mich selbst und die Welt eines solchen Segens be- raubet habe? Dann und wann bin ich freylich geschickt, einen Strahl des Trostes zu empfinden, der nicht ohne edelmüthige Gesinnung aus der sittlichen Gewißheit, die ich von ihrer ewigen Glückseligkeit habe, hervorbricht: einer Glückse- ligkeit, zu der sie gekommen ist, Trotz aller Ränke und Künste, welche ich auf die Bahn brachte, ihre Tugend zu bestricken und ein so reines Ge- müth eben so weit zu erniedrigen, als das meini- ge erniedrigt war.
Denn wenn das Aergste kömmt; dieß Aergste lasse du, Der es allein vermag, o höchster Herr, nicht zu! Kann mich der Jammer denn so völlig über- decken, Daß ich nicht dann und wann, auch in dem fin- stern Schrecken Noch einen Frendenstrahl, zum wenigsten doch Rast, Auf eine kurze Zeit, von meiner Angst und Last, Aus ihrer Seligkeit zur Lindrung ziehen müß- te? - - Denn warum? Nicht ein Geist, der von ihr gar nichts wüßte - - Nein, diese Seele selbst, muß an das Leiden gehn. Es kann mein Geist nicht seyn: sollt er sie glücklich sehn,
Und
mich ſelbſt und die Welt eines ſolchen Segens be- raubet habe? Dann und wann bin ich freylich geſchickt, einen Strahl des Troſtes zu empfinden, der nicht ohne edelmuͤthige Geſinnung aus der ſittlichen Gewißheit, die ich von ihrer ewigen Gluͤckſeligkeit habe, hervorbricht: einer Gluͤckſe- ligkeit, zu der ſie gekommen iſt, Trotz aller Raͤnke und Kuͤnſte, welche ich auf die Bahn brachte, ihre Tugend zu beſtricken und ein ſo reines Ge- muͤth eben ſo weit zu erniedrigen, als das meini- ge erniedrigt war.
Denn wenn das Aergſte koͤmmt; dieß Aergſte laſſe du, Der es allein vermag, o hoͤchſter Herr, nicht zu! Kann mich der Jammer denn ſo voͤllig uͤber- decken, Daß ich nicht dann und wann, auch in dem fin- ſtern Schrecken Noch einen Frendenſtrahl, zum wenigſten doch Raſt, Auf eine kurze Zeit, von meiner Angſt und Laſt, Aus ihrer Seligkeit zur Lindrung ziehen muͤß- te? ‒ ‒ Denn warum? Nicht ein Geiſt, der von ihr gar nichts wuͤßte ‒ ‒ Nein, dieſe Seele ſelbſt, muß an das Leiden gehn. Es kann mein Geiſt nicht ſeyn: ſollt er ſie gluͤcklich ſehn,
Und
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mich ſelbſt und die Welt eines ſolchen Segens be-
raubet habe? Dann und wann bin ich freylich
geſchickt, einen Strahl des Troſtes zu empfinden,
der nicht ohne edelmuͤthige Geſinnung aus der
ſittlichen Gewißheit, die ich von ihrer ewigen
Gluͤckſeligkeit habe, hervorbricht: einer Gluͤckſe-
ligkeit, zu der ſie gekommen iſt, Trotz aller Raͤnke
und Kuͤnſte, welche ich auf die Bahn brachte,
ihre Tugend zu beſtricken und ein ſo reines Ge-
muͤth eben ſo weit zu erniedrigen, als das meini-
ge erniedrigt war.
Denn wenn das Aergſte koͤmmt; dieß Aergſte
laſſe du,
Der es allein vermag, o hoͤchſter Herr, nicht zu!
Kann mich der Jammer denn ſo voͤllig uͤber-
decken,
Daß ich nicht dann und wann, auch in dem fin-
ſtern Schrecken
Noch einen Frendenſtrahl, zum wenigſten doch
Raſt,
Auf eine kurze Zeit, von meiner Angſt und Laſt,
Aus ihrer Seligkeit zur Lindrung ziehen muͤß-
te? ‒ ‒
Denn warum? Nicht ein Geiſt, der von ihr
gar nichts wuͤßte ‒ ‒
Nein, dieſe Seele ſelbſt, muß an das Leiden
gehn.
Es kann mein Geiſt nicht ſeyn: ſollt er ſie
gluͤcklich ſehn,
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 861. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/867>, abgerufen am 22.11.2024.
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