Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite



haßte Hand, würde das Unglück der ganzen
Familie ganz vollkommen machen. Und gleich-
wohl ist er entschlossen, ihn zur Rechenschaft zu
fordern: wo ich es nicht thue. Sein übles
Bezeigen
selbst gegen eine solche Schwester
reizet vielleicht sein verkehrtes Herz, ihrem Ge-
dächtnisse eine desto merkwürdigere Ge-
rechtigkeit widerfahren zu lassen: ob der Ver-
such ihm gleich zum Unglück gereichen möchte.

Wie verdrießlich muß es mir hiernächst seyn,
mein Herr, daß ich von dem Jammer und
Herzeleid einer Familie, zu der ich gehöre, ein
Zeuge seyn soll, wie ich stündlich bin: von wel-
cher ein jeder, so abgeneigt sie auch von einer
Verbindung mit ihm waren, dieweil sie noch
nicht Platz genommen hatte, sonder Zweifel
bald mit der bewundernswürdigen Fräulein
ausgesöhnt worden seyn würde, wenn der
Mensch, mit dem seiner Familie und seiner
Glücksumstände wegen es keine Schande ge-
wesen wäre, verwandt zu werden, ihr nur die
gemeine und gewöhnliche Gerechtigkeit hätte
widerfahren lassen.

Wie verdrießlich, zu sehen, daß sie in tiefen Ge-
danken die Köpfe hängen, stumm und träge
herumgehen, und einander meiden; da sie doch
vorher niemals zusammen zu kommen pflegten,
ohne ihre Lust an einander zu haben: daß sie
sich selbst mit den Gedanken kränken, daß es
hier oder dort, an einem solchen Orte, in einer
solchen Stellung gewesen, da sie die liebe Fräu-

lein
A a a 4



haßte Hand, wuͤrde das Ungluͤck der ganzen
Familie ganz vollkommen machen. Und gleich-
wohl iſt er entſchloſſen, ihn zur Rechenſchaft zu
fordern: wo ich es nicht thue. Sein uͤbles
Bezeigen
ſelbſt gegen eine ſolche Schweſter
reizet vielleicht ſein verkehrtes Herz, ihrem Ge-
daͤchtniſſe eine deſto merkwuͤrdigere Ge-
rechtigkeit widerfahren zu laſſen: ob der Ver-
ſuch ihm gleich zum Ungluͤck gereichen moͤchte.

Wie verdrießlich muß es mir hiernaͤchſt ſeyn,
mein Herr, daß ich von dem Jammer und
Herzeleid einer Familie, zu der ich gehoͤre, ein
Zeuge ſeyn ſoll, wie ich ſtuͤndlich bin: von wel-
cher ein jeder, ſo abgeneigt ſie auch von einer
Verbindung mit ihm waren, dieweil ſie noch
nicht Platz genommen hatte, ſonder Zweifel
bald mit der bewundernswuͤrdigen Fraͤulein
ausgeſoͤhnt worden ſeyn wuͤrde, wenn der
Menſch, mit dem ſeiner Familie und ſeiner
Gluͤcksumſtaͤnde wegen es keine Schande ge-
weſen waͤre, verwandt zu werden, ihr nur die
gemeine und gewoͤhnliche Gerechtigkeit haͤtte
widerfahren laſſen.

Wie verdrießlich, zu ſehen, daß ſie in tiefen Ge-
danken die Koͤpfe haͤngen, ſtumm und traͤge
herumgehen, und einander meiden; da ſie doch
vorher niemals zuſammen zu kommen pflegten,
ohne ihre Luſt an einander zu haben: daß ſie
ſich ſelbſt mit den Gedanken kraͤnken, daß es
hier oder dort, an einem ſolchen Orte, in einer
ſolchen Stellung geweſen, da ſie die liebe Fraͤu-

