Dies veranlaßte zuerst den Briefwechsel mit ihm, und brachte das gefürchtete Unglück mit doppeltem Gewicht über mich selbst. Meine Eitelkeit und Selbst-Betrug können, so viel ich weiß, auch an dieser Unbedachtsamkeit Theil gehabt haben. Denn siehet es nicht aus, als wenn ich mich in meiner Familie für die geschickteste gehalten hätte, Schwierigkeiten zu heben?
Aber Sie müssen nicht denken, mein Kind, daß mein Herz jetzt noch mit meinem Auge im Bündniß stehet. Das betrogne Auge siehet nunmehr seinen Fehler klärlich ein, und das verführte Herz verachtet es deswegen. Daher will ich mich auch an meinen Oncle wenden. Daher kommt es, daß ich mit Warheit, ge- wiß mit Warheit! sagen kann, ich wollte für meinen Fehler eine jede Genugthuung leisten, und sollte es auch ein oder etliche Glieder an meinem Leibe kosten, wenn es damit ausge- macht wäre!
Leben Sie wol, meine theureste Freundin; - - Möchte Jhr Herz nimmer den hundertsten Theil der Angst fühlen, die ich gegenwärtig empfinde! Das ist der Wunsch
Jhrer ewig ergebnen Clarissa Harlowe.
Fräu-
Dies veranlaßte zuerſt den Briefwechſel mit ihm, und brachte das gefuͤrchtete Ungluͤck mit doppeltem Gewicht uͤber mich ſelbſt. Meine Eitelkeit und Selbſt-Betrug koͤnnen, ſo viel ich weiß, auch an dieſer Unbedachtſamkeit Theil gehabt haben. Denn ſiehet es nicht aus, als wenn ich mich in meiner Familie fuͤr die geſchickteſte gehalten haͤtte, Schwierigkeiten zu heben?
Aber Sie muͤſſen nicht denken, mein Kind, daß mein Herz jetzt noch mit meinem Auge im Buͤndniß ſtehet. Das betrogne Auge ſiehet nunmehr ſeinen Fehler klaͤrlich ein, und das verfuͤhrte Herz verachtet es deswegen. Daher will ich mich auch an meinen Oncle wenden. Daher kommt es, daß ich mit Warheit, ge- wiß mit Warheit! ſagen kann, ich wollte fuͤr meinen Fehler eine jede Genugthuung leiſten, und ſollte es auch ein oder etliche Glieder an meinem Leibe koſten, wenn es damit ausge- macht waͤre!
Leben Sie wol, meine theureſte Freundin; ‒ ‒ Moͤchte Jhr Herz nimmer den hundertſten Theil der Angſt fuͤhlen, die ich gegenwaͤrtig empfinde! Das iſt der Wunſch
Jhrer ewig ergebnen Clariſſa Harlowe.
Fraͤu-
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Dies veranlaßte zuerſt den Briefwechſel mit
ihm, und brachte das gefuͤrchtete Ungluͤck mit
doppeltem Gewicht uͤber mich ſelbſt. Meine
Eitelkeit und Selbſt-Betrug koͤnnen, ſo viel
ich weiß, auch an dieſer Unbedachtſamkeit
Theil gehabt haben. Denn ſiehet es nicht aus,
als wenn ich mich in meiner Familie fuͤr die
geſchickteſte gehalten haͤtte, Schwierigkeiten zu
heben?
Aber Sie muͤſſen nicht denken, mein Kind,
daß mein Herz jetzt noch mit meinem Auge im
Buͤndniß ſtehet. Das betrogne Auge ſiehet
nunmehr ſeinen Fehler klaͤrlich ein, und das
verfuͤhrte Herz verachtet es deswegen. Daher
will ich mich auch an meinen Oncle wenden.
Daher kommt es, daß ich mit Warheit, ge-
wiß mit Warheit! ſagen kann, ich wollte fuͤr
meinen Fehler eine jede Genugthuung leiſten,
und ſollte es auch ein oder etliche Glieder an
meinem Leibe koſten, wenn es damit ausge-
macht waͤre!
Leben Sie wol, meine theureſte Freundin;
‒ ‒ Moͤchte Jhr Herz nimmer den hundertſten
Theil der Angſt fuͤhlen, die ich gegenwaͤrtig
empfinde! Das iſt der Wunſch
Jhrer
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Clariſſa Harlowe.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/147>, abgerufen am 16.07.2024.
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