Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753.

Bild:
<< vorherige Seite



Fräulein Howe eingiebt, ferner sicher machen.
Denn wenn ihre Zärtlichkeit ein Fehler ist, so
wird sie solche eben so wenig überwinden, als
ich meine Abneigung gegen den Ehestand. Ge-
wohnheit, Gewohnheit, siehest du das nicht,
Bruder? wird uns beide zu Schwachheiten ver-
führen. Und sollte sie nicht so wol gegen mich,
als gegen sie Menschenliebe haben?

Es ist wahr, ich habe u. s. w.

Th. V. S. 504. L. 17. nach den Worten:
wie es aussehen möchte.

So bin ich hier in meinem Speise-Saal,
und habe nichts zu thun, als zu schreiben, bis
sie wiederkommen.

Und was, denkest du, wird mein Vorwurf
seyn? - - Was? der alte abgenutzte Vorwurf,
ganz gewiß - - Ein Kampf mit mir selber - -
bei einer Gewissens-Angst, die nur eine Zeit-
lang dauret! Denn da der Streich noch nicht
geschehen ist, so verdoppelt ihr Schutz-Engel
seine Bemühungen, sie zu retten.

Wenn der es nicht ist, (und doch, was soll-
te ihr Schutz-Engel für Macht über mich ha-
ben?) so weiß ich nicht, was es seyn kann, das
meiner Ruhe einen Zügel anlegt, so oft ich ge-
gen eine so erhabne Tugend auf Verrätherei
denke. Mein Gewißen ist todt und fort, wie
ich dir sagte; das kann es also wol nicht seyn.
Ein junges Gewissen, das gleich dem Phoe-
nix,
aus der Asche des alten hervorkäme, kann

es
N 3



Fraͤulein Howe eingiebt, ferner ſicher machen.
Denn wenn ihre Zaͤrtlichkeit ein Fehler iſt, ſo
wird ſie ſolche eben ſo wenig uͤberwinden, als
ich meine Abneigung gegen den Eheſtand. Ge-
wohnheit, Gewohnheit, ſieheſt du das nicht,
Bruder? wird uns beide zu Schwachheiten ver-
fuͤhren. Und ſollte ſie nicht ſo wol gegen mich,
als gegen ſie Menſchenliebe haben?

Es iſt wahr, ich habe u. ſ. w.

Th. V. S. 504. L. 17. nach den Worten:
wie es ausſehen moͤchte.

So bin ich hier in meinem Speiſe-Saal,
und habe nichts zu thun, als zu ſchreiben, bis
ſie wiederkommen.

Und was, denkeſt du, wird mein Vorwurf
ſeyn? ‒ ‒ Was? der alte abgenutzte Vorwurf,
ganz gewiß ‒ ‒ Ein Kampf mit mir ſelber ‒ ‒
bei einer Gewiſſens-Angſt, die nur eine Zeit-
lang dauret! Denn da der Streich noch nicht
geſchehen iſt, ſo verdoppelt ihr Schutz-Engel
ſeine Bemuͤhungen, ſie zu retten.

Wenn der es nicht iſt, (und doch, was ſoll-
te ihr Schutz-Engel fuͤr Macht uͤber mich ha-
ben?) ſo weiß ich nicht, was es ſeyn kann, das
meiner Ruhe einen Zuͤgel anlegt, ſo oft ich ge-
gen eine ſo erhabne Tugend auf Verraͤtherei
denke. Mein Gewißen iſt todt und fort, wie
ich dir ſagte; das kann es alſo wol nicht ſeyn.
Ein junges Gewiſſen, das gleich dem Phoe-
nix,
aus der Aſche des alten hervorkaͤme, kann

