So, mein Herr, habe ich Jhnen, als dem Te- stamentsverweser meiner geliebten Freundinn, auf eine sehr freye Art von allem Rechenschaft gege- ben, was Jhnen, als einem solchen, zu wissen dien- lich ist; ja wider mich selbst, von mehrerem, als ich zu thun nöthig gehabt habe: außer, daß Sie in einigen von ihren Briefen eben so viel wider mich finden werden; und so verliere ich dadurch nichts, gewinne aber bey Jhnen so viel, daß ich mich in den Ruf der Aufrichtigkeit setze.
Und so viel auf den gedoppelten Verweis, daß ich meinen Theil von dem letzten Willen meiner werthen Freundinn zu vollziehen zögere.
Nun erlauben Sie mir, Sie eines wichtigen Stückes, das Sie selbst angehet, zu erinnern: da Sie mir in dieser Sache eine Erinnerung geben. Es wird mir durch ihren an Sie hinterlassenen Brief Gelegenheit dazu gemacht. - - Jch hoffe, Sie werden nicht vergessen, daß das wohlgewo- genste Frauenzimmer eine eben so ernstliche Für- sorge für Jhre gänzliche Besserung als für meine Vermählung, bezeiget. Sie werden also dahin sehen, daß ihre Wünsche eben so vollkommen in dem Stücke erfüllet werden, als Sie dieselben in allen andern Stücken erfüllt zu sehen wünschen.
Jch gestehe, ich bin der lieben Fräulein in ei- nem Stücke ungehorsam gewesen: nämlich da sie verlangt, daß ich keine Trauer anlegen soll! Allein ich konnte es nicht helfen.
Jch
So, mein Herr, habe ich Jhnen, als dem Te- ſtamentsverweſer meiner geliebten Freundinn, auf eine ſehr freye Art von allem Rechenſchaft gege- ben, was Jhnen, als einem ſolchen, zu wiſſen dien- lich iſt; ja wider mich ſelbſt, von mehrerem, als ich zu thun noͤthig gehabt habe: außer, daß Sie in einigen von ihren Briefen eben ſo viel wider mich finden werden; und ſo verliere ich dadurch nichts, gewinne aber bey Jhnen ſo viel, daß ich mich in den Ruf der Aufrichtigkeit ſetze.
Und ſo viel auf den gedoppelten Verweis, daß ich meinen Theil von dem letzten Willen meiner werthen Freundinn zu vollziehen zoͤgere.
Nun erlauben Sie mir, Sie eines wichtigen Stuͤckes, das Sie ſelbſt angehet, zu erinnern: da Sie mir in dieſer Sache eine Erinnerung geben. Es wird mir durch ihren an Sie hinterlaſſenen Brief Gelegenheit dazu gemacht. ‒ ‒ Jch hoffe, Sie werden nicht vergeſſen, daß das wohlgewo- genſte Frauenzimmer eine eben ſo ernſtliche Fuͤr- ſorge fuͤr Jhre gaͤnzliche Beſſerung als fuͤr meine Vermaͤhlung, bezeiget. Sie werden alſo dahin ſehen, daß ihre Wuͤnſche eben ſo vollkommen in dem Stuͤcke erfuͤllet werden, als Sie dieſelben in allen andern Stuͤcken erfuͤllt zu ſehen wuͤnſchen.
Jch geſtehe, ich bin der lieben Fraͤulein in ei- nem Stuͤcke ungehorſam geweſen: naͤmlich da ſie verlangt, daß ich keine Trauer anlegen ſoll! Allein ich konnte es nicht helfen.
Jch
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So, mein Herr, habe ich Jhnen, als dem Te-
ſtamentsverweſer meiner geliebten Freundinn, auf
eine ſehr freye Art von allem Rechenſchaft gege-
ben, was Jhnen, als einem ſolchen, zu wiſſen dien-
lich iſt; ja wider mich ſelbſt, von mehrerem, als
ich zu thun noͤthig gehabt habe: außer, daß Sie
in einigen von ihren Briefen eben ſo viel wider
mich finden werden; und ſo verliere ich dadurch
nichts, gewinne aber bey Jhnen ſo viel, daß ich
mich in den Ruf der Aufrichtigkeit ſetze.
Und ſo viel auf den gedoppelten Verweis, daß
ich meinen Theil von dem letzten Willen meiner
werthen Freundinn zu vollziehen zoͤgere.
Nun erlauben Sie mir, Sie eines wichtigen
Stuͤckes, das Sie ſelbſt angehet, zu erinnern: da
Sie mir in dieſer Sache eine Erinnerung geben.
Es wird mir durch ihren an Sie hinterlaſſenen
Brief Gelegenheit dazu gemacht. ‒ ‒ Jch hoffe,
Sie werden nicht vergeſſen, daß das wohlgewo-
genſte Frauenzimmer eine eben ſo ernſtliche Fuͤr-
ſorge fuͤr Jhre gaͤnzliche Beſſerung als fuͤr meine
Vermaͤhlung, bezeiget. Sie werden alſo dahin
ſehen, daß ihre Wuͤnſche eben ſo vollkommen in
dem Stuͤcke erfuͤllet werden, als Sie dieſelben in
allen andern Stuͤcken erfuͤllt zu ſehen wuͤnſchen.
Jch geſtehe, ich bin der lieben Fraͤulein in ei-
nem Stuͤcke ungehorſam geweſen: naͤmlich da ſie
verlangt, daß ich keine Trauer anlegen ſoll! Allein
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Jch
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 779. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/785>, abgerufen am 29.11.2024.
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