Und auf einen solchen Grund habe ich nie vergeblich gebauet. - -
Den Augenblick beschloß er, mit dem jun- gen Dinge bekannt zu werden, das so heftig für ihn eingenommen zu seyn schien. Nie hat ein Mann eine schnellere Erfindung gehabt, al- le Arten von Unglück anzurichten. Er gab sei- ner Sally ihr Zeichen. Er nannte sie Schwe- ster, so laut, daß jene es höreten. Und Sal- ly erzählte, gleich als aus eigner Bewegung, die besondern Umstände von der ihr angethanen Beleidigung, der jungen Dame und ihrer Mut- ter ins Ohr; wobei sie sich in einen Engel des Lichts verstellte, um den Charackter ihres he- roischen Bruders in einem prächtigern Glanze zu zeigen. Vornemlich rühmte sie seinen be- kannten und bewährten Muth; und mischte in ihre Lobes-Erhebungen solche Umstände von sei- ner Geburt, seinem Reichthum und übrigen Vorzügen, daß ihm gleichsam nichts übrig zu bleiben schien, als in die verliebte Polly ver- liebt zu werden.
Herr Lovelace sahe alsbald, wie das, was sie sagte, zu verstehen sei: So ein braver Mann! bei so angenehmen höflichen Ma- nieren! und errieth den Geschmack der jungen Dame; da sie hingegen nicht argwohnen konn- te, was ein solches äußerliches Ansehen für ein Herz bedeckte! Das war der Mann! der nehmliche Mann! flisterte sie ihrer Mutter zu. Da die Oper geendigt war, mußte sein
Diener
Und auf einen ſolchen Grund habe ich nie vergeblich gebauet. ‒ ‒
Den Augenblick beſchloß er, mit dem jun- gen Dinge bekannt zu werden, das ſo heftig fuͤr ihn eingenommen zu ſeyn ſchien. Nie hat ein Mann eine ſchnellere Erfindung gehabt, al- le Arten von Ungluͤck anzurichten. Er gab ſei- ner Sally ihr Zeichen. Er nannte ſie Schwe- ſter, ſo laut, daß jene es hoͤreten. Und Sal- ly erzaͤhlte, gleich als aus eigner Bewegung, die beſondern Umſtaͤnde von der ihr angethanen Beleidigung, der jungen Dame und ihrer Mut- ter ins Ohr; wobei ſie ſich in einen Engel des Lichts verſtellte, um den Charackter ihres he- roiſchen Bruders in einem praͤchtigern Glanze zu zeigen. Vornemlich ruͤhmte ſie ſeinen be- kannten und bewaͤhrten Muth; und miſchte in ihre Lobes-Erhebungen ſolche Umſtaͤnde von ſei- ner Geburt, ſeinem Reichthum und uͤbrigen Vorzuͤgen, daß ihm gleichſam nichts uͤbrig zu bleiben ſchien, als in die verliebte Polly ver- liebt zu werden.
