Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite



sammlung zugestanden war. Denn Jhr Bruder
hatte vorher alle Unterredung mit ihm von der
empfindlichen Sache sorgfältig vermieden: indem
er darauf bestanden, daß es nicht nöthig wäre,
mit dem Herrn Morden davon zu sprechen, der
als ein weitläuftigerer Verwandter nicht befugt
wäre, sich zum Richter über ihr Verhalten gegen
ihre Tochter, ihre Base und ihre Schwester auf-
zuwerfen; sonderlich da er sich für dieselbe erklä-
ret hätte. Ja er hatte noch hinzugefügt, daß er
schwerlich Gedult haben würde, sich von ihm dar-
über befragen zu lassen.

Jch machte mir Hoffnung, daß Jhre Frau
Mutter mir Gelegenheit geben würde, ehe die Ge-
sellschaft zusammen käme, mit ihr allein zu reden:
aber sie schien es mit Fleiß zu vermeiden; jedoch
darf ich wohl sagen, nicht mit ihrem guten
Willen.

Jch ward nur eben vorher, ehe Herr Morden
kam, hereingefordert, und bekam Befehl, mich zu
setzen. - - Das that ich, und ging am Fenster
sitzen.

Der Obrist fing, so bald als er kam, die Un-
terredung damit an, daß er seine Fürbitte für Sie
erneurte, wie er sagte. Er stellte ihnen Jhre
Reue vor, Jhren schlechten Zustand der Gesund-
heit, Jhre Tugend, ob sie gleich einmal berücket
und schändlich gemishandelt wäre. Er las ihnen
ferner den Brief von Herrn Lovelace, der in der
That mit der größten Reue geschrieben ist (*);

er
(*) Man sehe den VI Theil, S. 712.



ſammlung zugeſtanden war. Denn Jhr Bruder
hatte vorher alle Unterredung mit ihm von der
empfindlichen Sache ſorgfaͤltig vermieden: indem
er darauf beſtanden, daß es nicht noͤthig waͤre,
mit dem Herrn Morden davon zu ſprechen, der
als ein weitlaͤuftigerer Verwandter nicht befugt
waͤre, ſich zum Richter uͤber ihr Verhalten gegen
ihre Tochter, ihre Baſe und ihre Schweſter auf-
zuwerfen; ſonderlich da er ſich fuͤr dieſelbe erklaͤ-
ret haͤtte. Ja er hatte noch hinzugefuͤgt, daß er
ſchwerlich Gedult haben wuͤrde, ſich von ihm dar-
uͤber befragen zu laſſen.

Jch machte mir Hoffnung, daß Jhre Frau
Mutter mir Gelegenheit geben wuͤrde, ehe die Ge-
ſellſchaft zuſammen kaͤme, mit ihr allein zu reden:
aber ſie ſchien es mit Fleiß zu vermeiden; jedoch
darf ich wohl ſagen, nicht mit ihrem guten
Willen.

Jch ward nur eben vorher, ehe Herr Morden
kam, hereingefordert, und bekam Befehl, mich zu
ſetzen. ‒ ‒ Das that ich, und ging am Fenſter
ſitzen.

Der Obriſt fing, ſo bald als er kam, die Un-
terredung damit an, daß er ſeine Fuͤrbitte fuͤr Sie
erneurte, wie er ſagte. Er ſtellte ihnen Jhre
Reue vor, Jhren ſchlechten Zuſtand der Geſund-
heit, Jhre Tugend, ob ſie gleich einmal beruͤcket
und ſchaͤndlich gemishandelt waͤre. Er las ihnen
ferner den Brief von Herrn Lovelace, der in der
That mit der groͤßten Reue geſchrieben iſt (*);

