Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite



was seltsames, sagte sie, daß das Vergnügen, wel-
ches sie über den Brief von ihrem Vetter empfun-
den hätte, eine solche Wirkung über sie gehabt
haben sollte. Sie hätte aber einer Lust Verglei-
chungen anzustellen,
wie sie es nennen möchte,
den Zügel schießen lassen, und es für sehr hart an-
gesehen, daß ihre nähern Anverwandten es nicht
auf die Art, wie es ihr Vetter Morden angefan-
gen, mit ihr gemacht, daß sie sich nach dem, was
Gutes oder Böses an ihr wäre, erkundigt, und ihre
Sache vor der Verurtheilung unparteyisch gehöret
hätten.

Kaum hatte sie dieß gesagt, als sie stutzig
ward und sich eine Erröthung über ihr Gesicht
ausbreitete: weil sie so wohl, als ich, ein rumpeln-
des Geräusch auf den Treppen hörte, als wenn ein
großer Kasten zwischen zween Leuten heraufge-
bracht würde. Sie sahe mich mit einem beküm-
merten Auge an. Die einfältigen Leute! sprach
sie: sie haben etwas zwo Stunden vor der Zeit
hergebracht - - Erschrecken sie nicht, mein Herr:
es geschieht alles, ihnen Mühe und Unruhe zu
ersparen.

Ehe ich sprechen konnte, kam Fr. Smihinn
herein. O gnädige Fräulein, sagte sie, was haben
sie gemacht? - - Fr. Lovick trat herein und rief
eben so aus. Gott sey mir gnädig, wertheste
Fräulein, schriee ich, was haben sie gemacht! - -
Denn, da sie in dem Augenblick zur Thüre ging,
erzählten die Frauensleute, daß es ein Sarg wäre.
- - O Lovelace! daß du doch den Augenblick da

gewesen



was ſeltſames, ſagte ſie, daß das Vergnuͤgen, wel-
ches ſie uͤber den Brief von ihrem Vetter empfun-
den haͤtte, eine ſolche Wirkung uͤber ſie gehabt
haben ſollte. Sie haͤtte aber einer Luſt Verglei-
chungen anzuſtellen,
wie ſie es nennen moͤchte,
den Zuͤgel ſchießen laſſen, und es fuͤr ſehr hart an-
geſehen, daß ihre naͤhern Anverwandten es nicht
auf die Art, wie es ihr Vetter Morden angefan-
gen, mit ihr gemacht, daß ſie ſich nach dem, was
Gutes oder Boͤſes an ihr waͤre, erkundigt, und ihre
Sache vor der Verurtheilung unparteyiſch gehoͤret
haͤtten.

Kaum hatte ſie dieß geſagt, als ſie ſtutzig
ward und ſich eine Erroͤthung uͤber ihr Geſicht
ausbreitete: weil ſie ſo wohl, als ich, ein rumpeln-
des Geraͤuſch auf den Treppen hoͤrte, als wenn ein
großer Kaſten zwiſchen zween Leuten heraufge-
bracht wuͤrde. Sie ſahe mich mit einem bekuͤm-
merten Auge an. Die einfaͤltigen Leute! ſprach
ſie: ſie haben etwas zwo Stunden vor der Zeit
hergebracht ‒ ‒ Erſchrecken ſie nicht, mein Herr:
es geſchieht alles, ihnen Muͤhe und Unruhe zu
erſparen.

Ehe ich ſprechen konnte, kam Fr. Smihinn
herein. O gnaͤdige Fraͤulein, ſagte ſie, was haben
ſie gemacht? ‒ ‒ Fr. Lovick trat herein und rief
eben ſo aus. Gott ſey mir gnaͤdig, wertheſte
Fraͤulein, ſchriee ich, was haben ſie gemacht! ‒ ‒
Denn, da ſie in dem Augenblick zur Thuͤre ging,
erzaͤhlten die Frauensleute, daß es ein Sarg waͤre.
‒ ‒ O Lovelace! daß du doch den Augenblick da

