Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite



danke hauptsächlich von ihr selbst oder von der
liebreichen Lehrmeisterinn herkäme; indem sie, die
unterwiesene Person ihn, wenn er einmal auf die
Bahn gebracht war, erweitern konnte.

Sie wußte in denen Theilen der Wissenschaf-
ten, die sie zu erlangen suchte, das Gothische und
Vandalische wohl zu entdecken und vor Augen zu
legen: und dieß alles von Natur.

Das, was sich eigentlich zu einer jeden Sa-
che schicket; wodurch die Natur nur mit einem
andern Worte angedeutet wird; war bey ihr ein
Gesetz, nach welchem sie alles einrichtete: gleich-
wie es der Grund aller wahren Beurtheilung ist.

Jhre Geschicklichkeit im Nähen und Sticken
werden Sie in einigen von denen Briefen viel-
leicht berühret finden. Das Stück, welches sie
ihrem Vetter Morden vermacht, ist in der That
ein Meisterstück: ein so bewundernswürdiges
Werk, daß der Vater dieses Herrn, der größten-
theils außerhalb Landes seinen Aufenthalt hatte,
es sehr gern haben wollte, wie in ihrem Testament
erwähnet wird, damit er es mit sich nach Jtalien
nehmen könnte, um den Neubegierigen von an-
dern
Ländern, wie er zu sagen pflegte, zur Ehre
seines Vaterlandes zu zeigen, daß bey den eng-
ländischen Frauenzimmern das Einsperren in
Klöstern nicht nöthig wäre, um sie geschickt zu
machen, sich in denen schönen Künsten hervorzu-
thun, womit sich Nonnen und Klosterfrauen so
viel wissen.

Jhre



danke hauptſaͤchlich von ihr ſelbſt oder von der
liebreichen Lehrmeiſterinn herkaͤme; indem ſie, die
unterwieſene Perſon ihn, wenn er einmal auf die
Bahn gebracht war, erweitern konnte.

Sie wußte in denen Theilen der Wiſſenſchaf-
ten, die ſie zu erlangen ſuchte, das Gothiſche und
Vandaliſche wohl zu entdecken und vor Augen zu
legen: und dieß alles von Natur.

Das, was ſich eigentlich zu einer jeden Sa-
che ſchicket; wodurch die Natur nur mit einem
andern Worte angedeutet wird; war bey ihr ein
Geſetz, nach welchem ſie alles einrichtete: gleich-
wie es der Grund aller wahren Beurtheilung iſt.

Jhre Geſchicklichkeit im Naͤhen und Sticken
werden Sie in einigen von denen Briefen viel-
leicht beruͤhret finden. Das Stuͤck, welches ſie
ihrem Vetter Morden vermacht, iſt in der That
ein Meiſterſtuͤck: ein ſo bewundernswuͤrdiges
Werk, daß der Vater dieſes Herrn, der groͤßten-
theils außerhalb Landes ſeinen Aufenthalt hatte,
es ſehr gern haben wollte, wie in ihrem Teſtament
erwaͤhnet wird, damit er es mit ſich nach Jtalien
nehmen koͤnnte, um den Neubegierigen von an-
dern
Laͤndern, wie er zu ſagen pflegte, zur Ehre
ſeines Vaterlandes zu zeigen, daß bey den eng-
laͤndiſchen Frauenzimmern das Einſperren in
Kloͤſtern nicht noͤthig waͤre, um ſie geſchickt zu
machen, ſich in denen ſchoͤnen Kuͤnſten hervorzu-
thun, womit ſich Nonnen und Kloſterfrauen ſo
viel wiſſen.