es
N 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0205" n="197"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Fra&#x0364;ulein <hi rendition="#fr">Howe</hi> eingiebt, ferner &#x017F;icher machen.<lb/>
Denn wenn ihre Za&#x0364;rtlichkeit ein Fehler i&#x017F;t, &#x017F;o<lb/>
wird &#x017F;ie &#x017F;olche eben &#x017F;o wenig u&#x0364;berwinden, als<lb/>
ich meine Abneigung gegen den Ehe&#x017F;tand. Ge-<lb/>
wohnheit, Gewohnheit, &#x017F;iehe&#x017F;t du das nicht,<lb/>
Bruder? wird uns beide zu Schwachheiten ver-<lb/>
fu&#x0364;hren. Und &#x017F;ollte &#x017F;ie nicht &#x017F;o wol gegen mich,<lb/>
als gegen &#x017F;ie Men&#x017F;chenliebe haben?</p><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t wahr, ich habe u. &#x017F;. w.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>Th. <hi rendition="#aq">V.</hi> S. 504. L. 17. nach den Worten:<lb/><hi rendition="#fr">wie es aus&#x017F;ehen mo&#x0364;chte.</hi></head><lb/>
          <p>So bin ich hier in meinem Spei&#x017F;e-Saal,<lb/>
und habe nichts zu thun, als zu &#x017F;chreiben, bis<lb/>
&#x017F;ie wiederkommen.</p><lb/>
          <p>Und was, denke&#x017F;t du, wird mein Vorwurf<lb/>
&#x017F;eyn? &#x2012; &#x2012; Was? der alte abgenutzte Vorwurf,<lb/>
ganz gewiß &#x2012; &#x2012; Ein Kampf mit mir &#x017F;elber &#x2012; &#x2012;<lb/>
bei einer Gewi&#x017F;&#x017F;ens-Ang&#x017F;t, die nur eine Zeit-<lb/>
lang dauret! Denn da der Streich noch nicht<lb/>
ge&#x017F;chehen i&#x017F;t, &#x017F;o verdoppelt ihr Schutz-Engel<lb/>
&#x017F;eine Bemu&#x0364;hungen, &#x017F;ie zu retten.</p><lb/>
          <p>Wenn der es nicht i&#x017F;t, (und doch, was &#x017F;oll-<lb/>
te <hi rendition="#fr">ihr</hi> Schutz-Engel fu&#x0364;r Macht u&#x0364;ber <hi rendition="#fr">mich</hi> ha-<lb/>
ben?) &#x017F;o weiß ich nicht, was es &#x017F;eyn kann, das<lb/>
meiner Ruhe einen Zu&#x0364;gel anlegt, &#x017F;o oft ich ge-<lb/>
gen eine &#x017F;o erhabne Tugend auf Verra&#x0364;therei<lb/>
denke. Mein Gewißen i&#x017F;t todt und fort, wie<lb/>
ich dir &#x017F;agte; das kann es al&#x017F;o wol nicht &#x017F;eyn.<lb/>
Ein junges Gewi&#x017F;&#x017F;en, das gleich dem <hi rendition="#fr">Phoe-<lb/>
nix,</hi> aus der A&#x017F;che des alten hervorka&#x0364;me, kann<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">N 3</fw><fw place="bottom" type="catch">es</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[197/0205] Fraͤulein Howe eingiebt, ferner ſicher machen. Denn wenn ihre Zaͤrtlichkeit ein Fehler iſt, ſo wird ſie ſolche eben ſo wenig uͤberwinden, als ich meine Abneigung gegen den Eheſtand. Ge- wohnheit, Gewohnheit, ſieheſt du das nicht, Bruder? wird uns beide zu Schwachheiten ver- fuͤhren. Und ſollte ſie nicht ſo wol gegen mich, als gegen ſie Menſchenliebe haben? Es iſt wahr, ich habe u. ſ. w. Th. V. S. 504. L. 17. nach den Worten: wie es ausſehen moͤchte. So bin ich hier in meinem Speiſe-Saal, und habe nichts zu thun, als zu ſchreiben, bis ſie wiederkommen. Und was, denkeſt du, wird mein Vorwurf ſeyn? ‒ ‒ Was? der alte abgenutzte Vorwurf, ganz gewiß ‒ ‒ Ein Kampf mit mir ſelber ‒ ‒ bei einer Gewiſſens-Angſt, die nur eine Zeit- lang dauret! Denn da der Streich noch nicht geſchehen iſt, ſo verdoppelt ihr Schutz-Engel ſeine Bemuͤhungen, ſie zu retten. Wenn der es nicht iſt, (und doch, was ſoll- te ihr Schutz-Engel fuͤr Macht uͤber mich ha- ben?) ſo weiß ich nicht, was es ſeyn kann, das meiner Ruhe einen Zuͤgel anlegt, ſo oft ich ge- gen eine ſo erhabne Tugend auf Verraͤtherei denke. Mein Gewißen iſt todt und fort, wie ich dir ſagte; das kann es alſo wol nicht ſeyn. Ein junges Gewiſſen, das gleich dem Phoe- nix, aus der Aſche des alten hervorkaͤme, kann es N 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/205
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/205>, abgerufen am 27.11.2024.