Herr Lovelace ſahe alsbald, wie das, was ſie ſagte, zu verſtehen ſei: So ein braver Mann! bei ſo angenehmen hoͤflichen Ma- nieren! und errieth den Geſchmack der jungen Dame; da ſie hingegen nicht argwohnen konn- te, was ein ſolches aͤußerliches Anſehen fuͤr ein Herz bedeckte! Das war der Mann! der nehmliche Mann! fliſterte ſie ihrer Mutter zu. Da die Oper geendigt war, mußte ſein
Diener
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0338"n="330"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><hirendition="#fr">Und auf einen ſolchen Grund habe ich nie<lb/>
vergeblich gebauet.</hi>‒‒</p><lb/><p>Den Augenblick beſchloß er, mit dem jun-<lb/>
gen Dinge bekannt zu werden, das ſo heftig<lb/>
fuͤr ihn eingenommen zu ſeyn ſchien. Nie hat<lb/>
ein Mann eine ſchnellere Erfindung gehabt, al-<lb/>
le Arten von Ungluͤck anzurichten. Er gab ſei-<lb/>
ner <hirendition="#fr">Sally</hi> ihr Zeichen. Er nannte ſie <hirendition="#fr">Schwe-<lb/>ſter,</hi>ſo laut, daß jene es hoͤreten. Und <hirendition="#fr">Sal-<lb/>
ly</hi> erzaͤhlte, gleich als aus eigner Bewegung,<lb/>
die beſondern Umſtaͤnde von der ihr angethanen<lb/>
Beleidigung, der jungen Dame und ihrer Mut-<lb/>
ter ins Ohr; wobei ſie ſich in einen Engel des<lb/>
Lichts verſtellte, um den Charackter ihres he-<lb/>
roiſchen Bruders in einem praͤchtigern Glanze<lb/>
zu zeigen. Vornemlich ruͤhmte ſie ſeinen be-<lb/>
kannten und bewaͤhrten Muth; und miſchte in<lb/>
ihre Lobes-Erhebungen ſolche Umſtaͤnde von ſei-<lb/>
ner Geburt, ſeinem Reichthum und uͤbrigen<lb/>
Vorzuͤgen, daß ihm gleichſam nichts uͤbrig zu<lb/>
bleiben ſchien, als in die verliebte <hirendition="#fr">Polly</hi> ver-<lb/>
liebt zu werden.</p><lb/><p>Herr <hirendition="#fr">Lovelace</hi>ſahe alsbald, wie das, was<lb/>ſie ſagte, zu verſtehen ſei: <hirendition="#fr">So ein braver<lb/>
Mann! bei ſo angenehmen hoͤflichen Ma-<lb/>
nieren!</hi> und errieth den Geſchmack der jungen<lb/>
Dame; da ſie hingegen nicht argwohnen konn-<lb/>
te, was ein ſolches aͤußerliches Anſehen fuͤr ein<lb/>
Herz bedeckte! <hirendition="#fr">Das war der Mann! der<lb/>
nehmliche Mann!</hi> fliſterte ſie ihrer Mutter<lb/>
zu. Da die Oper geendigt war, mußte ſein<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Diener</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[330/0338]
Und auf einen ſolchen Grund habe ich nie
vergeblich gebauet. ‒ ‒
Den Augenblick beſchloß er, mit dem jun-
gen Dinge bekannt zu werden, das ſo heftig
fuͤr ihn eingenommen zu ſeyn ſchien. Nie hat
ein Mann eine ſchnellere Erfindung gehabt, al-
le Arten von Ungluͤck anzurichten. Er gab ſei-
ner Sally ihr Zeichen. Er nannte ſie Schwe-
ſter, ſo laut, daß jene es hoͤreten. Und Sal-
ly erzaͤhlte, gleich als aus eigner Bewegung,
die beſondern Umſtaͤnde von der ihr angethanen
Beleidigung, der jungen Dame und ihrer Mut-
ter ins Ohr; wobei ſie ſich in einen Engel des
Lichts verſtellte, um den Charackter ihres he-
roiſchen Bruders in einem praͤchtigern Glanze
zu zeigen. Vornemlich ruͤhmte ſie ſeinen be-
kannten und bewaͤhrten Muth; und miſchte in
ihre Lobes-Erhebungen ſolche Umſtaͤnde von ſei-
ner Geburt, ſeinem Reichthum und uͤbrigen
Vorzuͤgen, daß ihm gleichſam nichts uͤbrig zu
bleiben ſchien, als in die verliebte Polly ver-
liebt zu werden.
Herr Lovelace ſahe alsbald, wie das, was
ſie ſagte, zu verſtehen ſei: So ein braver
Mann! bei ſo angenehmen hoͤflichen Ma-
nieren! und errieth den Geſchmack der jungen
Dame; da ſie hingegen nicht argwohnen konn-
te, was ein ſolches aͤußerliches Anſehen fuͤr ein
Herz bedeckte! Das war der Mann! der
nehmliche Mann! fliſterte ſie ihrer Mutter
zu. Da die Oper geendigt war, mußte ſein
Diener
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/338>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.