Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite



fromm seyn können, wo sie nicht ihre natürliche
gute Gaben und ihre guten Sitten verleugnen!
- - Ey Bruder - - hiebey wandte er mich um
- - ich bitte dich, siehe doch in die Höhe, Kerl!
- - Weißt du nicht, daß die Religion, wenn sie
das Herz einmal gehörig eingenommen hat, die
freudigsten Gesichter von der Welt bildet? - -
So habe ich meine geliebte Fräulein Harlowe sa-
gen hören: und sie hat es wohl gewußt; oder es
müßte es niemand wissen. War auch ihr Ansehen
nicht ein angenehmer Beweis von dieser Anmer-
kung? Allein aus denen Wallungen in deiner ver-
fluchten Kehle und aus deinen verstellten Gebär-
den sehe ich, daß du nur noch ein Lehrling darin-
nen bist! - - Ach, Belford, Belford, du hast
noch erst ein verdammtes Stück von Dornen und
Disteln mit bloßen Füßen durchzutreten, ehe die
Religion deine finstere Bildung erheitern wird.

Jch gebe Jhrer Gnaden diese Nachricht in
der Absicht, damit ich Jhrem Verlangen Genüge
thun möge: da Sie wissen wollen, ob ich glaube,
daß er wieder eben der Mensch geworden, der er
gewesen ist.

Bey unsern Unterredungen über Tische war
er ungewiß, ob er nächstkünftigen Morgen oder
den Morgen hernach abreisen sollte. Weil ich
aber fand, daß er nichts zu thun hätte; und weil
der Obrist Morden in London war, wovon ich
ihm gleichwohl nichts sagte: so gab ich den Aus-
schlag, und er ward einig, morgen frühe abzuge-
hen. Die andern beyden entschlossen sich ihn zu

Schiffe
D d d 3



fromm ſeyn koͤnnen, wo ſie nicht ihre natuͤrliche
gute Gaben und ihre guten Sitten verleugnen!
‒ ‒ Ey Bruder ‒ ‒ hiebey wandte er mich um
‒ ‒ ich bitte dich, ſiehe doch in die Hoͤhe, Kerl!
‒ ‒ Weißt du nicht, daß die Religion, wenn ſie
das Herz einmal gehoͤrig eingenommen hat, die
freudigſten Geſichter von der Welt bildet? ‒ ‒
So habe ich meine geliebte Fraͤulein Harlowe ſa-
gen hoͤren: und ſie hat es wohl gewußt; oder es
muͤßte es niemand wiſſen. War auch ihr Anſehen
nicht ein angenehmer Beweis von dieſer Anmer-
kung? Allein aus denen Wallungen in deiner ver-
fluchten Kehle und aus deinen verſtellten Gebaͤr-
den ſehe ich, daß du nur noch ein Lehrling darin-
nen biſt! ‒ ‒ Ach, Belford, Belford, du haſt
noch erſt ein verdammtes Stuͤck von Dornen und
Diſteln mit bloßen Fuͤßen durchzutreten, ehe die
Religion deine finſtere Bildung erheitern wird.

Jch gebe Jhrer Gnaden dieſe Nachricht in
der Abſicht, damit ich Jhrem Verlangen Genuͤge
thun moͤge: da Sie wiſſen wollen, ob ich glaube,
daß er wieder eben der Menſch geworden, der er
geweſen iſt.

Bey unſern Unterredungen uͤber Tiſche war
er ungewiß, ob er naͤchſtkuͤnftigen Morgen oder
den Morgen hernach abreiſen ſollte. Weil ich
aber fand, daß er nichts zu thun haͤtte; und weil
der Obriſt Morden in London war, wovon ich
ihm gleichwohl nichts ſagte: ſo gab ich den Aus-
ſchlag, und er ward einig, morgen fruͤhe abzuge-
hen. Die andern beyden entſchloſſen ſich ihn zu

