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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

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Jch habe nicht die geringste Ursache an Herrn
Lovelacens Aufrichtigkeit in seinen Erbietungen
zur Ehe zu zweifeln: auch daran nicht, daß alle
seine Verwandten ein herzliches Verlangen tra-
gen, mich in ihre Reihe aufzunehmen. Jch ha-
be edle Proben von Jhrer Achtung für mich ge-
habt; da sie besorgt gewesen sind, daß meines Va-
ters Unwillen mich einigen Schwierigkeiten un-
terworfen haben müßte: und dieß so gar, nach-
dem ich so wohl ihre inständige Bitten zum Vor-
theil ihres Verwandten, als dessen eignes Fle-
hen, schlechterdings abgeschlagen hatte.

Denken Sie auch nicht, mein werthester Herr
Vetter, daß ich tadelnswürdig sey, weil ich seine
Hand ausschlage. Jch hatte Herrn Lovelacen
keine Ursache gegeben, mich für eine Person voll
weibischer Schwachheiten anzusehen. Hätte ich
das gethan: so hätte ein Mensch von seiner Ge-
müthsart sich für berechtigt halten mögen, daß er
sich die Schwachheit, welche er einzuflößen ver-
mögend gewesen wäre, auf eine unedelmüthige
Weise zu Nutze zu machen suchte. Das Be-
wußtseyn meiner eignen Schwachheit hätte
mich, in dem Falle, zu einem Vertrag mit seiner
Bosheit bringen mögen.

Jch kann ihm allerdings vergeben. Aber
das kommt daher, weil ich glaube, daß seine La-
ster mich über ihm hinausgesetzet haben. Kann
ich nun wohl über denjenigen hinausgesetzet seyn,
mein Herr, dem ich meine Hand geben und Treue
geloben, und hiemit eine Rechtfertigung für die

vor-
Siebenter Theil. R


Jch habe nicht die geringſte Urſache an Herrn
Lovelacens Aufrichtigkeit in ſeinen Erbietungen
zur Ehe zu zweifeln: auch daran nicht, daß alle
ſeine Verwandten ein herzliches Verlangen tra-
gen, mich in ihre Reihe aufzunehmen. Jch ha-
be edle Proben von Jhrer Achtung fuͤr mich ge-
habt; da ſie beſorgt geweſen ſind, daß meines Va-
ters Unwillen mich einigen Schwierigkeiten un-
terworfen haben muͤßte: und dieß ſo gar, nach-
dem ich ſo wohl ihre inſtaͤndige Bitten zum Vor-
theil ihres Verwandten, als deſſen eignes Fle-
hen, ſchlechterdings abgeſchlagen hatte.

Denken Sie auch nicht, mein wertheſter Herr
Vetter, daß ich tadelnswuͤrdig ſey, weil ich ſeine
Hand ausſchlage. Jch hatte Herrn Lovelacen
keine Urſache gegeben, mich fuͤr eine Perſon voll
weibiſcher Schwachheiten anzuſehen. Haͤtte ich
das gethan: ſo haͤtte ein Menſch von ſeiner Ge-
muͤthsart ſich fuͤr berechtigt halten moͤgen, daß er
ſich die Schwachheit, welche er einzufloͤßen ver-
moͤgend geweſen waͤre, auf eine unedelmuͤthige
Weiſe zu Nutze zu machen ſuchte. Das Be-
wußtſeyn meiner eignen Schwachheit haͤtte
mich, in dem Falle, zu einem Vertrag mit ſeiner
Bosheit bringen moͤgen.

Jch kann ihm allerdings vergeben. Aber
das kommt daher, weil ich glaube, daß ſeine La-
ſter mich uͤber ihm hinausgeſetzet haben. Kann
ich nun wohl uͤber denjenigen hinausgeſetzet ſeyn,
mein Herr, dem ich meine Hand geben und Treue
geloben, und hiemit eine Rechtfertigung fuͤr die

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Siebenter Theil. R
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[257/0263] Jch habe nicht die geringſte Urſache an Herrn Lovelacens Aufrichtigkeit in ſeinen Erbietungen zur Ehe zu zweifeln: auch daran nicht, daß alle ſeine Verwandten ein herzliches Verlangen tra- gen, mich in ihre Reihe aufzunehmen. Jch ha- be edle Proben von Jhrer Achtung fuͤr mich ge- habt; da ſie beſorgt geweſen ſind, daß meines Va- ters Unwillen mich einigen Schwierigkeiten un- terworfen haben muͤßte: und dieß ſo gar, nach- dem ich ſo wohl ihre inſtaͤndige Bitten zum Vor- theil ihres Verwandten, als deſſen eignes Fle- hen, ſchlechterdings abgeſchlagen hatte. Denken Sie auch nicht, mein wertheſter Herr Vetter, daß ich tadelnswuͤrdig ſey, weil ich ſeine Hand ausſchlage. Jch hatte Herrn Lovelacen keine Urſache gegeben, mich fuͤr eine Perſon voll weibiſcher Schwachheiten anzuſehen. Haͤtte ich das gethan: ſo haͤtte ein Menſch von ſeiner Ge- muͤthsart ſich fuͤr berechtigt halten moͤgen, daß er ſich die Schwachheit, welche er einzufloͤßen ver- moͤgend geweſen waͤre, auf eine unedelmuͤthige Weiſe zu Nutze zu machen ſuchte. Das Be- wußtſeyn meiner eignen Schwachheit haͤtte mich, in dem Falle, zu einem Vertrag mit ſeiner Bosheit bringen moͤgen. Jch kann ihm allerdings vergeben. Aber das kommt daher, weil ich glaube, daß ſeine La- ſter mich uͤber ihm hinausgeſetzet haben. Kann ich nun wohl uͤber denjenigen hinausgeſetzet ſeyn, mein Herr, dem ich meine Hand geben und Treue geloben, und hiemit eine Rechtfertigung fuͤr die vor- Siebenter Theil. R

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/263>, abgerufen am 22.11.2024.