Alten schiebe. So viel habe ich gewiß für mich anzuführen, gesetzt auch, alles, was meine ärgsten Feinde wider mich anbringen können, wäre wahr - - daß ich alle die ausschweifenden und unver- mutheten Folgen, weiche sich bey dieser Sache ein- gefunden haben, nicht verantworten dürfe.
Dieß will ich durch einen ähnlichen Fall, den ich erst vor wenigen Stunden dem Lord M. und den beyden Fräulein Montague vorgehalten habe, ungezweifelt beweisen. Es ist folgender.
Gesetzt, A, ein Geizhals, hätte an einem ge- heimen Ort ein Päcklein Gold versteckt, um es daselbst so lange verborgen zu halten, bis er es auf ausschweifende Zinsen austhun könnte.
Gesetzt, B hätte diesen Schatz so nöthig, daß er ohne denselben nicht leben könnte.
Gesetzt, A, der Geizhals, habe eine so gute Meynung von B, der das Geld nöthig bat, daß er es ihm viel lieber, als sonst einem Menschen in der Welt leihen wollte: aber er bestehe den- noch, ob er es gleich sonst in der Welt zu nichts brauchen kann, auf die ungewissenhaften Bedin- gungen.
B wollte mit vielen Freuden die gewöhnli- chen Zinsen geben; würde aber; wenigstens in seinen Gedanken, und das ist alles für ihn; verlohren seyn, wenn er sich die Bedingungen des Geizhalses gefallen ließe; denn er würde ver- sichert seyn, daß er alsdenn bald Schulden halber ins Gefängniß geworfen werden und Zeit Lebens ein Gefangener seyn würde. Daher erriethe
er,
Alten ſchiebe. So viel habe ich gewiß fuͤr mich anzufuͤhren, geſetzt auch, alles, was meine aͤrgſten Feinde wider mich anbringen koͤnnen, waͤre wahr ‒ ‒ daß ich alle die ausſchweifenden und unver- mutheten Folgen, weiche ſich bey dieſer Sache ein- gefunden haben, nicht verantworten duͤrfe.
Dieß will ich durch einen aͤhnlichen Fall, den ich erſt vor wenigen Stunden dem Lord M. und den beyden Fraͤulein Montague vorgehalten habe, ungezweifelt beweiſen. Es iſt folgender.
Geſetzt, A, ein Geizhals, haͤtte an einem ge- heimen Ort ein Paͤcklein Gold verſteckt, um es daſelbſt ſo lange verborgen zu halten, bis er es auf ausſchweifende Zinſen austhun koͤnnte.
Geſetzt, B haͤtte dieſen Schatz ſo noͤthig, daß er ohne denſelben nicht leben koͤnnte.
Geſetzt, A, der Geizhals, habe eine ſo gute Meynung von B, der das Geld noͤthig bat, daß er es ihm viel lieber, als ſonſt einem Menſchen in der Welt leihen wollte: aber er beſtehe den- noch, ob er es gleich ſonſt in der Welt zu nichts brauchen kann, auf die ungewiſſenhaften Bedin- gungen.
B wollte mit vielen Freuden die gewoͤhnli- chen Zinſen geben; wuͤrde aber; wenigſtens in ſeinen Gedanken, und das iſt alles fuͤr ihn; verlohren ſeyn, wenn er ſich die Bedingungen des Geizhalſes gefallen ließe; denn er wuͤrde ver- ſichert ſeyn, daß er alsdenn bald Schulden halber ins Gefaͤngniß geworfen werden und Zeit Lebens ein Gefangener ſeyn wuͤrde. Daher erriethe
er,
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Alten ſchiebe. So viel habe ich gewiß fuͤr mich
anzufuͤhren, geſetzt auch, alles, was meine aͤrgſten
Feinde wider mich anbringen koͤnnen, waͤre wahr
‒ ‒ daß ich alle die ausſchweifenden und unver-
mutheten Folgen, weiche ſich bey dieſer Sache ein-
gefunden haben, nicht verantworten duͤrfe.
Dieß will ich durch einen aͤhnlichen Fall, den
ich erſt vor wenigen Stunden dem Lord M. und
den beyden Fraͤulein Montague vorgehalten habe,
ungezweifelt beweiſen. Es iſt folgender.
Geſetzt, A, ein Geizhals, haͤtte an einem ge-
heimen Ort ein Paͤcklein Gold verſteckt, um es
daſelbſt ſo lange verborgen zu halten, bis er es auf
ausſchweifende Zinſen austhun koͤnnte.
Geſetzt, B haͤtte dieſen Schatz ſo noͤthig, daß
er ohne denſelben nicht leben koͤnnte.
Geſetzt, A, der Geizhals, habe eine ſo gute
Meynung von B, der das Geld noͤthig bat, daß
er es ihm viel lieber, als ſonſt einem Menſchen
in der Welt leihen wollte: aber er beſtehe den-
noch, ob er es gleich ſonſt in der Welt zu nichts
brauchen kann, auf die ungewiſſenhaften Bedin-
gungen.
B wollte mit vielen Freuden die gewoͤhnli-
chen Zinſen geben; wuͤrde aber; wenigſtens in
ſeinen Gedanken, und das iſt alles fuͤr ihn;
verlohren ſeyn, wenn er ſich die Bedingungen
des Geizhalſes gefallen ließe; denn er wuͤrde ver-
ſichert ſeyn, daß er alsdenn bald Schulden halber
ins Gefaͤngniß geworfen werden und Zeit Lebens
ein Gefangener ſeyn wuͤrde. Daher erriethe
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 712. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/718>, abgerufen am 27.11.2024.
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