Nicht so hitzig! Nicht so gar hitzig! sprach ich - - Es schickt sich nicht für mich, da ich, wie sie nur allzu wohl wissen, ein so freyes Leben ge- führet habe, die Sprache eines Strafpredigers gegen sie zu führen, und ihnen die Gottlosigkeit, in der sie gelebet, und die vielen Seelen, die sie zu verderben geholfen haben, vorzuhalten. Allein da sie in einem so bußfertigen Zustande sind: so wür- de ich, wenn ich rathen möchte, den Rath geben, nach einem frommen Geistlichen zu schicken, an wel- chem die Lauterkeit in seinem Leben und seine Ar- ten zu handeln allem dem, was von ihm kommt, einen bessern Anstand geben wird, als es haben könnte, wenn es von mir käme.
Wie, mein Herr! Was, mein Herr! fiel sie mir in die Rede. Nach einem Pfarrer zu schi- cken! -, So glauben sie denn in der That, daß ich sterben werde! So glauben sie denn, daß kei- ne Hoffnung übrig sey! - - Nach einem Pfar- rer, mein Herr! - - Wer schickt nach einem Pfar- rer, so lange noch einige Hoffnung übrig ist? Der Anblick von einem Pfarrer würde alsobald der Tod für mich seyn! - - Jch kann nicht, ich kann nicht sterben! - - Sagen sie mir nimmer- mehr davon! - - Was! sterben! - - Was! mitten in meinen Sünden hingerissen werden!
Und darauf fing sie wieder an zu toben.
Es ist mir unerträglich, sagte ich, und stand mit einem mürrischen Gesichte auf, daß ich ein
ver-
und Buße ſeyn; bey meiner Seele, ſo ſoll es ſeyn!
Nicht ſo hitzig! Nicht ſo gar hitzig! ſprach ich ‒ ‒ Es ſchickt ſich nicht fuͤr mich, da ich, wie ſie nur allzu wohl wiſſen, ein ſo freyes Leben ge- fuͤhret habe, die Sprache eines Strafpredigers gegen ſie zu fuͤhren, und ihnen die Gottloſigkeit, in der ſie gelebet, und die vielen Seelen, die ſie zu verderben geholfen haben, vorzuhalten. Allein da ſie in einem ſo bußfertigen Zuſtande ſind: ſo wuͤr- de ich, wenn ich rathen moͤchte, den Rath geben, nach einem frommen Geiſtlichen zu ſchicken, an wel- chem die Lauterkeit in ſeinem Leben und ſeine Ar- ten zu handeln allem dem, was von ihm kommt, einen beſſern Anſtand geben wird, als es haben koͤnnte, wenn es von mir kaͤme.
Wie, mein Herr! Was, mein Herr! fiel ſie mir in die Rede. Nach einem Pfarrer zu ſchi- cken! ‒, So glauben ſie denn in der That, daß ich ſterben werde! So glauben ſie denn, daß kei- ne Hoffnung uͤbrig ſey! ‒ ‒ Nach einem Pfar- rer, mein Herr! ‒ ‒ Wer ſchickt nach einem Pfar- rer, ſo lange noch einige Hoffnung uͤbrig iſt? Der Anblick von einem Pfarrer wuͤrde alſobald der Tod fuͤr mich ſeyn! ‒ ‒ Jch kann nicht, ich kann nicht ſterben! ‒ ‒ Sagen ſie mir nimmer- mehr davon! ‒ ‒ Was! ſterben! ‒ ‒ Was! mitten in meinen Suͤnden hingeriſſen werden!
Und darauf fing ſie wieder an zu toben.
Es iſt mir unertraͤglich, ſagte ich, und ſtand mit einem muͤrriſchen Geſichte auf, daß ich ein
ver-
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und Buße ſeyn; bey meiner Seele, ſo ſoll es
ſeyn!
Nicht ſo hitzig! Nicht ſo gar hitzig! ſprach
ich ‒ ‒ Es ſchickt ſich nicht fuͤr mich, da ich, wie
ſie nur allzu wohl wiſſen, ein ſo freyes Leben ge-
fuͤhret habe, die Sprache eines Strafpredigers
gegen ſie zu fuͤhren, und ihnen die Gottloſigkeit,
in der ſie gelebet, und die vielen Seelen, die ſie zu
verderben geholfen haben, vorzuhalten. Allein da
ſie in einem ſo bußfertigen Zuſtande ſind: ſo wuͤr-
de ich, wenn ich rathen moͤchte, den Rath geben,
nach einem frommen Geiſtlichen zu ſchicken, an wel-
chem die Lauterkeit in ſeinem Leben und ſeine Ar-
ten zu handeln allem dem, was von ihm kommt,
einen beſſern Anſtand geben wird, als es haben
koͤnnte, wenn es von mir kaͤme.
Wie, mein Herr! Was, mein Herr! fiel ſie
mir in die Rede. Nach einem Pfarrer zu ſchi-
cken! ‒, So glauben ſie denn in der That, daß
ich ſterben werde! So glauben ſie denn, daß kei-
ne Hoffnung uͤbrig ſey! ‒ ‒ Nach einem Pfar-
rer, mein Herr! ‒ ‒ Wer ſchickt nach einem Pfar-
rer, ſo lange noch einige Hoffnung uͤbrig iſt?
Der Anblick von einem Pfarrer wuͤrde alſobald
der Tod fuͤr mich ſeyn! ‒ ‒ Jch kann nicht, ich
kann nicht ſterben! ‒ ‒ Sagen ſie mir nimmer-
mehr davon! ‒ ‒ Was! ſterben! ‒ ‒ Was!
mitten in meinen Suͤnden hingeriſſen werden!
Und darauf fing ſie wieder an zu toben.
Es iſt mir unertraͤglich, ſagte ich, und ſtand
mit einem muͤrriſchen Geſichte auf, daß ich ein
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 557. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/563>, abgerufen am 22.11.2024.
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