er
(*) Man ſehe den VI Theil, S. 712.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0332" n="326"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
&#x017F;ammlung zuge&#x017F;tanden war. Denn Jhr Bruder<lb/>
hatte vorher alle Unterredung mit ihm von der<lb/>
empfindlichen Sache &#x017F;orgfa&#x0364;ltig vermieden: indem<lb/>
er darauf be&#x017F;tanden, daß es nicht no&#x0364;thig wa&#x0364;re,<lb/>
mit dem Herrn Morden davon zu &#x017F;prechen, der<lb/>
als ein weitla&#x0364;uftigerer Verwandter nicht befugt<lb/>
wa&#x0364;re, &#x017F;ich zum Richter u&#x0364;ber ihr Verhalten gegen<lb/>
ihre Tochter, ihre Ba&#x017F;e und ihre Schwe&#x017F;ter auf-<lb/>
zuwerfen; &#x017F;onderlich da er &#x017F;ich fu&#x0364;r die&#x017F;elbe erkla&#x0364;-<lb/>
ret ha&#x0364;tte. Ja er hatte noch hinzugefu&#x0364;gt, daß er<lb/>
&#x017F;chwerlich Gedult haben wu&#x0364;rde, &#x017F;ich von ihm dar-<lb/>
u&#x0364;ber befragen zu la&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
            <p>Jch machte mir Hoffnung, daß Jhre Frau<lb/>
Mutter mir Gelegenheit geben wu&#x0364;rde, ehe die Ge-<lb/>
&#x017F;ell&#x017F;chaft zu&#x017F;ammen ka&#x0364;me, mit ihr allein zu reden:<lb/>
aber &#x017F;ie &#x017F;chien es mit Fleiß zu vermeiden; jedoch<lb/>
darf ich wohl &#x017F;agen, nicht mit ihrem guten<lb/>
Willen.</p><lb/>
            <p>Jch ward nur eben vorher, ehe Herr Morden<lb/>
kam, hereingefordert, und bekam Befehl, mich zu<lb/>
&#x017F;etzen. &#x2012; &#x2012; Das that ich, und ging am Fen&#x017F;ter<lb/>
&#x017F;itzen.</p><lb/>
            <p>Der Obri&#x017F;t fing, &#x017F;o bald als er kam, die Un-<lb/>
terredung damit an, daß er &#x017F;eine Fu&#x0364;rbitte fu&#x0364;r Sie<lb/><hi rendition="#fr">erneurte,</hi> wie er &#x017F;agte. Er &#x017F;tellte ihnen Jhre<lb/>
Reue vor, Jhren &#x017F;chlechten Zu&#x017F;tand der Ge&#x017F;und-<lb/>
heit, Jhre Tugend, ob &#x017F;ie gleich einmal beru&#x0364;cket<lb/>
und &#x017F;cha&#x0364;ndlich gemishandelt wa&#x0364;re. Er las ihnen<lb/>
ferner den Brief von Herrn Lovelace, der in der<lb/>
That mit der gro&#x0364;ßten Reue ge&#x017F;chrieben i&#x017F;t <note place="foot" n="(*)">Man &#x017F;ehe den <hi rendition="#aq">VI</hi> Theil, S. 712.</note>;<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">er</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[326/0332] ſammlung zugeſtanden war. Denn Jhr Bruder hatte vorher alle Unterredung mit ihm von der empfindlichen Sache ſorgfaͤltig vermieden: indem er darauf beſtanden, daß es nicht noͤthig waͤre, mit dem Herrn Morden davon zu ſprechen, der als ein weitlaͤuftigerer Verwandter nicht befugt waͤre, ſich zum Richter uͤber ihr Verhalten gegen ihre Tochter, ihre Baſe und ihre Schweſter auf- zuwerfen; ſonderlich da er ſich fuͤr dieſelbe erklaͤ- ret haͤtte. Ja er hatte noch hinzugefuͤgt, daß er ſchwerlich Gedult haben wuͤrde, ſich von ihm dar- uͤber befragen zu laſſen. Jch machte mir Hoffnung, daß Jhre Frau Mutter mir Gelegenheit geben wuͤrde, ehe die Ge- ſellſchaft zuſammen kaͤme, mit ihr allein zu reden: aber ſie ſchien es mit Fleiß zu vermeiden; jedoch darf ich wohl ſagen, nicht mit ihrem guten Willen. Jch ward nur eben vorher, ehe Herr Morden kam, hereingefordert, und bekam Befehl, mich zu ſetzen. ‒ ‒ Das that ich, und ging am Fenſter ſitzen. Der Obriſt fing, ſo bald als er kam, die Un- terredung damit an, daß er ſeine Fuͤrbitte fuͤr Sie erneurte, wie er ſagte. Er ſtellte ihnen Jhre Reue vor, Jhren ſchlechten Zuſtand der Geſund- heit, Jhre Tugend, ob ſie gleich einmal beruͤcket und ſchaͤndlich gemishandelt waͤre. Er las ihnen ferner den Brief von Herrn Lovelace, der in der That mit der groͤßten Reue geſchrieben iſt (*); er (*) Man ſehe den VI Theil, S. 712.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/332
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/332>, abgerufen am 25.11.2024.