hinterbringen. Allein was heißt das, wenn ich bereits die ganze Welt, sie ausgenommen - - mich selbst am meisten, verfluche?
Am Ende bin ich das kläglichste Wesen. Das Leben ist mir eine Last. Jch wollte es auf diesem Fuß nicht eine Woche mehr ertragen; mein Schicksal möchte seyn, was es wollte: denn es hat sich schon eine Hölle in meinem Gemüthe angefangen. Niemals gedenke gegen mich des Gefängnisses weiter; es sey nun sie, oder wer es wolle, der dasselbe nenne - - Jch kann es nicht ertragen - - O daß eiligst die Verdammniß das verfluchte Weib ergreifen möchte, das den Tod hat reizen können, den weiten Schritt zu thun, wie sich das liebe Kind ausdrücket! - - Jch hat- te keine Schuld daran. Aber ihre Verwandten, ihre unversöhnliche Verwandten, haben es ge- macht. Sonst würde alles überstanden seyn. Berede mich ja nicht eines andern. Das Ju- gendfeuer und die Heftigkeit der Liebe würde bey einer Person von einem Geschlechte, das es gerne siehet, wenn man ihm eine feurige, ja so gar eine stürmische Neigung bezeiget, nicht vergebens das Wort für mich geredet haben: wäre diese Grau- samkeit und Unversöhnlichkeit nicht gewesen, wel- che, wenn man die Person und die Reue beden- ket, ihres gleichen nicht finden, und die Abscheu- lichkeit meiner Fehler vergrößert haben.
Da ich nicht im Stande bin, zu ruhen, ob ich gleich nicht eher als um zwey zu Bette gegan-
gen:
B b 3
hinterbringen. Allein was heißt das, wenn ich bereits die ganze Welt, ſie ausgenommen ‒ ‒ mich ſelbſt am meiſten, verfluche?
Am Ende bin ich das klaͤglichſte Weſen. Das Leben iſt mir eine Laſt. Jch wollte es auf dieſem Fuß nicht eine Woche mehr ertragen; mein Schickſal moͤchte ſeyn, was es wollte: denn es hat ſich ſchon eine Hoͤlle in meinem Gemuͤthe angefangen. Niemals gedenke gegen mich des Gefaͤngniſſes weiter; es ſey nun ſie, oder wer es wolle, der daſſelbe nenne ‒ ‒ Jch kann es nicht ertragen ‒ ‒ O daß eiligſt die Verdammniß das verfluchte Weib ergreifen moͤchte, das den Tod hat reizen koͤnnen, den weiten Schritt zu thun, wie ſich das liebe Kind ausdruͤcket! ‒ ‒ Jch hat- te keine Schuld daran. Aber ihre Verwandten, ihre unverſoͤhnliche Verwandten, haben es ge- macht. Sonſt wuͤrde alles uͤberſtanden ſeyn. Berede mich ja nicht eines andern. Das Ju- gendfeuer und die Heftigkeit der Liebe wuͤrde bey einer Perſon von einem Geſchlechte, das es gerne ſiehet, wenn man ihm eine feurige, ja ſo gar eine ſtuͤrmiſche Neigung bezeiget, nicht vergebens das Wort fuͤr mich geredet haben: waͤre dieſe Grau- ſamkeit und Unverſoͤhnlichkeit nicht geweſen, wel- che, wenn man die Perſon und die Reue beden- ket, ihres gleichen nicht finden, und die Abſcheu- lichkeit meiner Fehler vergroͤßert haben.
Da ich nicht im Stande bin, zu ruhen, ob ich gleich nicht eher als um zwey zu Bette gegan-
gen:
B b 3
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hinterbringen. Allein was heißt das, wenn ich
bereits die ganze Welt, ſie ausgenommen ‒ ‒
mich ſelbſt am meiſten, verfluche?
Am Ende bin ich das klaͤglichſte Weſen.
Das Leben iſt mir eine Laſt. Jch wollte es auf
dieſem Fuß nicht eine Woche mehr ertragen;
mein Schickſal moͤchte ſeyn, was es wollte: denn
es hat ſich ſchon eine Hoͤlle in meinem Gemuͤthe
angefangen. Niemals gedenke gegen mich des
Gefaͤngniſſes weiter; es ſey nun ſie, oder wer
es wolle, der daſſelbe nenne ‒ ‒ Jch kann es nicht
ertragen ‒ ‒ O daß eiligſt die Verdammniß das
verfluchte Weib ergreifen moͤchte, das den Tod
hat reizen koͤnnen, den weiten Schritt zu thun,
wie ſich das liebe Kind ausdruͤcket! ‒ ‒ Jch hat-
te keine Schuld daran. Aber ihre Verwandten,
ihre unverſoͤhnliche Verwandten, haben es ge-
macht. Sonſt wuͤrde alles uͤberſtanden ſeyn.
Berede mich ja nicht eines andern. Das Ju-
gendfeuer und die Heftigkeit der Liebe wuͤrde bey
einer Perſon von einem Geſchlechte, das es gerne
ſiehet, wenn man ihm eine feurige, ja ſo gar eine
ſtuͤrmiſche Neigung bezeiget, nicht vergebens das
Wort fuͤr mich geredet haben: waͤre dieſe Grau-
ſamkeit und Unverſoͤhnlichkeit nicht geweſen, wel-
che, wenn man die Perſon und die Reue beden-
ket, ihres gleichen nicht finden, und die Abſcheu-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/395>, abgerufen am 22.11.2024.
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