Der neun und funfzigste Brief von Herrn Mowbray an Hrn. Joh. Belford.
Urbridge, den 7ten Sept. zwischen eilf und zwölfen, des Abends.
Lieber Bruder.
Jch schriebe auf des armen Lovelacens Verlan- gen, um eine genauere Auslegung über den unglücklichen kurzen Begriff von einem Briefe, den du ihm diesen Abend zugeschickt hast, zu for- dern. Es ist ihm unerträglich, eine Feder anzu- setzen: und dennoch will er gern einen jeden klei- nen Umstand von dem Abschiede der Fräulein Harlowe wissen. Aber, warum er es wollen soll- te, kann ich nicht sehen. Denn ist sie hin: so ist sie hin; und wer kann sich helfen?
Jch habe niemals in meinem Leben von ei- nem solchen Frauenzimmer gehöret. Was hat sie sonderliches gelitten, daß der Kummer sie so uns Leben bringen sollte?
Jch wollte wünschen, daß der arme Kerl sie niemals gekannt hätte. Was für Unruhe hat sie ihn vom Anfange bis zu Ende gekostet! Der ar- tige Kerl ist beständig, seit dem er ihr nachgegan- gen, für uns wie verlohren gewesen. Und was
ist
Der neun und funfzigſte Brief von Herrn Mowbray an Hrn. Joh. Belford.
Urbridge, den 7ten Sept. zwiſchen eilf und zwoͤlfen, des Abends.
Lieber Bruder.
Jch ſchriebe auf des armen Lovelacens Verlan- gen, um eine genauere Auslegung uͤber den ungluͤcklichen kurzen Begriff von einem Briefe, den du ihm dieſen Abend zugeſchickt haſt, zu for- dern. Es iſt ihm unertraͤglich, eine Feder anzu- ſetzen: und dennoch will er gern einen jeden klei- nen Umſtand von dem Abſchiede der Fraͤulein Harlowe wiſſen. Aber, warum er es wollen ſoll- te, kann ich nicht ſehen. Denn iſt ſie hin: ſo iſt ſie hin; und wer kann ſich helfen?
Jch habe niemals in meinem Leben von ei- nem ſolchen Frauenzimmer gehoͤret. Was hat ſie ſonderliches gelitten, daß der Kummer ſie ſo uns Leben bringen ſollte?
Jch wollte wuͤnſchen, daß der arme Kerl ſie niemals gekannt haͤtte. Was fuͤr Unruhe hat ſie ihn vom Anfange bis zu Ende gekoſtet! Der ar- tige Kerl iſt beſtaͤndig, ſeit dem er ihr nachgegan- gen, fuͤr uns wie verlohren geweſen. Und was
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Der neun und funfzigſte Brief
von
Herrn Mowbray an Hrn. Joh. Belford.
Urbridge, den 7ten Sept. zwiſchen eilf und
zwoͤlfen, des Abends.
Lieber Bruder.
Jch ſchriebe auf des armen Lovelacens Verlan-
gen, um eine genauere Auslegung uͤber den
ungluͤcklichen kurzen Begriff von einem Briefe,
den du ihm dieſen Abend zugeſchickt haſt, zu for-
dern. Es iſt ihm unertraͤglich, eine Feder anzu-
ſetzen: und dennoch will er gern einen jeden klei-
nen Umſtand von dem Abſchiede der Fraͤulein
Harlowe wiſſen. Aber, warum er es wollen ſoll-
te, kann ich nicht ſehen. Denn iſt ſie hin: ſo iſt
ſie hin; und wer kann ſich helfen?
Jch habe niemals in meinem Leben von ei-
nem ſolchen Frauenzimmer gehoͤret. Was hat
ſie ſonderliches gelitten, daß der Kummer ſie ſo
uns Leben bringen ſollte?
Jch wollte wuͤnſchen, daß der arme Kerl ſie
niemals gekannt haͤtte. Was fuͤr Unruhe hat ſie
ihn vom Anfange bis zu Ende gekoſtet! Der ar-
tige Kerl iſt beſtaͤndig, ſeit dem er ihr nachgegan-
gen, fuͤr uns wie verlohren geweſen. Und was
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/456>, abgerufen am 22.11.2024.
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