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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753.

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kommen ich sei, und wie sehr wahr es wäre,
was die Gottesgelehrten sagen: daß die
Sünde unsre besten Handlungen begleitet.

Wiewol ich war sehr jung. - - Doch hier
habe ich von neuen Ursache, über mich selbst zu
wachen. Denn liegt nicht in den vier Worten:
ich war sehr jung eine Entschuldigung heim-
lich verborgen, die hinlänglich ist, meinen Ent-
deckungen und Bekenntnissen alle Kraft zu be-
nehmen?

Welche wunderliche unvollkommne Geschöpfe
sind wir doch! - - Allein der Eigennutz, der
bei allen unsern Handlungen und Wünschen
zum Grunde liegt, ist hier der große Verführer.

Jch will diese ernsthaften Betrachtungen ge-
gen Sie nicht entschuldigen, mein Kind. Sind
sie nicht hinlänglich, ein unglückliches Mädgen
zu bewegen, daß es in sich selbst hineinschauet,
und sich zu entdecken suchet? Ein Mädgen, das,
seinem eignen Stolz und Einbildungen überlas-
sen durch einen unbedachtsamen Schrit, von
einem so erhabnen Ruhm in die fürchterlichen
Umstände hinuntergestürzet ist, worin ich mich
befinde!

Lassen Sie mich dem ungeachtet ins Künfti-
ge hinein sehen. Wenn ich verzweifelte, so wür-
de ich Sünden mit Sünden häufen. Und wen
habe ich, der mich aufrichten, der mich trösten
könnte, wenn ich mich selbst aufgebe? - - Du,
mein Vater, der du mich nicht aufgegeben, mir
noch nicht gefluchet hast! - - Denn ich bin die

Deini-



kommen ich ſei, und wie ſehr wahr es waͤre,
was die Gottesgelehrten ſagen: daß die
Suͤnde unſre beſten Handlungen begleitet.

Wiewol ich war ſehr jung. ‒ ‒ Doch hier
habe ich von neuen Urſache, uͤber mich ſelbſt zu
wachen. Denn liegt nicht in den vier Worten:
ich war ſehr jung eine Entſchuldigung heim-
lich verborgen, die hinlaͤnglich iſt, meinen Ent-
deckungen und Bekenntniſſen alle Kraft zu be-
nehmen?

Welche wunderliche unvollkommne Geſchoͤpfe
ſind wir doch! ‒ ‒ Allein der Eigennutz, der
bei allen unſern Handlungen und Wuͤnſchen
zum Grunde liegt, iſt hier der große Verfuͤhrer.

Jch will dieſe ernſthaften Betrachtungen ge-
gen Sie nicht entſchuldigen, mein Kind. Sind
ſie nicht hinlaͤnglich, ein ungluͤckliches Maͤdgen
zu bewegen, daß es in ſich ſelbſt hineinſchauet,
und ſich zu entdecken ſuchet? Ein Maͤdgen, das,
ſeinem eignen Stolz und Einbildungen uͤberlaſ-
ſen durch einen unbedachtſamen Schrit, von
einem ſo erhabnen Ruhm in die fuͤrchterlichen
Umſtaͤnde hinuntergeſtuͤrzet iſt, worin ich mich
befinde!

Laſſen Sie mich dem ungeachtet ins Kuͤnfti-
ge hinein ſehen. Wenn ich verzweifelte, ſo wuͤr-
de ich Suͤnden mit Suͤnden haͤufen. Und wen
habe ich, der mich aufrichten, der mich troͤſten
koͤnnte, wenn ich mich ſelbſt aufgebe? ‒ ‒ Du,
mein Vater, der du mich nicht aufgegeben, mir
noch nicht gefluchet haſt! ‒ ‒ Denn ich bin die

Deini-
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[164/0172] kommen ich ſei, und wie ſehr wahr es waͤre, was die Gottesgelehrten ſagen: daß die Suͤnde unſre beſten Handlungen begleitet. Wiewol ich war ſehr jung. ‒ ‒ Doch hier habe ich von neuen Urſache, uͤber mich ſelbſt zu wachen. Denn liegt nicht in den vier Worten: ich war ſehr jung eine Entſchuldigung heim- lich verborgen, die hinlaͤnglich iſt, meinen Ent- deckungen und Bekenntniſſen alle Kraft zu be- nehmen? Welche wunderliche unvollkommne Geſchoͤpfe ſind wir doch! ‒ ‒ Allein der Eigennutz, der bei allen unſern Handlungen und Wuͤnſchen zum Grunde liegt, iſt hier der große Verfuͤhrer. Jch will dieſe ernſthaften Betrachtungen ge- gen Sie nicht entſchuldigen, mein Kind. Sind ſie nicht hinlaͤnglich, ein ungluͤckliches Maͤdgen zu bewegen, daß es in ſich ſelbſt hineinſchauet, und ſich zu entdecken ſuchet? Ein Maͤdgen, das, ſeinem eignen Stolz und Einbildungen uͤberlaſ- ſen durch einen unbedachtſamen Schrit, von einem ſo erhabnen Ruhm in die fuͤrchterlichen Umſtaͤnde hinuntergeſtuͤrzet iſt, worin ich mich befinde! Laſſen Sie mich dem ungeachtet ins Kuͤnfti- ge hinein ſehen. Wenn ich verzweifelte, ſo wuͤr- de ich Suͤnden mit Suͤnden haͤufen. Und wen habe ich, der mich aufrichten, der mich troͤſten koͤnnte, wenn ich mich ſelbſt aufgebe? ‒ ‒ Du, mein Vater, der du mich nicht aufgegeben, mir noch nicht gefluchet haſt! ‒ ‒ Denn ich bin die Deini-

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/172>, abgerufen am 21.11.2024.