chen des Pfarrers von dem Kirchspiel begnügen lassen, und es nicht wagen, auszugehen. Sie wird auch wohl, in der That, wie ich besorge, nie- mals wieder eine Treppe auf oder nieder steigen.
Es kränkt mich bis in die Seele, daß ich dieß sagen muß: allein es würde eine Thorheit seyn, dir mit falscher Hoffnung zu schmeicheln.
Was deinen Besuch bey ihr betrifft: so glau- be ich, daß der geringste Wink von der Art, den sie bekommen könnte, itzo einige Stunden von ih- rem Leben abschneiden würde.
Was zu ihrer Beruhigung etwas beygetra- gen, das scheint, ist dieses, daß sie sich die War- nung, welche ihr ihre Ohnmachten gegeben haben, zu Nutze gemacht, und deswegen ihren letzten Willen zu Ende gebracht, unterzeichnet und be- siegelt hat. Das hatte sie bisher aufgeschoben, in der Hoffnung, wie sie sagte, einige gute Zeitun- gen von Harlowe-Burg zu bekommen: welches die Veränderung einiger Stellen in demselben ver- anlasset haben würde.
Der Brief von der Fräulein Howe ward ihr nicht eher, als gestern, Nachmittags um vier, über- geben: zu welcher Zeit der Bothe wiederkam ei- ne Antwort abzuholen. Sie ließ ihn in den Speisesaal vor sich kommen, so schlecht sie sich auch befand; und würde gern ein paar Zeilen, nach dem Verlangen der Fräulein Howe, geschrie- ben haben: weil sie aber nicht im Stande war, eine Feder zu halten; so trug sie dem Bothen auf, ihr zu melden, daß sie hoffete, sie würde sich
gut
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chen des Pfarrers von dem Kirchſpiel begnuͤgen laſſen, und es nicht wagen, auszugehen. Sie wird auch wohl, in der That, wie ich beſorge, nie- mals wieder eine Treppe auf oder nieder ſteigen.
Es kraͤnkt mich bis in die Seele, daß ich dieß ſagen muß: allein es wuͤrde eine Thorheit ſeyn, dir mit falſcher Hoffnung zu ſchmeicheln.
Was deinen Beſuch bey ihr betrifft: ſo glau- be ich, daß der geringſte Wink von der Art, den ſie bekommen koͤnnte, itzo einige Stunden von ih- rem Leben abſchneiden wuͤrde.
Was zu ihrer Beruhigung etwas beygetra- gen, das ſcheint, iſt dieſes, daß ſie ſich die War- nung, welche ihr ihre Ohnmachten gegeben haben, zu Nutze gemacht, und deswegen ihren letzten Willen zu Ende gebracht, unterzeichnet und be- ſiegelt hat. Das hatte ſie bisher aufgeſchoben, in der Hoffnung, wie ſie ſagte, einige gute Zeitun- gen von Harlowe-Burg zu bekommen: welches die Veraͤnderung einiger Stellen in demſelben ver- anlaſſet haben wuͤrde.
Der Brief von der Fraͤulein Howe ward ihr nicht eher, als geſtern, Nachmittags um vier, uͤber- geben: zu welcher Zeit der Bothe wiederkam ei- ne Antwort abzuholen. Sie ließ ihn in den Speiſeſaal vor ſich kommen, ſo ſchlecht ſie ſich auch befand; und wuͤrde gern ein paar Zeilen, nach dem Verlangen der Fraͤulein Howe, geſchrie- ben haben: weil ſie aber nicht im Stande war, eine Feder zu halten; ſo trug ſie dem Bothen auf, ihr zu melden, daß ſie hoffete, ſie wuͤrde ſich
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chen des Pfarrers von dem Kirchſpiel begnuͤgen
laſſen, und es nicht wagen, auszugehen. Sie
wird auch wohl, in der That, wie ich beſorge, nie-
mals wieder eine Treppe auf oder nieder ſteigen.
Es kraͤnkt mich bis in die Seele, daß ich dieß
ſagen muß: allein es wuͤrde eine Thorheit ſeyn,
dir mit falſcher Hoffnung zu ſchmeicheln.
Was deinen Beſuch bey ihr betrifft: ſo glau-
be ich, daß der geringſte Wink von der Art, den
ſie bekommen koͤnnte, itzo einige Stunden von ih-
rem Leben abſchneiden wuͤrde.
Was zu ihrer Beruhigung etwas beygetra-
gen, das ſcheint, iſt dieſes, daß ſie ſich die War-
nung, welche ihr ihre Ohnmachten gegeben haben,
zu Nutze gemacht, und deswegen ihren letzten
Willen zu Ende gebracht, unterzeichnet und be-
ſiegelt hat. Das hatte ſie bisher aufgeſchoben,
in der Hoffnung, wie ſie ſagte, einige gute Zeitun-
gen von Harlowe-Burg zu bekommen: welches
die Veraͤnderung einiger Stellen in demſelben ver-
anlaſſet haben wuͤrde.
Der Brief von der Fraͤulein Howe ward ihr
nicht eher, als geſtern, Nachmittags um vier, uͤber-
geben: zu welcher Zeit der Bothe wiederkam ei-
ne Antwort abzuholen. Sie ließ ihn in den
Speiſeſaal vor ſich kommen, ſo ſchlecht ſie ſich
auch befand; und wuͤrde gern ein paar Zeilen,
nach dem Verlangen der Fraͤulein Howe, geſchrie-
ben haben: weil ſie aber nicht im Stande war,
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/297>, abgerufen am 22.11.2024.
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