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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

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Obrist Morden nicht suchet: so wird er euch nicht
suchen; das ist meine Meynung. Denn er ist
ein Mann von guten Grundsätzen. Sucht ihr
ihn aber: so glaube ich, daß er euch nicht fliehen
werde.

Erlaubt mir noch einmal darauf zu dringen;
es ist die Wirkung meiner Liebe gegen euch! daß
ihr ja wisset, wie viel Schuld ihr in dieser Sache
habet, und billig nicht wiederum der angreifende
Theil seyn solltet. Es würde Schade seyn, daß
ein so rechtschaffener Mann, als der Obrist Morden
ist, fallen sollte; wenn ihr und er zusammen kä-
met: und an der andern Seite würde es schreck-
lich seyn, daß ihr unbereitet, und in dem Verfolg
einer neuen Rache, an den Ort geschickt werden
solltet, wo ihr Rechenschaft zu geben habet. Siehst
du überdieß nicht in dem Tode zwoer Personen,
die deine vornehmsten Unterhändler gewesen, die
Handschrift an der Wand wider dich?

Mein Eifer mag Ursache seyn, daß ich mich
bey dieser Gelegenheit einiger Wiederhohlung
schuldig mache. Jch weiß in der That nicht, wie
ich von der Sache abbrechen soll. Allein wo
das, was ich geschrieben habe, nebst euren eignen
Gewissensregungen und eurem Bewußtseyn, euch
nicht gewinnen kann: so wird alles, was ich fer-
ner vorstellen könnte, kraftlos seyn.

Lebe also wohl! Jch wünsche, daß du wegen
des Vergangenen Buße thun mögest, und daß
keine neue Gewaltthätigkeit deine schweren Ge-

danken



Obriſt Morden nicht ſuchet: ſo wird er euch nicht
ſuchen; das iſt meine Meynung. Denn er iſt
ein Mann von guten Grundſaͤtzen. Sucht ihr
ihn aber: ſo glaube ich, daß er euch nicht fliehen
werde.

Erlaubt mir noch einmal darauf zu dringen;
es iſt die Wirkung meiner Liebe gegen euch! daß
ihr ja wiſſet, wie viel Schuld ihr in dieſer Sache
habet, und billig nicht wiederum der angreifende
Theil ſeyn ſolltet. Es wuͤrde Schade ſeyn, daß
ein ſo rechtſchaffener Mann, als der Obriſt Morden
iſt, fallen ſollte; wenn ihr und er zuſammen kaͤ-
met: und an der andern Seite wuͤrde es ſchreck-
lich ſeyn, daß ihr unbereitet, und in dem Verfolg
einer neuen Rache, an den Ort geſchickt werden
ſolltet, wo ihr Rechenſchaft zu geben habet. Siehſt
du uͤberdieß nicht in dem Tode zwoer Perſonen,
die deine vornehmſten Unterhaͤndler geweſen, die
Handſchrift an der Wand wider dich?

Mein Eifer mag Urſache ſeyn, daß ich mich
bey dieſer Gelegenheit einiger Wiederhohlung
ſchuldig mache. Jch weiß in der That nicht, wie
ich von der Sache abbrechen ſoll. Allein wo
das, was ich geſchrieben habe, nebſt euren eignen
Gewiſſensregungen und eurem Bewußtſeyn, euch
nicht gewinnen kann: ſo wird alles, was ich fer-
ner vorſtellen koͤnnte, kraftlos ſeyn.

Lebe alſo wohl! Jch wuͤnſche, daß du wegen
des Vergangenen Buße thun moͤgeſt, und daß
keine neue Gewaltthaͤtigkeit deine ſchweren Ge-

danken
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[844/0850] Obriſt Morden nicht ſuchet: ſo wird er euch nicht ſuchen; das iſt meine Meynung. Denn er iſt ein Mann von guten Grundſaͤtzen. Sucht ihr ihn aber: ſo glaube ich, daß er euch nicht fliehen werde. Erlaubt mir noch einmal darauf zu dringen; es iſt die Wirkung meiner Liebe gegen euch! daß ihr ja wiſſet, wie viel Schuld ihr in dieſer Sache habet, und billig nicht wiederum der angreifende Theil ſeyn ſolltet. Es wuͤrde Schade ſeyn, daß ein ſo rechtſchaffener Mann, als der Obriſt Morden iſt, fallen ſollte; wenn ihr und er zuſammen kaͤ- met: und an der andern Seite wuͤrde es ſchreck- lich ſeyn, daß ihr unbereitet, und in dem Verfolg einer neuen Rache, an den Ort geſchickt werden ſolltet, wo ihr Rechenſchaft zu geben habet. Siehſt du uͤberdieß nicht in dem Tode zwoer Perſonen, die deine vornehmſten Unterhaͤndler geweſen, die Handſchrift an der Wand wider dich? Mein Eifer mag Urſache ſeyn, daß ich mich bey dieſer Gelegenheit einiger Wiederhohlung ſchuldig mache. Jch weiß in der That nicht, wie ich von der Sache abbrechen ſoll. Allein wo das, was ich geſchrieben habe, nebſt euren eignen Gewiſſensregungen und eurem Bewußtſeyn, euch nicht gewinnen kann: ſo wird alles, was ich fer- ner vorſtellen koͤnnte, kraftlos ſeyn. Lebe alſo wohl! Jch wuͤnſche, daß du wegen des Vergangenen Buße thun moͤgeſt, und daß keine neue Gewaltthaͤtigkeit deine ſchweren Ge- danken

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 844. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/850>, abgerufen am 22.11.2024.