Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite


Allein ich muß dir sagen, Bruder, daß, wo
das Schuldcapital so fortwächset, wie seit meinem
letzten Briefe geschehen ist, ich sehr befürchte, du
werdest viel zu thun haben, damit fortzukommen,
wenn das deine Absicht seyn sollte.

Jch glaube auch in der That, daß deine eigne
Buße und Besserung keinen Bestand haben kann.
Eingewurzelte Gewohnheiten werden nicht so leicht
ausgerottet. Der alte Satan hat in dem Ver-
lauf von einigen Jahren zu vielen Vortheil von
deinen getreuen Diensten gehabt, daß er dich so
leicht aus seinen Klauen lassen sollte. Er weiß,
was bey dir helfen wird. Eine feine große Bo-
na Roba, nach der Art wie zu Chartres, aber
von zierlichen Gliedmaßen, heller Farbe, und tür-
kischen Augen, bey der du die erste Mannsperson
bist, oder, welches eben das ist, überredet wirst,
daß du der erste seyst: wie wird dein frostiges
Gesicht bey einem solchen Gegenstande scheinen!
Wie wird dein trauervolles Antlitz dadurch erleuch-
tet werden! Ein Vertrag wird zwischen dir und
dem alten Versucher aufgerichtet werden: du
wirst versprechen, ihm Folge und Dienst zu lei-
sten, bis das Alter und Unvermögen kommt.
Und alsdenn wird er nach aller Wahrscheinlich-
keit beiner auf ewig versichert seyn. Denn, soll-
keit du etwa deine gegenwärtig herrschende Be-
gierden überleben: so wird er eine andere Schooß-
sünde auftreiben, oder eine, die itzo nur nebenher
geht, zu einer Schooßsünde machen, damit er dich
fest bey seinen höllischen Vortheilen halte. Du

wirst


Allein ich muß dir ſagen, Bruder, daß, wo
das Schuldcapital ſo fortwaͤchſet, wie ſeit meinem
letzten Briefe geſchehen iſt, ich ſehr befuͤrchte, du
werdeſt viel zu thun haben, damit fortzukommen,
wenn das deine Abſicht ſeyn ſollte.

Jch glaube auch in der That, daß deine eigne
Buße und Beſſerung keinen Beſtand haben kann.
Eingewurzelte Gewohnheiten werden nicht ſo leicht
ausgerottet. Der alte Satan hat in dem Ver-
lauf von einigen Jahren zu vielen Vortheil von
deinen getreuen Dienſten gehabt, daß er dich ſo
leicht aus ſeinen Klauen laſſen ſollte. Er weiß,
was bey dir helfen wird. Eine feine große Bo-
na Roba, nach der Art wie zu Chartres, aber
von zierlichen Gliedmaßen, heller Farbe, und tuͤr-
kiſchen Augen, bey der du die erſte Mannsperſon
biſt, oder, welches eben das iſt, uͤberredet wirſt,
daß du der erſte ſeyſt: wie wird dein froſtiges
Geſicht bey einem ſolchen Gegenſtande ſcheinen!
Wie wird dein trauervolles Antlitz dadurch erleuch-
tet werden! Ein Vertrag wird zwiſchen dir und
dem alten Verſucher aufgerichtet werden: du
wirſt verſprechen, ihm Folge und Dienſt zu lei-
ſten, bis das Alter und Unvermoͤgen kommt.
Und alsdenn wird er nach aller Wahrſcheinlich-
keit beiner auf ewig verſichert ſeyn. Denn, ſoll-
keit du etwa deine gegenwaͤrtig herrſchende Be-
gierden uͤberleben: ſo wird er eine andere Schooß-
ſuͤnde auftreiben, oder eine, die itzo nur nebenher
geht, zu einer Schooßſuͤnde machen, damit er dich
feſt bey ſeinen hoͤlliſchen Vortheilen halte. Du