lein
A a a 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0749" n="743"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
haßte Hand, wu&#x0364;rde das Unglu&#x0364;ck der ganzen<lb/>
Familie ganz vollkommen machen. Und gleich-<lb/>
wohl i&#x017F;t er ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, ihn zur Rechen&#x017F;chaft zu<lb/>
fordern: wo ich es nicht thue. Sein <hi rendition="#fr">u&#x0364;bles<lb/>
Bezeigen</hi> &#x017F;elb&#x017F;t gegen eine &#x017F;olche Schwe&#x017F;ter<lb/>
reizet vielleicht &#x017F;ein verkehrtes Herz, ihrem Ge-<lb/>
da&#x0364;chtni&#x017F;&#x017F;e eine <hi rendition="#fr">de&#x017F;to merkwu&#x0364;rdigere</hi> Ge-<lb/>
rechtigkeit widerfahren zu la&#x017F;&#x017F;en: ob der Ver-<lb/>
&#x017F;uch ihm gleich zum Unglu&#x0364;ck gereichen mo&#x0364;chte.</p><lb/>
            <p>Wie verdrießlich muß es mir hierna&#x0364;ch&#x017F;t &#x017F;eyn,<lb/>
mein Herr, daß ich von dem Jammer und<lb/>
Herzeleid einer Familie, zu der ich geho&#x0364;re, ein<lb/>
Zeuge &#x017F;eyn &#x017F;oll, wie ich &#x017F;tu&#x0364;ndlich bin: von wel-<lb/>
cher ein jeder, &#x017F;o abgeneigt &#x017F;ie auch von einer<lb/>
Verbindung mit ihm waren, dieweil &#x017F;ie noch<lb/><hi rendition="#fr">nicht</hi> Platz genommen hatte, &#x017F;onder Zweifel<lb/>
bald mit der bewundernswu&#x0364;rdigen Fra&#x0364;ulein<lb/>
ausge&#x017F;o&#x0364;hnt worden &#x017F;eyn wu&#x0364;rde, wenn der<lb/>
Men&#x017F;ch, mit dem &#x017F;einer Familie und &#x017F;einer<lb/>
Glu&#x0364;cksum&#x017F;ta&#x0364;nde wegen es keine Schande ge-<lb/>
we&#x017F;en wa&#x0364;re, verwandt zu werden, ihr nur die<lb/>
gemeine und gewo&#x0364;hnliche Gerechtigkeit ha&#x0364;tte<lb/>
widerfahren la&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
            <p>Wie verdrießlich, zu &#x017F;ehen, daß &#x017F;ie in tiefen Ge-<lb/>
danken die Ko&#x0364;pfe ha&#x0364;ngen, &#x017F;tumm und tra&#x0364;ge<lb/>
herumgehen, und einander meiden; da &#x017F;ie doch<lb/>
vorher niemals zu&#x017F;ammen zu kommen pflegten,<lb/>
ohne ihre Lu&#x017F;t an einander zu haben: daß &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t mit den Gedanken kra&#x0364;nken, daß es<lb/>
hier oder dort, an einem &#x017F;olchen Orte, in einer<lb/>
&#x017F;olchen Stellung gewe&#x017F;en, da &#x017F;ie die liebe Fra&#x0364;u-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A a a 4</fw><fw place="bottom" type="catch">lein</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[743/0749] haßte Hand, wuͤrde das Ungluͤck der ganzen Familie ganz vollkommen machen. Und gleich- wohl iſt er entſchloſſen, ihn zur Rechenſchaft zu fordern: wo ich es nicht thue. Sein uͤbles Bezeigen ſelbſt gegen eine ſolche Schweſter reizet vielleicht ſein verkehrtes Herz, ihrem Ge- daͤchtniſſe eine deſto merkwuͤrdigere Ge- rechtigkeit widerfahren zu laſſen: ob der Ver- ſuch ihm gleich zum Ungluͤck gereichen moͤchte. Wie verdrießlich muß es mir hiernaͤchſt ſeyn, mein Herr, daß ich von dem Jammer und Herzeleid einer Familie, zu der ich gehoͤre, ein Zeuge ſeyn ſoll, wie ich ſtuͤndlich bin: von wel- cher ein jeder, ſo abgeneigt ſie auch von einer Verbindung mit ihm waren, dieweil ſie noch nicht Platz genommen hatte, ſonder Zweifel bald mit der bewundernswuͤrdigen Fraͤulein ausgeſoͤhnt worden ſeyn wuͤrde, wenn der Menſch, mit dem ſeiner Familie und ſeiner Gluͤcksumſtaͤnde wegen es keine Schande ge- weſen waͤre, verwandt zu werden, ihr nur die gemeine und gewoͤhnliche Gerechtigkeit haͤtte widerfahren laſſen. Wie verdrießlich, zu ſehen, daß ſie in tiefen Ge- danken die Koͤpfe haͤngen, ſtumm und traͤge herumgehen, und einander meiden; da ſie doch vorher niemals zuſammen zu kommen pflegten, ohne ihre Luſt an einander zu haben: daß ſie ſich ſelbſt mit den Gedanken kraͤnken, daß es hier oder dort, an einem ſolchen Orte, in einer ſolchen Stellung geweſen, da ſie die liebe Fraͤu- lein A a a 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/749
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 743. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/749>, abgerufen am 01.06.2024.