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Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893.

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1. Egyptisches.

Fassen wir dagegen die Spirale als geometrisches Kunstgebilde,
hervorgebracht auf dem Wege rein künstlerischen Schaffens, im Sinne
unserer Ausführungen im ersten Capitel S. 24. Wir fragen alsdann
nicht nach Naturerzeugnissen oder Produkten technischer Kunstfertigkeit,
welche zur Erfindung des Spiralenmotivs geführt haben mochten, son-
dern nach der nächst einfacheren geometrischen Form, aus welcher die
Spirale im Wege künstlerischer Fortbildung hervorgegangen sein konnte.
Unter den planimetrischen Grundmotiven steht ihr der Kreis am nächsten.
Der Kreis ist das vollkommenste aller planimetrischen Gebilde, er er-
füllt das Postulat der Symmetrie nach allen Seiten hin. Dies allein

[Abbildung] Fig. 31.
[Abbildung] Fig. 32.
würde schon genügen den Umstand zu erklären, dass der Kreis weit-
verbreitete Anwendung in den geometrischen Stilen gefunden hat. Die
Gliederung des Kreises erfolgte am vollkommensten durch seinesgleichen,
in koncentrischer Richtung, durch eingeschriebene kleinere Kreise oder
durch Betonung des Mittelpunkts. Setzte man Kreise unter einander
mittels der Linie in Verbindung, so war das Element der Tangente
geschaffen. Koncentrische Kreise, durch Tangenten verbunden, stehen
aber dem einfachen Spiralenband (Fig. 25) in der äusseren Erscheinung
bereits sehr nahe: wollte man dieselben mit einem fortlaufenden Zuge
hinzeichnen, so brauchte man bloss die Tangente in den äusseren Kreis,

gramm der k. k. Staats-Unterrealschule zu Graz 1892: Die Spirale in der
dekorativen Kunst.
1. Egyptisches.

Fassen wir dagegen die Spirale als geometrisches Kunstgebilde,
hervorgebracht auf dem Wege rein künstlerischen Schaffens, im Sinne
unserer Ausführungen im ersten Capitel S. 24. Wir fragen alsdann
nicht nach Naturerzeugnissen oder Produkten technischer Kunstfertigkeit,
welche zur Erfindung des Spiralenmotivs geführt haben mochten, son-
dern nach der nächst einfacheren geometrischen Form, aus welcher die
Spirale im Wege künstlerischer Fortbildung hervorgegangen sein konnte.
Unter den planimetrischen Grundmotiven steht ihr der Kreis am nächsten.
Der Kreis ist das vollkommenste aller planimetrischen Gebilde, er er-
füllt das Postulat der Symmetrie nach allen Seiten hin. Dies allein

[Abbildung] Fig. 31.
[Abbildung] Fig. 32.
würde schon genügen den Umstand zu erklären, dass der Kreis weit-
verbreitete Anwendung in den geometrischen Stilen gefunden hat. Die
Gliederung des Kreises erfolgte am vollkommensten durch seinesgleichen,
in koncentrischer Richtung, durch eingeschriebene kleinere Kreise oder
durch Betonung des Mittelpunkts. Setzte man Kreise unter einander
mittels der Linie in Verbindung, so war das Element der Tangente
geschaffen. Koncentrische Kreise, durch Tangenten verbunden, stehen
aber dem einfachen Spiralenband (Fig. 25) in der äusseren Erscheinung
bereits sehr nahe: wollte man dieselben mit einem fortlaufenden Zuge
hinzeichnen, so brauchte man bloss die Tangente in den äusseren Kreis,

gramm der k. k. Staats-Unterrealschule zu Graz 1892: Die Spirale in der
dekorativen Kunst.
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[79/0105] 1. Egyptisches. Fassen wir dagegen die Spirale als geometrisches Kunstgebilde, hervorgebracht auf dem Wege rein künstlerischen Schaffens, im Sinne unserer Ausführungen im ersten Capitel S. 24. Wir fragen alsdann nicht nach Naturerzeugnissen oder Produkten technischer Kunstfertigkeit, welche zur Erfindung des Spiralenmotivs geführt haben mochten, son- dern nach der nächst einfacheren geometrischen Form, aus welcher die Spirale im Wege künstlerischer Fortbildung hervorgegangen sein konnte. Unter den planimetrischen Grundmotiven steht ihr der Kreis am nächsten. Der Kreis ist das vollkommenste aller planimetrischen Gebilde, er er- füllt das Postulat der Symmetrie nach allen Seiten hin. Dies allein [Abbildung Fig. 31.] [Abbildung Fig. 32.] würde schon genügen den Umstand zu erklären, dass der Kreis weit- verbreitete Anwendung in den geometrischen Stilen gefunden hat. Die Gliederung des Kreises erfolgte am vollkommensten durch seinesgleichen, in koncentrischer Richtung, durch eingeschriebene kleinere Kreise oder durch Betonung des Mittelpunkts. Setzte man Kreise unter einander mittels der Linie in Verbindung, so war das Element der Tangente geschaffen. Koncentrische Kreise, durch Tangenten verbunden, stehen aber dem einfachen Spiralenband (Fig. 25) in der äusseren Erscheinung bereits sehr nahe: wollte man dieselben mit einem fortlaufenden Zuge hinzeichnen, so brauchte man bloss die Tangente in den äusseren Kreis, 37) 37) gramm der k. k. Staats-Unterrealschule zu Graz 1892: Die Spirale in der dekorativen Kunst.

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Zitationshilfe: Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/riegl_stilfragen_1893/105>, abgerufen am 24.11.2024.