liebe unerfahrne Schülerinn selbst, auslachen, daß alle ihr beschwerliches Elend auf ein junges Knäblein hinauslaufen wird; welches ich lieber haben werde, als alle die Cherubinen und Sera- phinen, die hernach kommen mögen, wenn ihrer auch so viele seyn sollten, als ich in meinem Traum sahe, in welchem ein weiter Raum an der Decke über mir mit ihnen so voll besetzet war, als er seyn konnte.
Jch werde mich fürchten deinen nächsten Brief zu erbrechen, damit er mir nicht die Nachricht von dem Tode des armen Beltons bringe. Je- doch, da keine Hoffnung zu seiner Genesung übrig ist - - Allein was sollte ich sagen, es wäre denn, daß der arme Kerl besser bereit wäre - - Aber deine beschwerliche Predigt soll mich doch auch nicht zu sehr beunruhigen.
Jch schließe deine Papiere hiebey ein. Schrei- be du sie für mich ab, oder schicke sie mir wieder: denn es kommt eines und das andere darinn vor, dem ein sterblicher Mensch zu gehöriger Zeit seine Aufmerksamkeit nicht versagen sollte; und du scheinest tief in die verdriesliche Sache einge- drungen zu seyn. - - Hier aber will ich schließen, damit ich nicht zu ernsthaft werde.
Dein Bedienter fragte hier etwa vor einer Stunde nach, ob ich etwas zu befehlen hätte. Jch hoffe daher, daß du gegenwärtiges morgen frühe
bekom-
liebe unerfahrne Schuͤlerinn ſelbſt, auslachen, daß alle ihr beſchwerliches Elend auf ein junges Knaͤblein hinauslaufen wird; welches ich lieber haben werde, als alle die Cherubinen und Sera- phinen, die hernach kommen moͤgen, wenn ihrer auch ſo viele ſeyn ſollten, als ich in meinem Traum ſahe, in welchem ein weiter Raum an der Decke uͤber mir mit ihnen ſo voll beſetzet war, als er ſeyn konnte.
Jch werde mich fuͤrchten deinen naͤchſten Brief zu erbrechen, damit er mir nicht die Nachricht von dem Tode des armen Beltons bringe. Je- doch, da keine Hoffnung zu ſeiner Geneſung uͤbrig iſt ‒ ‒ Allein was ſollte ich ſagen, es waͤre denn, daß der arme Kerl beſſer bereit waͤre ‒ ‒ Aber deine beſchwerliche Predigt ſoll mich doch auch nicht zu ſehr beunruhigen.
Jch ſchließe deine Papiere hiebey ein. Schrei- be du ſie fuͤr mich ab, oder ſchicke ſie mir wieder: denn es kommt eines und das andere darinn vor, dem ein ſterblicher Menſch zu gehoͤriger Zeit ſeine Aufmerkſamkeit nicht verſagen ſollte; und du ſcheineſt tief in die verdriesliche Sache einge- drungen zu ſeyn. ‒ ‒ Hier aber will ich ſchließen, damit ich nicht zu ernſthaft werde.
Dein Bedienter fragte hier etwa vor einer Stunde nach, ob ich etwas zu befehlen haͤtte. Jch hoffe daher, daß du gegenwaͤrtiges morgen fruͤhe
bekom-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0060"n="54"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
liebe unerfahrne Schuͤlerinn <hirendition="#fr">ſelbſt,</hi> auslachen,<lb/>
daß alle ihr beſchwerliches Elend auf ein junges<lb/>
Knaͤblein hinauslaufen wird; welches ich lieber<lb/>
haben werde, als alle die Cherubinen und Sera-<lb/>
phinen, die hernach kommen moͤgen, wenn ihrer<lb/>
auch ſo viele ſeyn ſollten, als ich in meinem Traum<lb/>ſahe, in welchem ein weiter Raum an der Decke<lb/>
uͤber mir mit ihnen ſo voll beſetzet war, als er<lb/>ſeyn konnte.</p><lb/><p>Jch werde mich fuͤrchten deinen naͤchſten Brief<lb/>
zu erbrechen, damit er mir nicht die Nachricht<lb/>
von dem Tode des armen Beltons bringe. Je-<lb/>
doch, da keine Hoffnung zu ſeiner Geneſung uͤbrig<lb/>
iſt ‒‒ Allein was ſollte ich ſagen, es waͤre denn,<lb/>
daß der arme Kerl beſſer bereit waͤre ‒‒ Aber<lb/>
deine beſchwerliche Predigt ſoll mich doch auch<lb/>
nicht zu ſehr beunruhigen.</p><lb/><p>Jch ſchließe deine Papiere hiebey ein. Schrei-<lb/>
be du ſie fuͤr mich ab, oder ſchicke ſie mir wieder:<lb/>
denn es kommt eines und das andere darinn vor,<lb/>
dem ein <hirendition="#fr">ſterblicher</hi> Menſch zu gehoͤriger Zeit<lb/>ſeine Aufmerkſamkeit nicht verſagen ſollte; und<lb/>
du ſcheineſt tief in die verdriesliche Sache einge-<lb/>
drungen zu ſeyn. ‒‒ Hier aber will ich ſchließen,<lb/>
damit ich nicht zu ernſthaft werde.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Dein Bedienter fragte hier etwa vor einer<lb/>
Stunde nach, ob ich etwas zu befehlen haͤtte. Jch<lb/>
hoffe daher, daß du gegenwaͤrtiges morgen fruͤhe<lb/><fwplace="bottom"type="catch">bekom-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[54/0060]
liebe unerfahrne Schuͤlerinn ſelbſt, auslachen,
daß alle ihr beſchwerliches Elend auf ein junges
Knaͤblein hinauslaufen wird; welches ich lieber
haben werde, als alle die Cherubinen und Sera-
phinen, die hernach kommen moͤgen, wenn ihrer
auch ſo viele ſeyn ſollten, als ich in meinem Traum
ſahe, in welchem ein weiter Raum an der Decke
uͤber mir mit ihnen ſo voll beſetzet war, als er
ſeyn konnte.
Jch werde mich fuͤrchten deinen naͤchſten Brief
zu erbrechen, damit er mir nicht die Nachricht
von dem Tode des armen Beltons bringe. Je-
doch, da keine Hoffnung zu ſeiner Geneſung uͤbrig
iſt ‒ ‒ Allein was ſollte ich ſagen, es waͤre denn,
daß der arme Kerl beſſer bereit waͤre ‒ ‒ Aber
deine beſchwerliche Predigt ſoll mich doch auch
nicht zu ſehr beunruhigen.
Jch ſchließe deine Papiere hiebey ein. Schrei-
be du ſie fuͤr mich ab, oder ſchicke ſie mir wieder:
denn es kommt eines und das andere darinn vor,
dem ein ſterblicher Menſch zu gehoͤriger Zeit
ſeine Aufmerkſamkeit nicht verſagen ſollte; und
du ſcheineſt tief in die verdriesliche Sache einge-
drungen zu ſeyn. ‒ ‒ Hier aber will ich ſchließen,
damit ich nicht zu ernſthaft werde.
Dein Bedienter fragte hier etwa vor einer
Stunde nach, ob ich etwas zu befehlen haͤtte. Jch
hoffe daher, daß du gegenwaͤrtiges morgen fruͤhe
bekom-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/60>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.