Jhre
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0819" n="813"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
danke haupt&#x017F;a&#x0364;chlich von ihr &#x017F;elb&#x017F;t oder von der<lb/>
liebreichen Lehrmei&#x017F;terinn herka&#x0364;me; indem &#x017F;ie, die<lb/>
unterwie&#x017F;ene Per&#x017F;on ihn, wenn er einmal auf die<lb/>
Bahn gebracht war, erweitern konnte.</p><lb/>
          <p>Sie wußte in denen Theilen der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaf-<lb/>
ten, die &#x017F;ie zu erlangen &#x017F;uchte, das Gothi&#x017F;che und<lb/>
Vandali&#x017F;che wohl zu entdecken und vor Augen zu<lb/>
legen: und dieß alles von Natur.</p><lb/>
          <p>Das, was &#x017F;ich <hi rendition="#fr">eigentlich</hi> zu einer jeden Sa-<lb/>
che <hi rendition="#fr">&#x017F;chicket;</hi> wodurch die <hi rendition="#fr">Natur</hi> nur mit einem<lb/>
andern Worte angedeutet wird; war bey ihr ein<lb/>
Ge&#x017F;etz, nach welchem &#x017F;ie alles einrichtete: gleich-<lb/>
wie es der Grund aller wahren Beurtheilung i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Jhre Ge&#x017F;chicklichkeit im Na&#x0364;hen und Sticken<lb/>
werden Sie in einigen von denen Briefen viel-<lb/>
leicht beru&#x0364;hret finden. Das Stu&#x0364;ck, welches &#x017F;ie<lb/>
ihrem Vetter Morden vermacht, i&#x017F;t in der That<lb/>
ein Mei&#x017F;ter&#x017F;tu&#x0364;ck: ein &#x017F;o bewundernswu&#x0364;rdiges<lb/>
Werk, daß der Vater die&#x017F;es Herrn, der gro&#x0364;ßten-<lb/>
theils außerhalb Landes &#x017F;einen Aufenthalt hatte,<lb/>
es &#x017F;ehr gern haben wollte, wie in ihrem Te&#x017F;tament<lb/>
erwa&#x0364;hnet wird, damit er es mit &#x017F;ich nach Jtalien<lb/>
nehmen ko&#x0364;nnte, um den Neubegierigen von <hi rendition="#fr">an-<lb/>
dern</hi> La&#x0364;ndern, wie er zu &#x017F;agen pflegte, zur Ehre<lb/><hi rendition="#fr">&#x017F;eines Vaterlandes</hi> zu zeigen, daß bey den eng-<lb/>
la&#x0364;ndi&#x017F;chen Frauenzimmern das Ein&#x017F;perren in<lb/>
Klo&#x0364;&#x017F;tern nicht no&#x0364;thig wa&#x0364;re, um &#x017F;ie ge&#x017F;chickt zu<lb/>
machen, &#x017F;ich in denen &#x017F;cho&#x0364;nen Ku&#x0364;n&#x017F;ten hervorzu-<lb/>
thun, womit &#x017F;ich Nonnen und Klo&#x017F;terfrauen &#x017F;o<lb/>
viel wi&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Jhre</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[813/0819] danke hauptſaͤchlich von ihr ſelbſt oder von der liebreichen Lehrmeiſterinn herkaͤme; indem ſie, die unterwieſene Perſon ihn, wenn er einmal auf die Bahn gebracht war, erweitern konnte. Sie wußte in denen Theilen der Wiſſenſchaf- ten, die ſie zu erlangen ſuchte, das Gothiſche und Vandaliſche wohl zu entdecken und vor Augen zu legen: und dieß alles von Natur. Das, was ſich eigentlich zu einer jeden Sa- che ſchicket; wodurch die Natur nur mit einem andern Worte angedeutet wird; war bey ihr ein Geſetz, nach welchem ſie alles einrichtete: gleich- wie es der Grund aller wahren Beurtheilung iſt. Jhre Geſchicklichkeit im Naͤhen und Sticken werden Sie in einigen von denen Briefen viel- leicht beruͤhret finden. Das Stuͤck, welches ſie ihrem Vetter Morden vermacht, iſt in der That ein Meiſterſtuͤck: ein ſo bewundernswuͤrdiges Werk, daß der Vater dieſes Herrn, der groͤßten- theils außerhalb Landes ſeinen Aufenthalt hatte, es ſehr gern haben wollte, wie in ihrem Teſtament erwaͤhnet wird, damit er es mit ſich nach Jtalien nehmen koͤnnte, um den Neubegierigen von an- dern Laͤndern, wie er zu ſagen pflegte, zur Ehre ſeines Vaterlandes zu zeigen, daß bey den eng- laͤndiſchen Frauenzimmern das Einſperren in Kloͤſtern nicht noͤthig waͤre, um ſie geſchickt zu machen, ſich in denen ſchoͤnen Kuͤnſten hervorzu- thun, womit ſich Nonnen und Kloſterfrauen ſo viel wiſſen. Jhre

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/819
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 813. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/819>, abgerufen am 26.06.2024.