geahmt zu werden: Und noth seltener lassen sie sie in ihrem Tode auf eine zukünftige Hof- nung hinaussehen. Sie scheinen also, wenn sie sterben, gänzlich zu vergehen, und da muß der Tod eine fürchterliche Gestalt gewinnen, und als das größeste Uebel betrachtet werden. Aber warum wird der Tod in ein so schreckliches Licht gesetzet, da er das gemeine Loos der Sterbli- chen ist?
Freilich hat er es für schicklich gehalten, den Tod der Gottlosen so schrecklich abzubilden, wie er konnte. Hingegen aber bemühet er sich, den Tod der Frommen so reizend und liebenswür- dig abzumahlen, daß bei den gottlosesten Ge- müthern der Wunsch aufsteigen sollte, daß ihr Ausgang aus der Welt dem Ende unsrer Hel- din ähnlich seyn möchte.
Und endlich was ist die poetische Gerech- tigkeit, wofür einige so sehr streiten, wie sie von den meisten Dichtern gehandhabet wird, anders, als eine andre Art der göttlichen Haus- haltung, die von derjenigen ganz unterschieden ist, welche uns die Offenbahrung lehret: Daß GOtt nemlich für gut gefunden, die Menschen zu üben, und uns hier nur in einen Stand der Prüfung gesetzet hat, worin Gutes und Böses so untermengt ist, damit wir genöthiget wür- den, nach einer gleichern Austheilung von bei- den, in die Zukunft hinauszuschauen?
Der Verfasser der Geschichte, oder vielmehr der dramatischen Erzählung von der Clarissa,
ist
geahmt zu werden: Und noth ſeltener laſſen ſie ſie in ihrem Tode auf eine zukuͤnftige Hof- nung hinausſehen. Sie ſcheinen alſo, wenn ſie ſterben, gaͤnzlich zu vergehen, und da muß der Tod eine fuͤrchterliche Geſtalt gewinnen, und als das groͤßeſte Uebel betrachtet werden. Aber warum wird der Tod in ein ſo ſchreckliches Licht geſetzet, da er das gemeine Loos der Sterbli- chen iſt?
Freilich hat er es fuͤr ſchicklich gehalten, den Tod der Gottloſen ſo ſchrecklich abzubilden, wie er konnte. Hingegen aber bemuͤhet er ſich, den Tod der Frommen ſo reizend und liebenswuͤr- dig abzumahlen, daß bei den gottloſeſten Ge- muͤthern der Wunſch aufſteigen ſollte, daß ihr Ausgang aus der Welt dem Ende unſrer Hel- din aͤhnlich ſeyn moͤchte.
Und endlich was iſt die poetiſche Gerech- tigkeit, wofuͤr einige ſo ſehr ſtreiten, wie ſie von den meiſten Dichtern gehandhabet wird, anders, als eine andre Art der goͤttlichen Haus- haltung, die von derjenigen ganz unterſchieden iſt, welche uns die Offenbahrung lehret: Daß GOtt nemlich fuͤr gut gefunden, die Menſchen zu uͤben, und uns hier nur in einen Stand der Pruͤfung geſetzet hat, worin Gutes und Boͤſes ſo untermengt iſt, damit wir genoͤthiget wuͤr- den, nach einer gleichern Austheilung von bei- den, in die Zukunft hinauszuſchauen?
Der Verfaſſer der Geſchichte, oder vielmehr der dramatiſchen Erzaͤhlung von der Clariſſa,
iſt
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geahmt zu werden: Und noth ſeltener laſſen ſie
ſie in ihrem Tode auf eine zukuͤnftige Hof-
nung hinausſehen. Sie ſcheinen alſo, wenn
ſie ſterben, gaͤnzlich zu vergehen, und da muß
der Tod eine fuͤrchterliche Geſtalt gewinnen, und
als das groͤßeſte Uebel betrachtet werden. Aber
warum wird der Tod in ein ſo ſchreckliches Licht
geſetzet, da er das gemeine Loos der Sterbli-
chen iſt?
Freilich hat er es fuͤr ſchicklich gehalten, den
Tod der Gottloſen ſo ſchrecklich abzubilden, wie
er konnte. Hingegen aber bemuͤhet er ſich, den
Tod der Frommen ſo reizend und liebenswuͤr-
dig abzumahlen, daß bei den gottloſeſten Ge-
muͤthern der Wunſch aufſteigen ſollte, daß ihr
Ausgang aus der Welt dem Ende unſrer Hel-
din aͤhnlich ſeyn moͤchte.
Und endlich was iſt die poetiſche Gerech-
tigkeit, wofuͤr einige ſo ſehr ſtreiten, wie ſie
von den meiſten Dichtern gehandhabet wird,
anders, als eine andre Art der goͤttlichen Haus-
haltung, die von derjenigen ganz unterſchieden
iſt, welche uns die Offenbahrung lehret: Daß
GOtt nemlich fuͤr gut gefunden, die Menſchen
zu uͤben, und uns hier nur in einen Stand der
Pruͤfung geſetzet hat, worin Gutes und Boͤſes
ſo untermengt iſt, damit wir genoͤthiget wuͤr-
den, nach einer gleichern Austheilung von bei-
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Der Verfaſſer der Geſchichte, oder vielmehr
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/346>, abgerufen am 17.06.2024.
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