wirſt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0700" n="694"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Allein ich muß dir &#x017F;agen, Bruder, daß, wo<lb/>
das Schuldcapital &#x017F;o fortwa&#x0364;ch&#x017F;et, wie &#x017F;eit meinem<lb/>
letzten Briefe ge&#x017F;chehen i&#x017F;t, ich &#x017F;ehr befu&#x0364;rchte, du<lb/>
werde&#x017F;t viel zu thun haben, damit fortzukommen,<lb/>
wenn das deine Ab&#x017F;icht &#x017F;eyn &#x017F;ollte.</p><lb/>
          <p>Jch glaube auch in der That, daß deine eigne<lb/>
Buße und Be&#x017F;&#x017F;erung keinen Be&#x017F;tand haben kann.<lb/>
Eingewurzelte Gewohnheiten werden nicht &#x017F;o leicht<lb/>
ausgerottet. Der alte Satan hat in dem Ver-<lb/>
lauf von einigen Jahren zu vielen Vortheil von<lb/>
deinen getreuen Dien&#x017F;ten gehabt, daß er dich &#x017F;o<lb/>
leicht aus &#x017F;einen Klauen la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ollte. Er weiß,<lb/>
was bey dir helfen wird. Eine feine große Bo-<lb/>
na Roba, nach der Art wie zu Chartres, aber<lb/>
von zierlichen Gliedmaßen, heller Farbe, und tu&#x0364;r-<lb/>
ki&#x017F;chen Augen, bey der du die er&#x017F;te Mannsper&#x017F;on<lb/>
bi&#x017F;t, oder, welches eben das i&#x017F;t, u&#x0364;berredet wir&#x017F;t,<lb/>
daß du der er&#x017F;te &#x017F;ey&#x017F;t: wie wird dein fro&#x017F;tiges<lb/>
Ge&#x017F;icht bey einem &#x017F;olchen Gegen&#x017F;tande &#x017F;cheinen!<lb/>
Wie wird dein trauervolles Antlitz dadurch erleuch-<lb/>
tet werden! Ein Vertrag wird zwi&#x017F;chen dir und<lb/>
dem alten Ver&#x017F;ucher aufgerichtet werden: du<lb/>
wir&#x017F;t ver&#x017F;prechen, ihm Folge und Dien&#x017F;t zu lei-<lb/>
&#x017F;ten, bis das Alter und Unvermo&#x0364;gen kommt.<lb/>
Und alsdenn wird er nach aller Wahr&#x017F;cheinlich-<lb/>
keit beiner auf ewig ver&#x017F;ichert &#x017F;eyn. Denn, &#x017F;oll-<lb/>
keit du etwa deine gegenwa&#x0364;rtig herr&#x017F;chende Be-<lb/>
gierden u&#x0364;berleben: &#x017F;o wird er eine andere Schooß-<lb/>
&#x017F;u&#x0364;nde auftreiben, oder eine, die itzo nur nebenher<lb/>
geht, zu einer Schooß&#x017F;u&#x0364;nde machen, damit er dich<lb/>
fe&#x017F;t bey &#x017F;einen ho&#x0364;lli&#x017F;chen Vortheilen halte. Du<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wir&#x017F;t</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[694/0700] Allein ich muß dir ſagen, Bruder, daß, wo das Schuldcapital ſo fortwaͤchſet, wie ſeit meinem letzten Briefe geſchehen iſt, ich ſehr befuͤrchte, du werdeſt viel zu thun haben, damit fortzukommen, wenn das deine Abſicht ſeyn ſollte. Jch glaube auch in der That, daß deine eigne Buße und Beſſerung keinen Beſtand haben kann. Eingewurzelte Gewohnheiten werden nicht ſo leicht ausgerottet. Der alte Satan hat in dem Ver- lauf von einigen Jahren zu vielen Vortheil von deinen getreuen Dienſten gehabt, daß er dich ſo leicht aus ſeinen Klauen laſſen ſollte. Er weiß, was bey dir helfen wird. Eine feine große Bo- na Roba, nach der Art wie zu Chartres, aber von zierlichen Gliedmaßen, heller Farbe, und tuͤr- kiſchen Augen, bey der du die erſte Mannsperſon biſt, oder, welches eben das iſt, uͤberredet wirſt, daß du der erſte ſeyſt: wie wird dein froſtiges Geſicht bey einem ſolchen Gegenſtande ſcheinen! Wie wird dein trauervolles Antlitz dadurch erleuch- tet werden! Ein Vertrag wird zwiſchen dir und dem alten Verſucher aufgerichtet werden: du wirſt verſprechen, ihm Folge und Dienſt zu lei- ſten, bis das Alter und Unvermoͤgen kommt. Und alsdenn wird er nach aller Wahrſcheinlich- keit beiner auf ewig verſichert ſeyn. Denn, ſoll- keit du etwa deine gegenwaͤrtig herrſchende Be- gierden uͤberleben: ſo wird er eine andere Schooß- ſuͤnde auftreiben, oder eine, die itzo nur nebenher geht, zu einer Schooßſuͤnde machen, damit er dich feſt bey ſeinen hoͤlliſchen Vortheilen halte. Du wirſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/700
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 694. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/700>, abgerufen am 22.11.2024.