habe, unter einem von den Fenstern stehet, gesetzet war. Diese spanische Wand war zu der Zeit da- hin gestellt, da sie sich genöthigt gefunden, sich in ihrer Kammer zu halten: und bey der Heftigkeit unserer Betrübniß, und der Menge anderer Ge- spräche bey unserer ersten Zusammenkunft, hatte ich vergessen, dem Obristen Meldung von einer Sache zu thun, die er nach aller Wahrscheinlich- keit sehen würde.
Jndem er sich dahin begab, zog er sein Schnupftuch aus, und schien vor überströmender Traurigkeit nicht vermögend zu sprechen. Als er aber sein Auge hinter die spanische Wand warf, brach er bald das Stillschweigen. Denn da ihn die Gestalt des Sarges stutzig machte, hub er ei- ne purpurfarbene Decke auf, die über dasselbe ge- breitet war, fuhr darauf wieder zurück, und sag- te: Lieber Gott, was ist hier!
Weil Fr. Smithinn am nächsten bey ihm stand: sprach er mit großer Heftigkeit: Warum läßt man meine Base ihren betrübten Gedanken bey einem solchen Gegenstande vor ihren Augen nachhängen?
Ach! mein Herr, antwortete die gute Frau, wer sollte ihr Einrede thun? Wir sind alle ge- wissermaßen Fremde um sie: und dennoch haben wir bey dem traurigen Vorfall einen Wortwech- sel mit ihr gehabt.
Jch hätte ihnen billig hievon Nachricht geben sol- len, sagte ich, indem ich leise zu ihm hinauf trat, weil die Fräulein wieder in einen Schlummer fiel. Jch
war
habe, unter einem von den Fenſtern ſtehet, geſetzet war. Dieſe ſpaniſche Wand war zu der Zeit da- hin geſtellt, da ſie ſich genoͤthigt gefunden, ſich in ihrer Kammer zu halten: und bey der Heftigkeit unſerer Betruͤbniß, und der Menge anderer Ge- ſpraͤche bey unſerer erſten Zuſammenkunft, hatte ich vergeſſen, dem Obriſten Meldung von einer Sache zu thun, die er nach aller Wahrſcheinlich- keit ſehen wuͤrde.
Jndem er ſich dahin begab, zog er ſein Schnupftuch aus, und ſchien vor uͤberſtroͤmender Traurigkeit nicht vermoͤgend zu ſprechen. Als er aber ſein Auge hinter die ſpaniſche Wand warf, brach er bald das Stillſchweigen. Denn da ihn die Geſtalt des Sarges ſtutzig machte, hub er ei- ne purpurfarbene Decke auf, die uͤber daſſelbe ge- breitet war, fuhr darauf wieder zuruͤck, und ſag- te: Lieber Gott, was iſt hier!
Weil Fr. Smithinn am naͤchſten bey ihm ſtand: ſprach er mit großer Heftigkeit: Warum laͤßt man meine Baſe ihren betruͤbten Gedanken bey einem ſolchen Gegenſtande vor ihren Augen nachhaͤngen?
Ach! mein Herr, antwortete die gute Frau, wer ſollte ihr Einrede thun? Wir ſind alle ge- wiſſermaßen Fremde um ſie: und dennoch haben wir bey dem traurigen Vorfall einen Wortwech- ſel mit ihr gehabt.
Jch haͤtte ihnen billig hievon Nachricht geben ſol- len, ſagte ich, indem ich leiſe zu ihm hinauf trat, weil die Fraͤulein wieder in einen Schlummer fiel. Jch
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habe, unter einem von den Fenſtern ſtehet, geſetzet
war. Dieſe ſpaniſche Wand war zu der Zeit da-
hin geſtellt, da ſie ſich genoͤthigt gefunden, ſich in
ihrer Kammer zu halten: und bey der Heftigkeit
unſerer Betruͤbniß, und der Menge anderer Ge-
ſpraͤche bey unſerer erſten Zuſammenkunft, hatte
ich vergeſſen, dem Obriſten Meldung von einer
Sache zu thun, die er nach aller Wahrſcheinlich-
keit ſehen wuͤrde.
Jndem er ſich dahin begab, zog er ſein
Schnupftuch aus, und ſchien vor uͤberſtroͤmender
Traurigkeit nicht vermoͤgend zu ſprechen. Als er
aber ſein Auge hinter die ſpaniſche Wand warf,
brach er bald das Stillſchweigen. Denn da ihn
die Geſtalt des Sarges ſtutzig machte, hub er ei-
ne purpurfarbene Decke auf, die uͤber daſſelbe ge-
breitet war, fuhr darauf wieder zuruͤck, und ſag-
te: Lieber Gott, was iſt hier!
Weil Fr. Smithinn am naͤchſten bey ihm
ſtand: ſprach er mit großer Heftigkeit: Warum
laͤßt man meine Baſe ihren betruͤbten Gedanken
bey einem ſolchen Gegenſtande vor ihren Augen
nachhaͤngen?
Ach! mein Herr, antwortete die gute Frau,
wer ſollte ihr Einrede thun? Wir ſind alle ge-
wiſſermaßen Fremde um ſie: und dennoch haben
wir bey dem traurigen Vorfall einen Wortwech-
ſel mit ihr gehabt.
Jch haͤtte ihnen billig hievon Nachricht geben ſol-
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die Fraͤulein wieder in einen Schlummer fiel. Jch
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/433>, abgerufen am 22.11.2024.
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