völligen Zufriedenheit mit sich selbst sehen ließen. Beyde füllten wechselsweise meine Ohren mit ei- ner Beschreibung des Fußes und dicken Beins nach der Zergliederungskunst, und liefen sie mit ihren Kunstwörtern durch, von dem Tarsus, dem Metatarsus, der Tibia, der Fibula, der Patella, dem Os Tali, dem Os Tibiae, dem Tibialis Po- sticus und Tibialis Anticus, hinauf zu dem Os femoris, zu dem Acetabulum des Os Ischion, dem großen Trochanter, Glutes, Triceps, Le- vidus und kleinem Rotator; kurz von allen Mu- skeln, Knörpeln und Knochen, die den Fuß und das dicke Bein ausmachen, von dem großen Zehe bis zu der Hüfte: als wenn sie mir zeigen woll- ten, daß alle ihre Wissenschaft nicht weiter in ih- ren Kopf gedrungen wäre, als bis zu ihrem Mun- de, da unterdessen Sarah ihre Hände aufhub, mit einem Lobspruch: O Himmel! Sind alle Wundärzte so gelehrt - - Aber endlich erklärten sich diese beyden Herren, daß, wenn sie und ihre Freunde in die Ablösung des Beines willigen wollten, sie dasselbe in einem Augenblick wegneh- men würden.
Fr. Carterinn fragte: Wozu sollte das dienen, wenn die Operation sie doch nicht retten würde?
Es wäre wahr, sprachen sie: allein es möchte doch den Freunden der Kranken eine Beruhi- gung seyn, daß alles geschehen wäre, was gesche- hen können.
So sollte sich das arme und unglückliche Weib bloß zu einem Versuche, wie ich wohl sa-
gen
voͤlligen Zufriedenheit mit ſich ſelbſt ſehen ließen. Beyde fuͤllten wechſelsweiſe meine Ohren mit ei- ner Beſchreibung des Fußes und dicken Beins nach der Zergliederungskunſt, und liefen ſie mit ihren Kunſtwoͤrtern durch, von dem Tarſus, dem Metatarſus, der Tibia, der Fibula, der Patella, dem Os Tali, dem Os Tibiae, dem Tibialis Po- ſticus und Tibialis Anticus, hinauf zu dem Os femoris, zu dem Acetabulum des Os Iſchion, dem großen Trochanter, Glutes, Triceps, Le- vidus und kleinem Rotator; kurz von allen Mu- ſkeln, Knoͤrpeln und Knochen, die den Fuß und das dicke Bein ausmachen, von dem großen Zehe bis zu der Huͤfte: als wenn ſie mir zeigen woll- ten, daß alle ihre Wiſſenſchaft nicht weiter in ih- ren Kopf gedrungen waͤre, als bis zu ihrem Mun- de, da unterdeſſen Sarah ihre Haͤnde aufhub, mit einem Lobſpruch: O Himmel! Sind alle Wundaͤrzte ſo gelehrt ‒ ‒ Aber endlich erklaͤrten ſich dieſe beyden Herren, daß, wenn ſie und ihre Freunde in die Abloͤſung des Beines willigen wollten, ſie daſſelbe in einem Augenblick wegneh- men wuͤrden.
Fr. Carterinn fragte: Wozu ſollte das dienen, wenn die Operation ſie doch nicht retten wuͤrde?
Es waͤre wahr, ſprachen ſie: allein es moͤchte doch den Freunden der Kranken eine Beruhi- gung ſeyn, daß alles geſchehen waͤre, was geſche- hen koͤnnen.
So ſollte ſich das arme und ungluͤckliche Weib bloß zu einem Verſuche, wie ich wohl ſa-
gen
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voͤlligen Zufriedenheit mit ſich ſelbſt ſehen ließen.
Beyde fuͤllten wechſelsweiſe meine Ohren mit ei-
ner Beſchreibung des Fußes und dicken Beins
nach der Zergliederungskunſt, und liefen ſie mit
ihren Kunſtwoͤrtern durch, von dem Tarſus, dem
Metatarſus, der Tibia, der Fibula, der Patella,
dem Os Tali, dem Os Tibiae, dem Tibialis Po-
ſticus und Tibialis Anticus, hinauf zu dem Os
femoris, zu dem Acetabulum des Os Iſchion,
dem großen Trochanter, Glutes, Triceps, Le-
vidus und kleinem Rotator; kurz von allen Mu-
ſkeln, Knoͤrpeln und Knochen, die den Fuß und
das dicke Bein ausmachen, von dem großen Zehe
bis zu der Huͤfte: als wenn ſie mir zeigen woll-
ten, daß alle ihre Wiſſenſchaft nicht weiter in ih-
ren Kopf gedrungen waͤre, als bis zu ihrem Mun-
de, da unterdeſſen Sarah ihre Haͤnde aufhub,
mit einem Lobſpruch: O Himmel! Sind alle
Wundaͤrzte ſo gelehrt ‒ ‒ Aber endlich erklaͤrten
ſich dieſe beyden Herren, daß, wenn ſie und ihre
Freunde in die Abloͤſung des Beines willigen
wollten, ſie daſſelbe in einem Augenblick wegneh-
men wuͤrden.
Fr. Carterinn fragte: Wozu ſollte das dienen,
wenn die Operation ſie doch nicht retten wuͤrde?
Es waͤre wahr, ſprachen ſie: allein es moͤchte
doch den Freunden der Kranken eine Beruhi-
gung ſeyn, daß alles geſchehen waͤre, was geſche-
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So ſollte ſich das arme und ungluͤckliche
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 552. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/558>, abgerufen am 22.11.2024.
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