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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

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kels - - Und sagen sie ihnen, daß ich ihnen mit
meinem letzten Athem - - für alle ihre Güte ge-
gen mich - - ja selbst für ihren Unwillen - -
herzlich danke und allen Segen wünsche - -
Meine Strafe, die ich hier gelitten habe, ist mein
größtes Glück gewesen - - Mein Glück, in
Wahrheit!

Sie schwieg hierauf einige Augenblicke stille
und hub ihre Augen und die Hand, welche ihr
Vetter nicht zwischen seinen Händen hielte, in die
Höhe. Hernach sprach sie: O Tod, wo ist
dein Stachel;
die Worte besinne ich mich bey
dem Begräbniß meines Onkels und des armen
Beltons gelesen gehört zu haben; und nach ei-
nem kurzen Jnnehalten - - Es ist mir gut,
daß ich betrübet worden bin!
- - Worte der
Schrift, wie ich vermuthe.

Darauf wandte sie sich zu uns, die wir uns in
einer sprachlosen Traurigkeit verlohren hatten - -
O meine werthe, werthe Herren, waren ihre
Worte, sie wissen nicht was für ein Vorschmack
- - was für Gewißheit. Da brach sie wieder
ab, und sahe in die Höhe, als wenn sie in einer
dankvollen Entzückung wäre, mit einem süßen
Lächeln.

Hiernächst wandte sie ihr Gesicht gegen mich.
- - Sagen sie, mein Herr, ihrem Freunde, daß
ich ihm vergebe, und zu Gott bete, ihm zu ver-
geben! - - Sie hielte hier aufs neue inne, und
schlug die Augen auf, als wenn sie betete, daß
Gott es thun möchte - - Lassen sie ihn wissen,

wie



kels ‒ ‒ Und ſagen ſie ihnen, daß ich ihnen mit
meinem letzten Athem ‒ ‒ fuͤr alle ihre Guͤte ge-
gen mich ‒ ‒ ja ſelbſt fuͤr ihren Unwillen ‒ ‒
herzlich danke und allen Segen wuͤnſche ‒ ‒
Meine Strafe, die ich hier gelitten habe, iſt mein
groͤßtes Gluͤck geweſen ‒ ‒ Mein Gluͤck, in
Wahrheit!

Sie ſchwieg hierauf einige Augenblicke ſtille
und hub ihre Augen und die Hand, welche ihr
Vetter nicht zwiſchen ſeinen Haͤnden hielte, in die
Hoͤhe. Hernach ſprach ſie: O Tod, wo iſt
dein Stachel;
die Worte beſinne ich mich bey
dem Begraͤbniß meines Onkels und des armen
Beltons geleſen gehoͤrt zu haben; und nach ei-
nem kurzen Jnnehalten ‒ ‒ Es iſt mir gut,
daß ich betruͤbet worden bin!
‒ ‒ Worte der
Schrift, wie ich vermuthe.

Darauf wandte ſie ſich zu uns, die wir uns in
einer ſprachloſen Traurigkeit verlohren hatten ‒ ‒
O meine werthe, werthe Herren, waren ihre
Worte, ſie wiſſen nicht was fuͤr ein Vorſchmack
‒ ‒ was fuͤr Gewißheit. Da brach ſie wieder
ab, und ſahe in die Hoͤhe, als wenn ſie in einer
dankvollen Entzuͤckung waͤre, mit einem ſuͤßen
Laͤcheln.

Hiernaͤchſt wandte ſie ihr Geſicht gegen mich.
‒ ‒ Sagen ſie, mein Herr, ihrem Freunde, daß
ich ihm vergebe, und zu Gott bete, ihm zu ver-
geben! ‒ ‒ Sie hielte hier aufs neue inne, und
ſchlug die Augen auf, als wenn ſie betete, daß
Gott es thun moͤchte ‒ ‒ Laſſen ſie ihn wiſſen,

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[459/0465] kels ‒ ‒ Und ſagen ſie ihnen, daß ich ihnen mit meinem letzten Athem ‒ ‒ fuͤr alle ihre Guͤte ge- gen mich ‒ ‒ ja ſelbſt fuͤr ihren Unwillen ‒ ‒ herzlich danke und allen Segen wuͤnſche ‒ ‒ Meine Strafe, die ich hier gelitten habe, iſt mein groͤßtes Gluͤck geweſen ‒ ‒ Mein Gluͤck, in Wahrheit! Sie ſchwieg hierauf einige Augenblicke ſtille und hub ihre Augen und die Hand, welche ihr Vetter nicht zwiſchen ſeinen Haͤnden hielte, in die Hoͤhe. Hernach ſprach ſie: O Tod, wo iſt dein Stachel; die Worte beſinne ich mich bey dem Begraͤbniß meines Onkels und des armen Beltons geleſen gehoͤrt zu haben; und nach ei- nem kurzen Jnnehalten ‒ ‒ Es iſt mir gut, daß ich betruͤbet worden bin! ‒ ‒ Worte der Schrift, wie ich vermuthe. Darauf wandte ſie ſich zu uns, die wir uns in einer ſprachloſen Traurigkeit verlohren hatten ‒ ‒ O meine werthe, werthe Herren, waren ihre Worte, ſie wiſſen nicht was fuͤr ein Vorſchmack ‒ ‒ was fuͤr Gewißheit. Da brach ſie wieder ab, und ſahe in die Hoͤhe, als wenn ſie in einer dankvollen Entzuͤckung waͤre, mit einem ſuͤßen Laͤcheln. Hiernaͤchſt wandte ſie ihr Geſicht gegen mich. ‒ ‒ Sagen ſie, mein Herr, ihrem Freunde, daß ich ihm vergebe, und zu Gott bete, ihm zu ver- geben! ‒ ‒ Sie hielte hier aufs neue inne, und ſchlug die Augen auf, als wenn ſie betete, daß Gott es thun moͤchte ‒ ‒ Laſſen ſie ihn wiſſen, wie

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/465>, abgerufen am 16.07.2024.