ich kann nichts
daraus machen. Denn, leider! ihre Freunde
ſind ſo wenig, als jemals, zu einer Ausſoͤhnung
geneigt.
Lord M. Das haͤtte ich nicht denken koͤn-
nen. Aber meynen ſie nicht, daß etwas ſehr vor-
theilhaftes fuͤr meinen Enkel in dieſem Briefe
ſey? ‒ ‒ Etwas, das ſo ausſieht, als wenn die
Fraͤulein ſich zuletzt gefaͤllig erklaͤren wollte.
Obr. Jch will ſterben, wo ich weiß, was dar-
aus zu machen iſt. Dieſer Brief iſt von ihrem
vorigen Schreiben gar ſehr unterſchieden! ‒ ‒
Sie haben doch eine Antwort darauf zuruͤckge-
ſchickt, Herr Lovelace?
Lovel. Eine Antwort, Herr Obriſt! Daran
iſt nicht zu zweifeln. Und zwar eine Antwort,
die vollkommen von meiner Entzuͤckung zeugte.
Jch meldete ihr „daß ich alſobald zu dem Lord M.
„abreiſen wollte, damit ich ihrem Willen Gehor-
„ſam leiſtete. Jch meldete ihr, daß ich in alles,
„was
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/225>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.