ist denn an einem Frauenzimmer mehr als an ei- nem andern, das sich der Mühe verlohnte?
Es war gut, daß wir bey ihm waren, als eure Nachricht kam. Jhr habt eure wahre Freund- schaft durch eure Vorsicht bewiesen. Wahrlich! Bruder, der arme Kerl war ganz außer sich - - von Sinnen, so gut als jemals einer in dem Toll- hause.
Wilhelm brachte ihm den Brief, eben als wir in Bohemia-Head zu ihm gekommen waren. Er hatte es in der Rose zu Knightsbridge so ver- lassen, daß er da seyn wollte: denn er war voller Ungedult, indem er auf uns, und auf seinen Kerl, gewartet hatte, auf und nieder, hin und her ge- gangen. Wilhelm ging ihm aus dem Wege, so bald als er ihm das Schreiben eingehändigt hat- te: und da er es öffnete, sahen wir einen solchen Aufzug, als wohl niemals vorgekommen ist. Er zitterte bey dem Empfang desselben, wie ein Teu- fel, und griff um das Siegel herum, mit so ge- lähmten Fingern, als Thomas Doleman, und so bebender Hand, daß er den Brief entzwey riß, ehe er zu dem Jnhalt kommen konnte. Als er ihn aber gelesen hatte: kam der Huth vom Kopfe, und mußte in die eine Ecke von dem Zimmer, und die Perucke in die andere, fliegen - - - Ver- dammt sey die Welt! rief er, und gab eine ganze Salve von solchen Flüchen: indem er das Zim- mer auf und nieder rannte; die Vorsetzungen an dem Fenster in die Höhe und wieder herunter stieß; sich mit doppelter Faust, und solcher Ge-
walt,
F f 2
iſt denn an einem Frauenzimmer mehr als an ei- nem andern, das ſich der Muͤhe verlohnte?
Es war gut, daß wir bey ihm waren, als eure Nachricht kam. Jhr habt eure wahre Freund- ſchaft durch eure Vorſicht bewieſen. Wahrlich! Bruder, der arme Kerl war ganz außer ſich ‒ ‒ von Sinnen, ſo gut als jemals einer in dem Toll- hauſe.
Wilhelm brachte ihm den Brief, eben als wir in Bohemia-Head zu ihm gekommen waren. Er hatte es in der Roſe zu Knightsbridge ſo ver- laſſen, daß er da ſeyn wollte: denn er war voller Ungedult, indem er auf uns, und auf ſeinen Kerl, gewartet hatte, auf und nieder, hin und her ge- gangen. Wilhelm ging ihm aus dem Wege, ſo bald als er ihm das Schreiben eingehaͤndigt hat- te: und da er es oͤffnete, ſahen wir einen ſolchen Aufzug, als wohl niemals vorgekommen iſt. Er zitterte bey dem Empfang deſſelben, wie ein Teu- fel, und griff um das Siegel herum, mit ſo ge- laͤhmten Fingern, als Thomas Doleman, und ſo bebender Hand, daß er den Brief entzwey riß, ehe er zu dem Jnhalt kommen konnte. Als er ihn aber geleſen hatte: kam der Huth vom Kopfe, und mußte in die eine Ecke von dem Zimmer, und die Perucke in die andere, fliegen ‒ ‒ ‒ Ver- dammt ſey die Welt! rief er, und gab eine ganze Salve von ſolchen Fluͤchen: indem er das Zim- mer auf und nieder rannte; die Vorſetzungen an dem Fenſter in die Hoͤhe und wieder herunter ſtieß; ſich mit doppelter Fauſt, und ſolcher Ge-
walt,
F f 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0457"n="451"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
iſt denn an einem Frauenzimmer mehr als an ei-<lb/>
nem andern, das ſich der Muͤhe verlohnte?</p><lb/><p>Es war gut, daß wir bey ihm waren, als eure<lb/>
Nachricht kam. Jhr habt eure wahre Freund-<lb/>ſchaft durch eure Vorſicht bewieſen. Wahrlich!<lb/>