Schiffe
D d d 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0795" n="789"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
fromm &#x017F;eyn ko&#x0364;nnen, wo &#x017F;ie nicht ihre natu&#x0364;rliche<lb/>
gute Gaben und ihre guten Sitten verleugnen!<lb/>
&#x2012; &#x2012; Ey Bruder &#x2012; &#x2012; hiebey wandte er mich um<lb/>
&#x2012; &#x2012; ich bitte dich, &#x017F;iehe doch in die Ho&#x0364;he, Kerl!<lb/>
&#x2012; &#x2012; Weißt du nicht, daß die Religion, wenn &#x017F;ie<lb/>
das Herz einmal geho&#x0364;rig eingenommen hat, die<lb/>
freudig&#x017F;ten <hi rendition="#fr">Ge&#x017F;ichter</hi> von der Welt <hi rendition="#fr">bildet?</hi> &#x2012; &#x2012;<lb/>
So habe ich meine geliebte Fra&#x0364;ulein Harlowe &#x017F;a-<lb/>
gen ho&#x0364;ren: und &#x017F;ie hat es wohl gewußt; oder es<lb/>
mu&#x0364;ßte es niemand wi&#x017F;&#x017F;en. War auch <hi rendition="#fr">ihr</hi> An&#x017F;ehen<lb/>
nicht ein angenehmer Beweis von die&#x017F;er Anmer-<lb/>
kung? Allein aus denen Wallungen in deiner ver-<lb/>
fluchten Kehle und aus deinen ver&#x017F;tellten Geba&#x0364;r-<lb/>
den &#x017F;ehe ich, daß du nur noch ein Lehrling darin-<lb/>
nen bi&#x017F;t! &#x2012; &#x2012; Ach, Belford, Belford, du ha&#x017F;t<lb/>
noch er&#x017F;t ein verdammtes Stu&#x0364;ck von Dornen und<lb/>
Di&#x017F;teln mit bloßen Fu&#x0364;ßen durchzutreten, ehe die<lb/>
Religion deine fin&#x017F;tere Bildung erheitern wird.</p><lb/>
          <p>Jch gebe Jhrer Gnaden die&#x017F;e Nachricht in<lb/>
der Ab&#x017F;icht, damit ich Jhrem Verlangen Genu&#x0364;ge<lb/>
thun mo&#x0364;ge: da Sie wi&#x017F;&#x017F;en wollen, ob ich glaube,<lb/>
daß er wieder eben der Men&#x017F;ch geworden, der er<lb/>
gewe&#x017F;en i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Bey un&#x017F;ern Unterredungen u&#x0364;ber Ti&#x017F;che war<lb/>
er ungewiß, ob er na&#x0364;ch&#x017F;tku&#x0364;nftigen Morgen oder<lb/>
den Morgen hernach abrei&#x017F;en &#x017F;ollte. Weil ich<lb/>
aber fand, daß er nichts zu thun ha&#x0364;tte; und weil<lb/>
der Obri&#x017F;t Morden in London war, wovon ich<lb/>
ihm gleichwohl nichts &#x017F;agte: &#x017F;o gab ich den Aus-<lb/>
&#x017F;chlag, und er ward einig, morgen fru&#x0364;he abzuge-<lb/>
hen. Die andern beyden ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich ihn zu<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D d d 3</fw><fw place="bottom" type="catch">Schiffe</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[789/0795] fromm ſeyn koͤnnen, wo ſie nicht ihre natuͤrliche gute Gaben und ihre guten Sitten verleugnen! ‒ ‒ Ey Bruder ‒ ‒ hiebey wandte er mich um ‒ ‒ ich bitte dich, ſiehe doch in die Hoͤhe, Kerl! ‒ ‒ Weißt du nicht, daß die Religion, wenn ſie das Herz einmal gehoͤrig eingenommen hat, die freudigſten Geſichter von der Welt bildet? ‒ ‒ So habe ich meine geliebte Fraͤulein Harlowe ſa- gen hoͤren: und ſie hat es wohl gewußt; oder es muͤßte es niemand wiſſen. War auch ihr Anſehen nicht ein angenehmer Beweis von dieſer Anmer- kung? Allein aus denen Wallungen in deiner ver- fluchten Kehle und aus deinen verſtellten Gebaͤr- den ſehe ich, daß du nur noch ein Lehrling darin- nen biſt! ‒ ‒ Ach, Belford, Belford, du haſt noch erſt ein verdammtes Stuͤck von Dornen und Diſteln mit bloßen Fuͤßen durchzutreten, ehe die Religion deine finſtere Bildung erheitern wird. Jch gebe Jhrer Gnaden dieſe Nachricht in der Abſicht, damit ich Jhrem Verlangen Genuͤge thun moͤge: da Sie wiſſen wollen, ob ich glaube, daß er wieder eben der Menſch geworden, der er geweſen iſt. Bey unſern Unterredungen uͤber Tiſche war er ungewiß, ob er naͤchſtkuͤnftigen Morgen oder den Morgen hernach abreiſen ſollte. Weil ich aber fand, daß er nichts zu thun haͤtte; und weil der Obriſt Morden in London war, wovon ich ihm gleichwohl nichts ſagte: ſo gab ich den Aus- ſchlag, und er ward einig, morgen fruͤhe abzuge- hen. Die andern beyden entſchloſſen ſich ihn zu Schiffe D d d 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/795
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 789. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/795>, abgerufen am 28.11.2024.