geweſen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0274" n="268"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
was &#x017F;elt&#x017F;ames, &#x017F;agte &#x017F;ie, daß das Vergnu&#x0364;gen, wel-<lb/>
ches &#x017F;ie u&#x0364;ber den Brief von ihrem Vetter empfun-<lb/>
den ha&#x0364;tte, eine &#x017F;olche Wirkung u&#x0364;ber &#x017F;ie gehabt<lb/>
haben &#x017F;ollte. Sie ha&#x0364;tte aber einer Lu&#x017F;t <hi rendition="#fr">Verglei-<lb/>
chungen anzu&#x017F;tellen,</hi> wie &#x017F;ie es nennen mo&#x0364;chte,<lb/>
den Zu&#x0364;gel &#x017F;chießen la&#x017F;&#x017F;en, und es fu&#x0364;r &#x017F;ehr hart an-<lb/>
ge&#x017F;ehen, daß ihre na&#x0364;hern Anverwandten es nicht<lb/>
auf die Art, wie es ihr Vetter Morden angefan-<lb/>
gen, mit ihr gemacht, daß &#x017F;ie &#x017F;ich nach dem, was<lb/>
Gutes oder Bo&#x0364;&#x017F;es an ihr wa&#x0364;re, erkundigt, und ihre<lb/>
Sache vor der Verurtheilung unparteyi&#x017F;ch geho&#x0364;ret<lb/>
ha&#x0364;tten.</p><lb/>
          <p>Kaum hatte &#x017F;ie dieß ge&#x017F;agt, als &#x017F;ie &#x017F;tutzig<lb/>
ward und &#x017F;ich eine Erro&#x0364;thung u&#x0364;ber ihr Ge&#x017F;icht<lb/>
ausbreitete: weil &#x017F;ie &#x017F;o wohl, als ich, ein rumpeln-<lb/>
des Gera&#x0364;u&#x017F;ch auf den Treppen ho&#x0364;rte, als wenn ein<lb/>
großer Ka&#x017F;ten zwi&#x017F;chen zween Leuten heraufge-<lb/>
bracht wu&#x0364;rde. Sie &#x017F;ahe mich mit einem beku&#x0364;m-<lb/>
merten Auge an. Die einfa&#x0364;ltigen Leute! &#x017F;prach<lb/>
&#x017F;ie: &#x017F;ie haben etwas zwo Stunden vor der Zeit<lb/>
hergebracht &#x2012; &#x2012; Er&#x017F;chrecken &#x017F;ie nicht, mein Herr:<lb/>
es ge&#x017F;chieht alles, <hi rendition="#fr">ihnen</hi> Mu&#x0364;he und Unruhe zu<lb/>
er&#x017F;paren.</p><lb/>
          <p>Ehe ich &#x017F;prechen konnte, kam Fr. Smihinn<lb/>
herein. O gna&#x0364;dige Fra&#x0364;ulein, &#x017F;agte &#x017F;ie, was haben<lb/>
&#x017F;ie gemacht? &#x2012; &#x2012; Fr. Lovick trat herein und rief<lb/>
eben &#x017F;o aus. Gott &#x017F;ey mir gna&#x0364;dig, werthe&#x017F;te<lb/>
Fra&#x0364;ulein, &#x017F;chriee ich, was haben &#x017F;ie gemacht! &#x2012; &#x2012;<lb/>
Denn, da &#x017F;ie in dem Augenblick zur Thu&#x0364;re ging,<lb/>
erza&#x0364;hlten die Frauensleute, daß es ein Sarg wa&#x0364;re.<lb/>
&#x2012; &#x2012; O Lovelace! daß du doch den Augenblick da<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gewe&#x017F;en</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[268/0274] was ſeltſames, ſagte ſie, daß das Vergnuͤgen, wel- ches ſie uͤber den Brief von ihrem Vetter empfun- den haͤtte, eine ſolche Wirkung uͤber ſie gehabt haben ſollte. Sie haͤtte aber einer Luſt Verglei- chungen anzuſtellen, wie ſie es nennen moͤchte, den Zuͤgel ſchießen laſſen, und es fuͤr ſehr hart an- geſehen, daß ihre naͤhern Anverwandten es nicht auf die Art, wie es ihr Vetter Morden angefan- gen, mit ihr gemacht, daß ſie ſich nach dem, was Gutes oder Boͤſes an ihr waͤre, erkundigt, und ihre Sache vor der Verurtheilung unparteyiſch gehoͤret haͤtten. Kaum hatte ſie dieß geſagt, als ſie ſtutzig ward und ſich eine Erroͤthung uͤber ihr Geſicht ausbreitete: weil ſie ſo wohl, als ich, ein rumpeln- des Geraͤuſch auf den Treppen hoͤrte, als wenn ein großer Kaſten zwiſchen zween Leuten heraufge- bracht wuͤrde. Sie ſahe mich mit einem bekuͤm- merten Auge an. Die einfaͤltigen Leute! ſprach ſie: ſie haben etwas zwo Stunden vor der Zeit hergebracht ‒ ‒ Erſchrecken ſie nicht, mein Herr: es geſchieht alles, ihnen Muͤhe und Unruhe zu erſparen. Ehe ich ſprechen konnte, kam Fr. Smihinn herein. O gnaͤdige Fraͤulein, ſagte ſie, was haben ſie gemacht? ‒ ‒ Fr. Lovick trat herein und rief eben ſo aus. Gott ſey mir gnaͤdig, wertheſte Fraͤulein, ſchriee ich, was haben ſie gemacht! ‒ ‒ Denn, da ſie in dem Augenblick zur Thuͤre ging, erzaͤhlten die Frauensleute, daß es ein Sarg waͤre. ‒ ‒ O Lovelace! daß du doch den Augenblick da geweſen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/274
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/274>, abgerufen am 22.11.2024.