Bruder, der arme Kerl war ganz außer ſich ‒‒<lb/>
von Sinnen, ſo gut als jemals einer in dem Toll-<lb/>
hauſe.</p><lb/><p>Wilhelm brachte ihm den Brief, eben als<lb/>
wir in Bohemia-Head zu ihm gekommen waren.<lb/>
Er hatte es in der Roſe zu Knightsbridge ſo ver-<lb/>
laſſen, daß er da ſeyn wollte: denn er war voller<lb/>
Ungedult, indem er auf uns, und auf ſeinen Kerl,<lb/>
gewartet hatte, auf und nieder, hin und her ge-<lb/>
gangen. Wilhelm ging ihm aus dem Wege, ſo<lb/>
bald als er ihm das Schreiben eingehaͤndigt hat-<lb/>
te: und da er es oͤffnete, ſahen wir einen ſolchen<lb/>
Aufzug, als wohl niemals vorgekommen iſt. Er<lb/>
zitterte bey dem Empfang deſſelben, wie ein Teu-<lb/>
fel, und griff um das Siegel herum, mit ſo ge-<lb/>
laͤhmten Fingern, als Thomas Doleman, und ſo<lb/>
bebender Hand, daß er den Brief entzwey riß,<lb/>
ehe er zu dem Jnhalt kommen konnte. Als er<lb/>
ihn aber geleſen hatte: kam der Huth vom Kopfe,<lb/>
und mußte in die eine Ecke von dem Zimmer,<lb/>
und die Perucke in die andere, fliegen ‒‒‒ Ver-<lb/>
dammt ſey die Welt! rief er, und gab eine ganze<lb/>
Salve von ſolchen <hirendition="#fr">Fluͤchen:</hi> indem er das Zim-<lb/>
mer auf und nieder rannte; die Vorſetzungen an<lb/>
dem Fenſter in die Hoͤhe und wieder herunter<lb/>ſtieß; ſich mit doppelter Fauſt, und ſolcher Ge-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">F f 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">walt,</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[451/0457]
iſt denn an einem Frauenzimmer mehr als an ei-
nem andern, das ſich der Muͤhe verlohnte?
Es war gut, daß wir bey ihm waren, als eure
Nachricht kam. Jhr habt eure wahre Freund-
ſchaft durch eure Vorſicht bewieſen. Wahrlich!
Bruder, der arme Kerl war ganz außer ſich ‒ ‒
von Sinnen, ſo gut als jemals einer in dem Toll-
hauſe.
Wilhelm brachte ihm den Brief, eben als
wir in Bohemia-Head zu ihm gekommen waren.
Er hatte es in der Roſe zu Knightsbridge ſo ver-
laſſen, daß er da ſeyn wollte: denn er war voller
Ungedult, indem er auf uns, und auf ſeinen Kerl,
gewartet hatte, auf und nieder, hin und her ge-
gangen. Wilhelm ging ihm aus dem Wege, ſo
bald als er ihm das Schreiben eingehaͤndigt hat-
te: und da er es oͤffnete, ſahen wir einen ſolchen
Aufzug, als wohl niemals vorgekommen iſt. Er
zitterte bey dem Empfang deſſelben, wie ein Teu-
fel, und griff um das Siegel herum, mit ſo ge-
laͤhmten Fingern, als Thomas Doleman, und ſo
bebender Hand, daß er den Brief entzwey riß,
ehe er zu dem Jnhalt kommen konnte. Als er
ihn aber geleſen hatte: kam der Huth vom Kopfe,
und mußte in die eine Ecke von dem Zimmer,
und die Perucke in die andere, fliegen ‒ ‒ ‒ Ver-
dammt ſey die Welt! rief er, und gab eine ganze
Salve von ſolchen Fluͤchen: indem er das Zim-
mer auf und nieder rannte; die Vorſetzungen an
dem Fenſter in die Hoͤhe und wieder herunter
ſtieß; ſich mit doppelter Fauſt, und ſolcher Ge-
walt,
F f 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 451. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/457>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.